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Interview

Die staatliche Heimaufsicht war kaum aktiv

Die Projektgruppe „Aufarbeitung Kinderverschickung“ endet nach zwei Jahren. Ihr Leiter Christian Keitel im Interview.

Christian Keitel Leiter des Projekts „Aufarbeitung Kinderverschickung“ des Landesarchivs

Achim Zweygarth)

Mehr als zwei Jahre lang hat eine Projektgruppe das Thema Kinderverschickung aufgearbeitet. Geleitet wurde es von Christian Keitel.

Staatsanzeiger: Herr Keitel, was sind die zentralen Ergebnisse der Projektgruppe „Aufarbeitung Kinderverschickung Baden-Württemberg“?

Christian Keitel: In dem Projekt konnten zahlreiche Anfragen ehemaliger Verschickungskinder recherchiert werden. Mit den dadurch gewonnenen Erkenntnissen konnten die zentralen Grundlagendaten zur Kinderverschickung ermittelt und publiziert werden.

Spielt Baden-Württemberg bei diesem Thema eine besondere Rolle?

Baden-Württemberg hatte im bundesweiten Vergleich sehr viele Erholungsheime. Im Projekt konnten wir über 480 Heime allein in diesem Bundesland nachweisen. Für jedes einzelne Heim werden Quellenlage und Ansprechpartner genannt. Diese Grundinformationen bieten eine solide Basis für die weitere Erforschung des Themas und vertiefte Forschungen zu einzelnen Themen. Daneben werden in der Ausstellung, ihrer Begleitpublikation und in dem Themenmodul Heimkindheiten in dem Portal Leo-bw eigene Forschungen vorgestellt.

Warum kam es überhaupt zu Gewalt und Vernachlässigung?

Zahlreiche Heime wurden in erster Linie privat betrieben und unterstanden daher in besonderem Maße ökonomischem Druck. Die Heime waren unterfinanziert und hatten zu wenig sowie oft unausgebildetes Personal. Leider wurde die staatliche Heimaufsicht bis in die 1970er-Jahre hinein kaum aktiv.

Das zweijährige Forschungsprojekt geht Ende Oktober dieses Jahres zu Ende, die Recherchen auch – oder können sich Betroffene und Interessierte weiterhin irgendwo melden?

In dem Projekt haben wir Hilfsmittel zu eigenständigen Erforschung erarbeitet: eine Liste aller Heime mit Hinweisen zu vorhandenen Unterlagen und Kontaktdaten, einen Rechercheführer zur Erläuterung der Vorgehensweise und ein Inventar zu den einschlägigen Beständen im Landesarchiv. Weitere Informationen stehen in der Begleitpublikation zur Ausstellung sowie in dem Leo-BW-Themenmodul „Heimkindheiten“ [siehe unten unter „Mehr zum Thema]. Die Betroffenen können auch künftig beim Landesarchiv nach seinen Beständen fragen. Eine Recherche in anderen Archiven und Behörden können wir nach Projektende nicht mehr anbieten.

Welche weiteren Schritte folgen jetzt?

Mit dem Ende des Projekts müssen auch die übergreifenden Rechercheangebote eingestellt werden. Aufgrund des anhaltenden Bedarfs dürfte eine Verstetigung der Stellen sinnvoll sein. Hier stellt sich die Frage nach der dauerhaften Finanzierung.

Das Gespräch führte Ralf Schick

Lesen Sie hier mehr zum Projekt „Aufarbeitung Kinderverschickung“.

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