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Forschungsprojekt

Tragende Bauteile sollen künftig wiederverwendet werden

Das baden-württembergische Bauministerium will, dass mehr gebrauchte Bauteile, wie Holz- und Stahlträger wiederverwendet werden. Bautechnisch wäre das in vielen Fällen möglich, haben Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der TU München ermittelt. Doch bis die Gebrauchtteile einen nennenswerten Marktanteil haben könnten, wird es dauern.

Neubauten sollten so geplant werden, dass Bauteile, wie Holzbalken, bei einem Rückbau problemlos wiederverwendet werden können, fordern Experten.

Imago/Udo Kröner)

Stuttgart. „Less Träsh “ hatte das Bauministerium sein Symposium zum Thema zur Wiederverwendung tragender Stahl- und Holzbauteile in werbekampagnen-schwäbisch überschrieben, doch in der Tonne landen Träger, Stützen oder Dachsparren schon heute nicht. Der Stahl wird zu 99 Prozent wiederverwertet, allerdings mit hohem Energieaufwand eingeschmolzen, um neue Stahlteile zu produzieren. Das Bauholz wird ebenfalls zu einem Großteil genutzt, aber häufig für weniger hochwertige Produkte oder die Energieerzeugung.

Das will Bauministerin Nicole Razavi nun ändern, in dem Bauelemente in ihrer bestehenden Form wiederverwendet werden sollen. „Mehrwegbauteile werden ein entscheidender Faktor sein, um noch bezahlbar und ressourceneffizient bauen zu können“, sagte die CDU-Politikerin. Um die technischen Möglichkeiten für den Einsatz gebrauchter tragender Teile in neuen Gebäuden ermitteln zu lassen, hat das Ministerium ein Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben. Ihre Erkenntnisse, wie und unter welchen Rahmenbedingungen Holz- und Stahlbauteile wiederverwendet werden können, haben Wissenschaftler des KIT und der TU München nun vorgestellt. Die Erkenntnisse und Empfehlungen sollen in einem Leitfaden zusammengefasst werden.

Bei Stahl lässt sich viel Kohlendioxid einsparen

Prinzipiell wären etwa beim Stahl durch die direkte Wiederverwendung gewaltige Mengen an Kohlendioxid vermeidbar, wie Thomas Ummenhofer, Professor für Stahl- und Leichtmetallbau am KIT, vorrechnete. Bei der Produktion von neuem Stahl im Hochofen entstünden 2,2 Tonnen CO 2 pro Tonne Stahl, bei Stahl aus Schrott aus dem E-Stahlwerk rund 550 Kilogramm pro Tonne Stahl. Bei der Wiederverwendung seien es höchstens 50 Kilogramm vor allem für den Transport.

Bevor Bauteile aus Holz oder Stahl in einem neuen Gebäude eingesetzt werden können, sind Bestandsaufnahme und Prüfung notwendig. Dabei geht es zum einen um den Zustand der Stützen oder Träger und damit um deren Tragfähigkeit, wie auch eine eventuelle Belastung mit Schadstoffen. Bei Stahl wurde bis in die 1980er-Jahre zum Teil Bleimennige in Rostschutzanstrichen eingesetzt, im Holzschutz Lindan und PCB. Alle drei Stoffe gelten als gesundheitsgefährdend und sind heute verboten. Bei einer Lindan- oder PCB-Belastung sei eine Wiederverwendung ausgeschlossen, sagte Ummenhofers Professorenkollege vom Holzbau der TU München, Stefan Winter. Die beiden Wissenschaftler hatten gemeinsam mit Philipp Dietsch, Leiter des KIT-Instituts für Holzbau und Baukonstruktion, die Untersuchung für das Bauministerium geleitet.

Baumaterialien exakt dokumentieren

Welche Prüfungen der Bauteile erforderlich sind, hängt vom künftigen Einsatzzweck ab und davon, ob es detaillierte Unterlagen zum Gebäude und den verwendeten Baumaterialien gibt. Wenn Daten zu den Bauteilen vorliegen, wäre bei der Wiederverwendung in einem Einfamilienhaus gar keine Materialprüfung erforderlich, erklärte Ummenhofer.

Sowohl die drei Autoren des Leitfadens wie auch der Stuttgarter Tragwerksplaner Thorsten Helbig plädieren deshalb bei Neubauten für eine exakte Dokumentation der eingesetzten Baumaterialien. Und es müsse sichergestellt werden, dass die Daten langfristig gespeichert und verfügbar bleiben. Dies könnte ihrer Einschätzung nach am besten durch eine Verwaltung der Daten durch eine öffentliche oder staatlich beauftragte Stelle erfolgen.

Wiederverwendung muss bei Neubauten eingeplant werden

Für Helbig, dessen Büro Knippershelbig zu den Vorreitern beim nachhaltigen Bauen zählt, ist ein generelles Umdenken nötig: „Wir müssen Gebäude als Quellgebäude planen“, sagte er. Die Wiederverwendung solle von Anfang an mitgedacht werden. Die Verwendung gebrauchter Bauteile stelle aber auch Architekten und Bauherren vor neue Herausforderungen. „Bei Nutzung von Rückbauteilen lässt sich nicht vorhersagen, wie das Gebäude am Ende aussieht“, meint Helbig.

Bis es so weit ist, ist auch auf politischer Seite noch viel Arbeit nötig. So müssen bauaufsichtliche Vorschriften angepasst werden, um den Einsatz gebrauchter Teile überhaupt zu ermöglichen.

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