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Die Wirtschaftskrise erreicht den Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg
Stuttgart. Die Chefin der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, Martina Musati, fasst die Regionalprognose des IAB für den Südwesten mit deutlichen Worten zusammen: „Die Lage ist ernst. Konjunktur und Transformationsdruck setzen dem Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg weiter zu, verzeichnen wir doch seit 2022 eine steigende und sich immer mehr verhärtende Arbeitslosigkeit.“
In den Zahlen der IAB-Forscher liest sich das so: Für 2025 prognostizieren sie im Jahresdurchschnitt 276 600 Arbeitslose in Baden-Württemberg. Das wäre gegenüber dem laufenden Jahr ein Anstieg um 2,6 Prozent.
Baden-Württemberg schlechter als der Bundesdurchschnitt
Bedenklich ist dabei, dass die Arbeitsmarktentwicklung im Land nach Einschätzung des IAB schlechter laufen könnte als im bundesweiten Vergleich. Denn für Deutschland insgesamt erwarten sie einen Zuwachs an Arbeitslosen um 2,2 Prozent, in Westdeutschland sogar nur um 1,9 Prozent. Während sich der Arbeitsmarkt im Nordwesten Deutschlands vergleichsweise gut entwickelt, müssen der Osten und Süden mit deutlich mehr Arbeitslosen rechnen. So liegen Rheinland-Pfalz und Hessen beim Anstieg gleichauf mit Baden-Württemberg, Bayern mit einem prognostizierten Plus von 3,6 Prozent Arbeitslosen sogar noch schlechter. Allerdings bleiben die durchschnittlichen Arbeitslosenquoten in Baden-Württemberg mit 4,3 Prozent und in Bayern mit 3,8 Prozent weiterhin die niedrigsten im ganzen Bundesgebiet.
Auch andere Indikatoren deuten darauf hin, dass 2025 kein gutes Jahr für Jobsuchende werden wird. So soll die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten zwar auch im nächsten Jahr leicht um 0,4 Prozent oder knapp 22 000 Personen wachsen. Laut IAB ist das „im längeren historischen Vergleich ein äußerst geringer Anstieg.“
Einstellungsbereitschaft der Unternehmen sehr gering
Die Bereitschaft neue Mitarbeiter einzustellen oder frei werdende Stellen wieder zu besetzen, ist aktuell in den Unternehmen sehr niedrig, erläutert Rüdiger Wapler vom IAB-Team in Baden-Württemberg. Die Einstellungsrate sei derzeit so niedrig wie in den vergangenen fünf Jahren nicht mehr. Neue Jobs würden vor allem im Dienstleistungsbereich, etwa bei der Kinderbetreuung und in der Pflege geschaffen.
Als wesentliche Gründe für die im Bundesvergleich schlechte Prognose für den Südwest-Arbeitsmark sieht Wapler die lang anhaltende Konjunkturflaute und den Strukturwandel im Automobilsektor. Letzterer werde zumindest kurzfristig zum Stellenabbau führen. Die größten Rückgänge durch den Wechsel von Verbrenner- zu Elektroantrieben erwartet der Arbeitsmarktforscher aber nicht bei den Autoherstellern selbst und ihren Zulieferern, sondern im Kfz-Handel und den Werkstätten.
Verdrängungswettbewerb zulasten von Langzeitarbeitslosen
Bei der Konjunktur gibt es nach Einschätzung von Rüdiger Wapler für die exportorientierte baden-württembergische Industrie erste positive Signale aus den USA und China. Bis diese sich aber auf die Produktion und den Arbeitsmarkt tatsächlich auswirkten, werde es noch einige Zeit dauern.
Besonders für Langzeitarbeitslose dürfte die schwierige Arbeitsmarktsituation die Chancen auf einen Job weiter schmälern. Im sogenannten SGB-II-Bereich, als bei den Bürgergeldempfängern, steigt der Prognose zufolge 2025 die Arbeitslosigkeit in Baden-Württemberg um 2,8 Prozent und damit etwas stärker als bei den Empfängern von Arbeitslosengeld (2,5 Prozent). Es werde zu einem gewissen Verdrängungswettbewerb zulasten der weniger qualizierten Bewerber geben, vermutet IAB-Volkswirt Wapler.
Angesichts der erwarteten Probleme am Arbeitsmarkt hat Martina Musati eine klare Erwartung an die Politik. „Wichtig ist, dass die Wachstumsinitiative nun rasch kommt, nachhaltig Wirkung zeigt und ihre Impulse den Arbeitsmarkt erreichen.“