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Porträt der Woche

Simone Kirschbaum: Hebamme und neu in der SPD-Landtagsfraktion

Wo gibt es denn so was, dass eine Abgeordnete den Reporter an der Pforte abholt? Die Neue von der SPD ist keine, die abhebt, nur weil sie jetzt im Landtag sitzt. Zur Erdung trägt auch bei, dass sie weiter als Hebamme wirkt.

Simone Kirschbaum gehört seit 1. Oktober der SPD-Landtagsfraktion an.

Privat)

Sie hat mit allen gesprochen, als sie das erste Mal durch „ihren“ Landtag lief, dem Hausmeister, den Stenotypisten, den Saaldienern. Sie findet, dass sich das so gehört. Und war erstaunt, dass das für die Gegrüßten alles andere als Alltag ist: dass eine Abgeordnete jenen, die das Räderwerk der Demokratie am Laufen halten, so viel Aufmerksamkeit zollt.

Simone Kirschbaum, 50 Jahre, verheiratet, zwei Kinder. Und seit drei Wochen Mitglied der SPD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg. Daneben auch noch Hebamme, wobei sie jetzt nicht mehr bei Geburten dabei sein kann. Sie macht nur noch planbare Dinge wie Vorsorge, Nachsorge, Stillberatung. Alles lässt sich mit einem Parlamentarierjob, der ja auch Anwesenheit verlangt – etwa bei wichtigen Abstimmungen –, eben doch nicht vereinbaren.

Kirschbaum rückt für Gernot Gruber nach, der 13 Jahre lang den Wahlkreis Backnang vertrat und im Juni seinen Rückzug verkündete – bei ihm war Ende 2023 ein Erschöpfungssyndrom diagnostiziert worden, das sich das ganze Jahr über nicht besserte, nachdem er jahrelang 12 bis 15 Stunden am Tag gearbeitet hatte.

Für den Mathematiker, Haushaltspolitiker und einstigen Referatsleiter bei der Allianz kommt also eine Hebamme, die auch Jugend- und Heimerziehung gelernt hat. Kein Wunder, dass Kirschbaum nach einem anderen Betätigungsfeld schaut. Mit dem Sozialausschuss könnte sie sich anfreunden, doch noch ist nicht raus, wo sie landet.

Die ersten Schlagzeilen hat die 50-Jährige auch schon produziert: Mit Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) ist sie diese Woche auf die Barrikaden gegangen, nachdem die Kassenärztliche Vereinigung angekündigt, die Zahl der Notfallpraxen weiter zu verringern, wovon ausgerechnet Backnang, wo vor einigen Jahren das Krankenhaus schloss, betroffen sein soll. Dabei habe man den Backnangern bei der Schließung der Klinik doch versprochen, dass die Notfallpraxis bleibt. Gerade den Menschen weiter oben im Murrtal sei nicht zuzumuten, wenn sie noch weiter fahren müssen. Schon jetzt seien sie abgehängt.

Kirschbaum weiß, wovon sie spricht, wuchs sie doch in einem Dorf im Schurwald auf. Von dort zog sie nach Stuttgart und Backnang. Zwischendurch macht sie beruflich Station in Metzingen – und lernte dort ihren Mann kennen. Am Telefon. „Er hatte eine tolle Stimme.“

Über ihren Mann erfuhr sie auch einiges über eine wichtige Person aus der Landespolitik: Winfried Kretschmann, der im selben Stadtteil von Sigmaringen lebt, wo ihr Gatte geboren ist und wo die Schwiegereltern leben. Im Übrigen räumt sie ein, sich noch etwas schwerzutun mit den vielen neuen Gesichtern. Doch zum Glück habe sie zwei entzückende Nebensitzer, Sebastian Cuny und Andreas Kenner. „Die nehmen mich an der Hand und sagen, das geht jetzt so und das ist total gut.“

Drei Fragen…

Sie bringen eine besondere berufliche Qualifikation mit. Hat die SPD-Fraktion noch eine Hebamme gebraucht?

Ich finde, dass eine Partei einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden sollte. Und dass wir nicht nur Juristen brauchen. Wer aus so einer Lebenswirklichkeit kommt wie ich, kann bei der Beratung entsprechender Gesetze viel besser mitwirken. Ich weiß zum Beispiel, was es heißt, im Schichtdienst zu arbeiten und kann einschätzen, ob eine zeitliche Vorgabe für eine bestimmte Tätigkeit realistisch ist.

Wann haben Sie erfahren, dass Sie nachrücken könnten?

Nach den Pfingstferien hat Gernot Gruber sich gemeldet, vier Wochen, bevor er seinen Rückzug offiziell verkündet hat.

Sie hätten auch nein sagen können. War es eine schwere Entscheidung?

Es war keine Frage, dass ich das annehme. Ich empfinde jedoch Respekt vor der Aufgabe und der Bilanz meines Vorgängers. Gernot Gruber hat sehr große Fußstapfen hinterlassen.

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