Tradition trifft auf Brutalismus
Aalen . Das Herz einer Stadt schlägt oft in ihrem Rathaus – doch in Aalen pulsiert es gleich dreifach. Während der „Aalener Spion“ vom Turm des historischen Rathauses (erbaut im 14. Jahrhundert und nach dem Stadtbrand 1636 neu errichtet) mit verschmitztem Blick und rauchender Pfeife über das Treiben auf dem Marktplatz wacht und gegenüber ein Café im Alten Rathaus (1575 urkundlich erwähnt) mit dem Duft von Kaffee und Kuchen lockt, thront unweit davon ein architektonischer Riese aus Beton: das neue Rathaus.
Brutalistischer Zeitgeist und mittelalterlichern Charme
Diese ungleichen Drillinge erzählen nicht nur von Aalens Geschichte, sondern auch von einem faszinierenden Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne. Wo einst Napoleon sich angeblich den Kopf stieß und Kaiser mit Humor besänftigt wurden, treffen heute brutalistischer Zeitgeist der 1970er auf mittelalterlichen Charme. Das Aalener Rathaus-Trio ist ein steinernes Zeugnis städtischer Identität im Wandel der Zeit, das die Bürger mal mit Stolz, mal mit Stirnrunzeln betrachten.
Besonders das neue Rathaus aus dem Jahr 1975 sorgt seit jeher für Gesprächsstoff in der Stadt. Der von Helmut Schaber entworfene Bau, der architektonisch dem Brutalismus zuzuschreiben ist, polarisiert. „Es mutet zunächst einmal in gewisser Weise als Art Fremdkörper an, als Störung, als Intervention in den Stadtraum“, beschreibt Oberbürgermeister Frederick Brütting (SPD) als Hausherr seinen ersten Eindruck.
Dennoch sieht er auch Vorzüge des Gebäudes: „Auf dem zweiten Blick entdeckt man aber doch auch seine Vorteile, dass es auch ein Haus für die Bürgerinnen und Bürger ist und neue Räume eröffnet.“ Es habe damals die wachsende Stadt und deren Dynamik vorausgenommen. Tatsächlich zeugt der Bau von einer Zeit des Fortschrittsglaubens und der Zuversicht, die Aalen in den 1970er Jahren prägte. Damals wuchs die Stadt rasant und man setzte auf Modernisierung und Wachstum.
Sanierung soll auch die Integration ins Stadtbild verbessern
Die Entscheidung für den Erhalt des Gebäudes, die nach einer kontroversen Debatte um Abriss oder Sanierung gefallen ist, sieht Brütting als richtigen Schritt in Richtung Zukunft. Nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch aufgrund der räumlichen Flexibilität und der Symbolik, die von dem Gebäude ausgeht. „Wir bräuchten auch wieder ein Gebäude in dieser Größe, müssten ein ähnliches Rathaus wiederbauen und das macht keinen Sinn, auch wirtschaftlich nicht“, sagt Brütting.
Die Sanierung soll das Rathaus nun fit für die Zukunft machen und gleichzeitig seine Integration in das Stadtbild verbessern. Begrünung des Umfelds, ein neuer Südzugang und die Öffnung des Erdgeschosses sollen das Gebäude zugänglicher und einladender gestalten. Im Inneren stehen vor allem die Bedürfnisse der Bürger und Mitarbeiter im Vordergrund: Flexible Büroflächen, mehr Begegnungszonen und eine moderne technische Ausstattung sollen die Arbeit im Rathaus noch effizienter und angenehmer gestalten. Mit der Sanierung soll auch die Transparenz der Kommunalpolitik erhöht werden. So werden die Scheiben der Fraktionsräume mit Auszügen aus der Gemeindeordnung beklebt, um den Bürgern die Arbeit des Gemeinderates näherzubringen. „Wir wollen Kommunalpolitik noch mehr zeigen und erlebbar machen“, erklärt Brütting.
Auf die Frage nach seinem Lieblingsplatz im Rathaus muss Brütting nicht lange überlegen: die Dachterrasse im siebten Stock. „Da sieht man die ganze Stadt und kann auch mal durchschnaufen. „ Doch nicht nur der Ausblick von oben begeistert ihn. Auch der neu gestaltete Sitzungssaal hat es ihm angetan: „ Ich finde den wirklich sehr gut gelungen und ich gehe gerne in die Sitzungen.“