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Kommentar

Nehmen Sie die Lage ernst

Überall ist die Rede von der Zeitenwende. Doch man kann nicht von Zeitenwende reden und weitermachen wie bisher, findet Jennifer Reich: Die zivil-militärische Zusammenarbeit muss angesichts der Bedrohungslage durch Russland besser aufgestellt werden. 

Fahrzeuger der Bundeswehr rollen im dichten Verkehr über die Autobahn A2 zu einer Gefechtsübung.

dpa/Klaus-Dietmar Gabbert)

Die Worte von Michael Giss, dem obersten Vertreter der Bundeswehr in Baden-Württemberg, erinnern an Worte von Angela Merkel. In einer Fernsehansprache zur Corona-Pandemie sagte die damalige Bundeskanzlerin im März 2020: „Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst.“ Ähnlich klang der Kommandeur des Landeskommandos Baden-Württemberg beim 9. Symposium zur Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) am Samstag. Er bat alle Teilnehmer darum, die Bedrohungslage durch Russland zur Kenntnis zu nehmen und als Multiplikatoren zu fungieren. Es gehe nicht darum, Panik zu verbreiten, sondern darum, die Notwendigkeit aufzuzeigen, sich auf alle möglichen Szenarien vorzubereiten.

Für die Bundeswehr ist Wladimir Putin der Feind. Ein Feind, der in etwa fünf Jahren in der Lage sein wird, die NATO „anzutesten“, wie Giss in Karlsruhe sagte. Aus militärischer Sicht sei damit zu rechnen, dass Russland in etwa dieser Zeit eine konkrete militärische Gefährdung darstellen wird. Tritt der Bündnisfall nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags ein, dann gilt „einer für alle, alle für einen“. Das Bündnis verteidigt sich gemeinsam. In diesem Fall würde Deutschland zur Drehscheibe im Herzen Europas.

Welche Auswirkungen das auf unseren Alltag hätte, dürfte jedoch den wenigsten bewusst sein. Und zwar auch, wenn Deutschland nicht direkt angegriffen wird. Es hätte zur Folge, dass Hunderttausende Soldaten sich auf den Weg an die NATO-Ostflanke machen, quer durch Deutschland. Es käme zu Autobahnsperrungen, Lieferketten würden gestört, es würden viele Menschen zu uns flüchten. Es könnten Kriegsgefangene bei uns ankommen und verletzte Soldaten. Schaut man sich die Situation in Kliniken, Flüchtlingsunterbringung und Infrastruktur an, wird dem ein oder anderen nun sicherlich etwas mulmig.

Umso wichtiger, dass man beginnt, darüber nachzudenken. Wie sichern wir Infrastruktur? Wie können zivile Kräfte das Militär unterstützen? Der Operationsplan Deutschland wird viele vor Herausforderungen stellen, und doch ist er notwendig. Er ist eine Reaktion auf die sich verschärfende sicherheitspolitische Lage und soll Grundlage zur Handlungsfähigkeit schaffen.

Man kann nicht von Zeitenwende reden und weitermachen wie bisher. Sollte es zum Verteidigungsfall kommen, braucht die Bundeswehr Unterstützung von Zivilschutz, Landkreisen, Kommunen und Bürgern. Deshalb ist es wichtig, dass wir aufwachen, dass jeder die eigene Betroffenheit erkennt. Es geht nun darum, sich auf eine reale Bedrohung vorzubereiten. Etwa damit, für zehn Tage Lebensmittel zu Hause zu haben und idealerweise der hochbetagten Nachbarin zu helfen. Denn im Zweifel wird das kein anderer tun.

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