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Crowdworking: Ein Weg zum Entlasten der Verwaltung?
Ludwigsburg. Personal tut not – auch und gerade im öffentlichen Dienst. Bis 2030 fehlen dort laut einer Studie rund 1,07 Millionen Fachkräfte, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen würden, erläuterte Volkmar Mrass, Professor an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen, bei den fünften Ludwigsburger Digitalisierungsgesprächen.
„Können Crowdworking-Plattformen im Öffentlichen Dienst eingesetzt werden und einen Beitrag dazu leisten, den Fachkräftemangel ein wenig abzumildern?“ war daher die Frage, die Mrass den vier geladenen Experten aus Wissenschaft, Verwaltung, Politik und Wirtschaft stellte „Jein“, lautete, in einem Wort zusammengefasst das Ergebnis der Veranstaltung, die rund 300 Teilnehmer per Videokonferenz verfolgten.
Einsatz in der Verwaltung ist an viele Voraussetzungen gebunden
Für die Wissenschaft erläuterte Matthias Hirth von der Technischen Universität Ilmenau Möglichkeiten und Grenzen des Crowdworking. Zunächst müssten geeignete Prozesse und Aufgaben sorgfältig ausgewählt werden. „Komplexe Arbeitsabläufe“ müssten dafür unterteilt, also „granular gemacht“ werden, damit sie skalierbar sind. Das sei bei der Verwaltungsarbeit nicht so einfach. Nur dann aber wäre eine echte Entlastung zu erwarten.
Zudem gebe es viele offene Fragen, was Datenschutz und -sicherheit und arbeitsrechtliche Voraussetzungen angeht – im öffentlichen Dienst viel mehr noch als in der Privatwirtschaft, die den Einsatz von Crowdworkern seit Langem kennt. Nach 15 Jahren Beschäftigung damit lautet Hirths Fazit. Crowdworking ist „ein wertvolles und flexibles Instrument – aber mit Limitationen“.
Ronja Kemmer (CDU), Abgeordnete des Wahlkreises Ulm im Bundestag und Obfrau im Ausschuss für Digitales, sieht es als Aufgabe der Politik an, gerade für die kommunale Ebene die Rahmenbedingungen für den Einsatz von Crowdworking zu schaffen. Angesichts des Fachkräftemangels „wäre es wichtig, hier Neues auszuprobieren und Prozesse anders zu gestalten.“ Die in Deutschland verbreitete Angst vor Jobverlust durch Crowdworking sei unbegründet. Die damit verbundene Internationalisierung könne aber, etwa im Hinblick auf Sprache und Qualität, ein Hindernis für ihre Nutzung sein.
„Kita- und Kindergartenerzieherinnen finde ich nicht über Crowdworking“, sagte Thomas Schäfer , Bürgermeister der 8000-Einwohner-Gemeinde Hemmingen (Landkreis Ludwigsburg) „Man muss genau hinschauen, welche Möglichkeiten es für Kommunen überhaupt gibt“ Geeignet sei Crowdworking in jedem Fall zur Ideenfindung und für andere kreative Aufgaben, etwa die Entwicklung eines neuen Logos für eine Kommune, zum Erstellen und Redigieren von Texten und dem Schreiben von Reden.
Praktische Probleme seien aber nicht zu unterschätzen. Grenzen setze dem Einsatz von Crowdworking auch das Vergaberecht, so Schäfer. Das ermögliche die ausschreibungslose Vergabe von Aufträgen nur bis zu 6000 Euro. Ein weiteres Hindernis: Gemeinden könnten in der digitalen Welt übliche und oft geforderte Zahlungswege nicht nutzen, wie Kreditkarten, PayPal oder gar Bitcoin.
Ein Koordinator ist sinnvoll, damit Crowdworking gut funktioniert
Als seine Gemeinde den Einsatz von ChatGPT erproben wollte, habe er daher die Rechnung über seine eigene Kreditkarte beglichen. Kurzum: „Crowdworking hilft sicher nicht in dem Maße, wie wir uns das angesichts des Fachkräftemangels wünschen würden“.
Arne-Christian Sigge ist Vorstand der content.de AG. Ihm zufolge zählt dieses Unternehmen zu den größten Einzahlern in die Künstlersozialkasse. CW sei aus vielen Gründen auch für die Verwaltung attraktiv: Arbeitskräfte könnten flexibel engagiert und eingesetzt werden. Und eine Kommune müsse nur genau das zahlen, was sie auch nutze.
Eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz von Crowdworking: „Das Mindset im Team muss stimmen“, sagt Sigge: „ Man muss es als Entlastung sehen, nicht als Konkurrenz“. Sonst könnten Mitarbeiter ein Projekt leicht torpedieren. Daher empfiehlt er für diesen Fall unbedingt die Einsetzung eines Koordinators.