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Pro und Contra zur Oper „Sancta“

Opernintendant Viktor Schoner: „Aufführungen waren ein Erfolg“

Aktuell steht die Oper „Sancta“, die derzeit an der Staatsoper Stuttgart aufgeführt wird, im Kreuzfeuer. Wir haben zwei Persönlichkeiten um ein Statement gebeten. Opernintendant Viktor Schoner verurteilt persönliche Angriffe und spricht sich für die Oper aus.

Die Oper „Sancta“ polarisiert – Opernintendant Viktor Schoner äußert sich auf der Pro-Seite.

Matthias Baus)

Als Oskar Schlemmer mit Paul Hindemith und dem Württembergischen Landestheater 1921 die Oper „Sancta Susanna“ in Stuttgart zur Uraufführung bringen wollte, wurde das Projekt kurz vor der Premiere gecancelt. Die Geschichte einer Nonne, die angesichts des Kruzifixes ihren Leib entdeckt, könnte als blasphemisch interpretiert werden. Inzwischen ist die Oper auf vielen Spielplänen Standard. Allein, in Stuttgart war sie bis vor Kurzem noch nie erklungen.

Ob aus heutiger Sicht die Fragen von damals wohl gelöst sind? Die Frage der Unterdrückung des weiblichen Körpers aus dem Geiste patriarchaler Strukturen der katholischen Kirche, eine Perspektive, die bis in die heutige Gesellschaft Wirkung hat? Ist dieses Werk überhaupt noch für eine breitere Öffentlichkeit interessant? Wie blicken heutige feministische Performerinnen auf dieses Werk? Das war die Grund-Frage, als wir die Florentina Holzinger mit der Produktion „Sancta“ beauftragten. Die eigentlichen Aufführungen dieser Opernperformance im analogen „Denkraum“ unseres Opernhauses wie auch in Schwerin und Wien waren ein euphorischer Erfolg. Auch die Podiumsdiskussion vor der Premiere mit Stadtdekan Christian Hermes und Florentina Holzinger war von gegenseitigem Respekt, Interesse und Dialog geprägt. Das ist doch die Rolle von Kunst im Geiste der Kunstfreiheit: scheinbar unüberwindbare Grenzen zu hinterfragen und Diskussionsräume fern von Funktionärsideologien aufzumachen. Doch dann wanderte der „Denkraum“ in die mediale Welt.

Der Abend ist künstlerisch gewiss radikal, aber er ist auch ein utopisches Happening, eine enthusiastische Feier für eine säkulare „Gemeinde“. In der Diskussion in den Medien werden nun Täter und Opfer vertauscht: Einzelpersonen werden mit Berufung auf die Institution Kirche und zu deren Schutz persönlich angegriffen. Ob das noch funktionieren sollte in einem aufgeklärten Miteinander im Jahr 2024? Beim Publikum kann man die Dialektik der Aufklärung erleben: Die Diskussionen nach den Vorstellungen sind empathisch, inspiriert, im besten Sinne verunsichert. Im medialen Raum funktioniert diese Dialektik nicht mehr: Viele glauben sich über dieses Stück äußern zu müssen, ohne es persönlich erlebt zu haben. Und öffnen damit Tür und Tor für Hate-Speech und aggressive Angriffe auf die Performerinnen. Hier werden Grenzen überschritten, die ein Theaterabend gar nie wird überschreiten können. „Das ist der eigentliche Skandal“, schreibt „Die Zeit“, und ich schließe mich diesem Urteil an.

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