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Essay

Auch ein Beamter muss nicht für alle Zeiten 41 Stunden arbeiten

Studienergebnisse deuten darauf hin, dass von einer Vier-Tage-Woche alle Beteiligten profitieren könnten – die Beschäftigten wie die Arbeitgeber. Nicht zu vergessen die Bürger, die sich freuen dürften, wenn Kindergärtnerinnen, Lehrer und Rathausbedienstete mit Spaß und Engagement bei der Arbeit sind. Michael Schwarz hat sich darüber in seinem Essay Gedanken gemacht.

Wo geht die Reise hin? Oder darf sich jede und jeder aussuchen, wohin es sie oder ihn zieht?

dpa/CHROMORANGE)

Herr Kretschmann, jetzt mal kurz weghören. Es geht um die von Ihnen neuerdings so hoch gelobten Beamten. Und um deren Arbeitszeit. Denn möglicherweise wären die Staatsdiener ja in der Lage, ihre Arbeit in weniger als 41 Stunden zu erledigen. Wenn man sie nur ließe.

Das zumindest legen Studien nahe, in denen es um die Vor- und Nachteile einer Arbeitszeitverkürzung geht. Wenn man die Arbeit richtig organisiert, lässt sie sich schneller erledigen – zur vollsten Zufriedenheit nicht nur der Mitarbeiter, sondern auch ihrer Vorgesetzten.

Wobei – und deshalb die Bitte an Winfried Kretschmann, die Ohren zu schließen – auch etwas für die Work-Life-Balance herausspringen könnte. Also für ein Plus an Lebensqualität, das von einem Minus an Arbeitszeit herrührt. Von dieser Idee, das hat der Ministerpräsident schon deutlich zu verstehen gegeben, hält er nichts. Allein schon deshalb, weil der Gegensatz von Arbeit und Leben seiner Ansicht nach konstruiert ist.

Würden alle Menschen Kretschmanns Weltsicht teilten, würde sich jede weitere Diskussion erübrigen. Doch dem ist nicht so. Das zeigt sich unter anderem daran, dass Firmen, die auf eine Vier-Tage-Woche umstellen, leichter Personal finden. Außerdem ist ihr Personal seltener krank und bleibt ihrem Arbeitgeber länger treu. Die Leute vergelten ihr Plus an Lebensqualität offensichtlich durch bessere Arbeit. Eine Win-win-Situation vom Feinsten.

Nun sind sowohl die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich als auch die dazugehörigen Studien noch so neu, dass es zu früh wäre, ein endgültiges Fazit zu ziehen. Manches deutet darauf hin, dass die höchsten Effekte in Branchen erzielt werden, wo am wenigsten verdient wird. Als Zimmermädchen oder Putzfrau kann man sich vermutlich auch andere Dinge vorstellen als eine Fünf-Tage-Woche. Doch solche Jobs sind im öffentlichen Dienst selten.

Außerdem könnte die Wirkung verpuffen, wenn die Vier-Tage-Woche zum Normalfall wird. Vielleicht stellen sich dann ähnliche Probleme wie bei der Fünf-Tage-Woche ein: Die Erwartungen an die Beschäftigten sinken ja automatisch nicht mit der Reduzierung der Wochenarbeitszeit. Stress und Burnout könnte es auch bei einer Vier-Tage-Woche geben.

Andererseits muss man die Bewerber ja erst einmal dazu kriegen, überhaupt für einen zu arbeiten. Und da haben Arbeitgeber, die mit zusätzlicher Freizeit winken, womöglich die besseren Karten. In dieser Hinsicht sieht die öffentliche Verwaltung in Baden-Württemberg mit ihren 41 Wochenstunden schon sehr alt aus. Zumal es kein anderes Bundesland gibt, das an dieser Vorgabe, die noch aus Zeiten stammt, da es den öffentlichen Haushalten sehr schlecht ging, so konsequent festhält. Außerdem gelten die 41 Stunden ja nur für Beamte. Tarifangestellte, die oft die gleiche Arbeit tun, können sich zwei Stunden früher ins Wochenende verabschieden. Bisweilen werden sie dafür sogar besser bezahlt.

Die Diskussion ist also eröffnet. Wie wäre es, wenn sich das Land auf einen Pilotversuch einlässt, möglichst in einem Bereich, wo die Tätigkeiten vergleichbar sind, etwa in einem Finanzamt? Die einen arbeiten – nach entsprechender Vorbereitung – nur vier Tage die Woche, die anderen fünf. Und dann zieht man nach einer gewissen Zeit einen Strich und vergleicht die Resultate.

Dies Ergebnis könnten verblüffen. In Island, wo die Vier-Tage-Woche in der öffentlichen Verwaltung 2021 eingeführt wurde – bei 35 Stunden –, ist die Zufriedenheit groß. Nicht nur bei den Beschäftigten, auch deren Leistung hat nicht gelitten.

Möglicherweise kommt man zum Schluss, dass eine Vier-Tage-Woche für viele Jobs eine Lösung sein kann, auch im Hinblick auf die Verbesserung der Bewerberlage. In anderen Fällen könnte sich herausstellen, dass die Arbeit doch sinnvoller auf fünf Tage verteilt wird.

Der Erfolgszug des Homeoffice, aber auch die zuletzt immer häufiger zu hörende Kritik, zeigen, dass auch die öffentliche Verwaltung sich wandeln kann. Und dass es den einen selig machenden Weg nicht gibt.

Außerdem könnte man beides parallel anbieten. Sollen die Beschäftigten doch selber entscheiden, ob sie lieber vier oder fünf Tage arbeiten. Hauptsache, die Leistung stimmt.

Beim acht- und neunstufigen Gymnasium geht das Land ja ähnlich vor. Beide Modelle sollen angeboten werden. Und es ist an den Schülern, ob sie lieber ein Jahr länger lernen oder ein Jahr länger die Welt erkunden. Das Leben ist lang genug.

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