Landkreisversammlung 

Landkreistagspräsident: „Die Kreishaushalte befinden sich im freien Fall“

Der Landkreistag machte bei seiner Verbandsversammlung auf die schwierige Lage der Kreise aufmerksam. Allen voran bei den Flüchtlingskosten und der Klinikreform mahnt der Verband dringenden Handlungsbedarf an. 

Landkreistagspräsident Joachim Walter adressierte die Forderungen an den Ministerpräsidenten (Dritter von links).

Landkreistag BW)

Bruchsal. Angesichts der Fülle der Forderungen, die ihm Landkreistagspräsident Joachim Walter (CDU) ins Stammbuch schrieb, sah sich Winfried Kretschmann (Grüne) zu einer Bemerkung über die „Liturgie“ der Landkreisversammlung ermuntert. „Erst setzen Sie mich auf der Bühne in die Mitte, damit man denkt, ich gehöre dazu und dann werde ich gegrillt“, sagte der Ministerpräsident bei der Landkreisversammlung am Montag in Bruchsal. Er räumte aber gleichzeitig ein, dass die Landräte „keine unsinnigen Klagen“ hätten.

Tatsächlich stellte Joachim Walter die Finanzlage als so dramatisch dar, wie er sie noch nicht erlebt hätte . „Die Kreishaushalte befinden sich im freien Fall und das ist keine Übertreibung.“ Für den Landrat des Kreises Tübingen geht es um den Erhalt der kommunalen Daseinsvorsorge.

Flüchtlingskosten und Krankenhausreform bereiten Sorgen

Sorge bereiten den Landräten zwei Großthemen, die nicht nur auf Landesebene, sondern auch im Bund gelöst werden müssen. Die Finanzierung der Flüchtlingskosten und die Folgen der Krankenhausreform. Walter warnte davor, dass die Kosten für die Unterbringung auf die Kreise abgewälzt werden könnten. Das werde die Debatte um Geflüchtete in die Kreistage verlagern, was „Kräfte befeuert, die darauf nur warten“.

„Ja, wir sind am Limit“, sagte der Ministerpräsident über die Aufnahme von Geflüchteten. Hier gehe es um die wirksame Begrenzung der irregulären Einwanderung und es gehe um Sicherheit. Wer Asyl beantrage und dann schwere Straftaten begehe, müsse das Land wieder verlassen.

Brötel: „Der ländliche Raum wird leergeräumt“

Der Präsident des Deutschen Landkreistags Achim Brötel (CDU) betonte, dass die Krankenhausreform viele Kliniken treffen werde. „Der ländliche Raum wird leergeräumt“, sagte der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises und erinnerte daran, wie wichtig die Krankenhäuser in der Corona-Pandemie waren. Brötel hofft, dass Baden-Württemberg über den Bundesrat die Reform in den Vermittlungsausschuss schicke und so stoppe.

Auch Kretschmann betonte, wie wichtig diese Kliniken sind. Man müsse zweigleisig fahren, Betten in der Fläche vorhalten und Krankenhäuser mit Schwerpunktbildungen einrichten. Das Land habe zwar ein Sofortpaket beschlossen, aber: „Wir können nicht das kompensieren, was der Bund zu leisten hätte“.  Walter erinnerte einmal mehr daran, dass die Landkreise unter einer Vielzahl an Pflichtaufgaben litten, die sie kaum noch bewältigen könnten.

Kretschmann: werde Forderungen auf offener Bühne nicht verhandeln

Dissens gab es beim Thema Bürokratieabbau. So ist die Entlastungsallianz laut Landkreistag bislang deutlich unter ihren Möglichkeiten geblieben.  Kretschmann dagegen lobte die Allianz und verwies auf 120 Vorschläge der Kommunen, die bereits umgesetzt wurden. Walter verweist dagegen darauf, dass die Vorschläge, die niedrig hängenden Früchte, fast alle aus den Kommunen gekommen seien. Nun müsste man sich endlich an die dicken Bretter wagen.

Viele weitere Themen harren für den Landkreistagspräsidenten noch einer Lösung, etwa bei der Digitalisierung, dem Deutschland-Ticket und der Eingliederungshilfe. Auch die kommunale Forderung nach dem Stopp des Gleichbehandlungsgesetzes wiederholte er, ebenso die unnötigen Fahrradkoordinatoren, die das Landesmobilitätsgesetz für die Landratsämter vorsieht. Die Herausforderungen müsste man mit dem Land angehen, man dürfe nicht davor verharren wie das „Kaninchen vor der Schlange“, sagt er in die Richtung des Ministerpräsidenten.

„Die Lage ist ernst“, sagte Kretschmann in Bezug auf die schwierige Situation der Autoindustrie. Für ihn sei es die letzte Landkreisversammlung. Er werde die Forderungen auf offener Bühne nicht verhandeln, ebenso wenig sein Nachfolger, „wer auch immer das sein wird“.

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