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Leitartikel

Spitzenkandidatur: Cem Özdemir hat das Potenzial, doch er geht auch ein Risiko ein

Cem Özdemir will Spitzenkandidat der Grünen bei der Landtagswahl 2026 werden. Er entscheidet sich ganz für Baden-Württemberg. Das Duell mit Manuel Hagel (CDU) wird spannend. Özdemir hat Potenzial, doch es wird ein Hürdenlauf, schreibt Chefredakteur Rafael Binkowski.

Cem Özdemir will Nachfolger von Ministerpräsident Winfried Kretschmann werden.

dpa/Stefan Puchner)

Stuttgart. Jetzt ist es also entschieden. Nach langem Zögern hat Cem Özdemir seine Kandidatur für die Landtagswahl 2026 als Nachfolger von Winfried Kretschmann verkündet. Nicht mit einer Pressekonferenz oder einem öffentlichen Auftritt, sondern per Brief und einem Instagram-Video, in dem er ein T-Shirt mit der Aufschrift „CEM 2Ö26“ auspackt. Es war schon fast der letztmögliche Zeitpunkt, bald werden die Stuttgarter Bundestagskandidaten der Grünen aufgestellt. Özdemir wird nicht dabei sein.

Der 58-jährige Agrarminister hat sich voll und ganz für Baden-Württemberg entschieden, wird voraussichtlich den Stuttgarter Landtagswahlkreis von Winfried Hermann übernehmen. Auch das wäre ein Signal, Özdemir würde mit Kretschmann und Hermann den Urgesteinen der politischen Wende aus dem Jahr 2011 nachfolgen.

Wie Özdemir seine Kandidatur begründet, lesen Sie hier .

Im ungünstigsten Fall wird er Oppositionsführer in Stuttgart

Der Schritt ist nicht ohne Risiko für den Bundesagrarminister, ehemaligen Grünen-Vorsitzenden, selbst ernannten „Spätzles-Türken“ und Bad Uracher, der politisch schon viel erlebt hat. Im ungünstigsten Fall könnte er von einem Ministeramt in Berlin zum Oppositionsführer im Landtag werden. Doch in der Politik gibt es keinen Sicherungsschirm. Ganz oder gar nicht, alles andere geht schief, wie die Beispiele von Norbert Röttgen oder Nancy Faeser zeige. Sie versuchten, mit dem Rückfahrticket nach Berlin zu kandidieren, und scheiterten.

Cem Özdemir elektrisiert die linksliberale Basis, gibt den derzeit schwer unter Druck stehenden Grünen wieder Mut und Zuversicht. Und kann vor allem, ähnlich wie Kretschmann, das ländlich-konservative Milieu ansprechen. Das ist ihm sogar gelungen, als er während der Bauernproteste im Kreuzfeuer stand. Özdemir hat Charisma, ein unbestreitbares rhetorisches Talent und kann einen Saal für sich einnehmen. Allerdings wehen der Wind und der politische Zeitgeist gerade in eine andere Richtung, und das Chaos der Ampel in Berlin macht die Kandidatur zu einem Hindernislauf.

Bilderstrecke: Wichtige Stationen von Özdemirs Karriere

Die CDU muss mit Hagel eine Strategie finden

Bei der CDU haben sie natürlich mit Özdemir gerechnet, eine schlüssige Strategie haben sie allerdings noch nicht. Der 35-jährige Manuel Hagel gilt als Hoffnungsträger bei der Union, tourt unermüdlich durch das Land und versucht, seine Bekanntheit zu steigern. Özdemir ist schon bekannt, aber auch umstritten, das zeigt der aktuelle BW-Trend.

Über Manuel Hagels politische Wurzeln hier eine Reportage.

Es wird ein reizvolles, spannendes Duell. Beide Kontrahenten haben Potenzial, Stärken und Schwächen, und werden auch noch dem letzten Südwestbürger die Hände schütteln. Es gibt eine echte Auswahl, und wer danach mit wem regiert, wird ebenso spannend.

Die CDU hat schon vor einem Jahr die Weichen gestellt, die Grünen ziehen jetzt nach. Nur eines sollten beide Parteien nicht vergessen: Es muss auch noch regiert werden!

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