Unternehmensfinanzierung

Bei der Vernachlässigung von ESG-Kriterien drohen höhere Kreditzinsen

Kriterien rund um Nachhaltigkeit, soziales und gesellschaftliches Verhalten prägen zunehmend die strategische Ausrichtung von Unternehmen. Denn Banken und Investoren machen Druck. Der Gesetzgeber nimmt sie in die Pflicht, ESG-Kriterien bei Kreditvergabe und Bonitätsprüfung zu berücksichtigen.

Die Unternehmen kommen nicht umhin, die Vorgaben zu Environmental-, Social- und Governance-Kriterien (ESG) zu berücksichtigen.

IMAGO/Eric Audras)

Stuttgart. Environmental, Social und Governance, kurz ESG-Kriterien geraten immer mehr ins Visier der Bundesbank und der Finanzaufsicht Bafin. Sie monieren, dass Kreditinstitute die Vorgaben bei sich und ihren Kunden nicht ausreichend umsetzen. „Inwieweit die Banken hier Fortschritte machen, wird in den nächsten Jahren im aufsichtlichen Fokus stehen“, droht die Bundesbank. Sie plant mehr Prüfungen und einen „Klimarisikostresstest“.

Risiken bei CO 2 und Lieferketten bestimmen Kreditzins

In der Bankenbranche wird ESG allerdings auch als Wachstumsthema betrachtet. Viele Geldhäuser wittern zusätzliches Geschäft. „Viele sind bislang jedoch noch nicht in der Lage, diese Potenziale zu realisieren“, bestätigt eine Studie der Beratungsgesellschaft McKinsey. Dabei lockt ab 2025 ein Ertragspotenzial in Höhe von 7,5 Milliarden Euro jährlich.

Für die Geldhäuser bedeuten die ESG-Kriterien zunächst Mehraufwand. So muss Personal eingestellt und geschult werden. Aktuell beschäftigen sie im Schnitt vier ESG-Spezialisten. Die Experten müssen beispielsweise analysieren, inwiefern Wetterrisiken durch den Klimawandel, Veränderungen von Märkten oder problematische Lieferketten die Kreditvergabe belasten können.

Zudem müssen die Banken viele ihrer Prozesse anpassen, damit die neue Flut von Daten erfasst und ausgewertet werden kann. „Wir werden signifikant Personal aufstocken müssen“, erklärt Alexander Müller, Vorstandschef der Volksbank in Offenburg, die zu den größten Genossenschaftsbanken in Deutschland gehört. Der zusätzliche Aufwand verteuere die Kredite allerdings nicht, so Müller. Das verhindere der harte Wettbewerb in der Branche. So bleiben die Banken auf den zusätzlichen Kosten, die ihnen die Politik aufzwingt, erst einmal sitzen

Die ESG-Kriterien machen die Verhandlungen zwischen Banken und Unternehmen komplexer. Die Unternehmen müssen Daten und eine Darstellung liefern, wie sie mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie vorankommen. Gerade kleine und mittelständische Betriebe sind hier schnell überfordert. Sie benötigen dafür Unterstützung durch Dienstleister. „Wir helfen hier bei der Vermittlung“, bestätigt Müller. Tatsächlich akzeptieren die Banken auch nur die Daten, die von anerkannten Spezialisten erfasst und geprüft wurden. „Wir können das nicht selbst machen“, betont Müller.

Landesbank: Die Firmen kommen nicht umhin, sich mit ESG zu beschäftigen

„Die gestiegenen Offenlegungsanforderungen erhöhenden Aufwand in den Unternehmen“, räumt Olaf Schween, Leiter Corporate Finance Advisory bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) ein. So verteuert sich die Finanzierung über den zusätzlichen Aufwand für die Unternehmen am Ende doch noch. Die Firmen kommen aber nicht umhin, sich mit ESG zu beschäftigen. Die Ansage der LBBW ist deutlich: Verpflichten sich Unternehmen, anhand nachprüfbarer Kriterien nachhaltiger zu wirtschaften, werden sie mit niedrigeren Zinssätzen belohnt.

Die LBBW gilt in der Branche als Treiber rund um ESG. Dabei müssen die großen Kreditinstitute ihrerseits abliefern und der Finanzaufsicht nachweisen, dass sie nicht zu viele „braune Kredite“ in ihrem Portfolio haben. So stellen sie ganze Branchen auf den Prüfstand, um zu analysieren, ob nicht zu viele Kunden aus der Autoindustrie oder aus energieintensiven Branchen darunter sind. Die Deutsche Bank hat bereits im vergangenen Jahr angekündigt, dass sie ihre Kredit-Portfolios radikal bereinigen werde.

Volksbankchef Müller weist solch ein Ansinnen weit von sich. „Unser Ansatz muss sein, die Unternehmen in der Transformation zu begleiten und sie nicht wegzuschicken.“ Alles andere sei auch mit dem genossenschaftlichen Auftrag einer Volksbank nicht kompatibel. Der frühere Firmenkundenchef der Deutschen Apotheker- und Ärztebank mahnt die Mittelständler allerdings eindringlich, sich rasch auf die neuen Bedingungen einzustellen und die notwendige Transformation entschlossen anzugehen. Denn nach seiner Überzeugung kommt der Preishammer bei der Finanzierung erst noch: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Regulierer die ESG-Kriterien mit Eigenkapital hinterlegen lassen.“ Wenn sich Unternehmen nicht auf den Weg machen, werde sich ihre Finanzierung merklich verteuern.

ESG kann Firmenverkäufe und Übernahmen beeinflussen

ESG kann auch Firmenverkäufe oder Übernahmen beeinflussen, wie eine Untersuchung der Beratungsgesellschaft EY in Stuttgart zeigt. Entscheidend sei, dass Nachhaltigkeit in die gesamte Struktur, von der Strategie bis hin zu den Unternehmensprozessen eingebettet ist. Dies sei die Basis für eine ESG-konforme Berichterstattung und vereinfache den Transaktionsprozess enorm.

Wer Lücken verschweigt, schreckt am Ende mögliche Käufer ab, wenn sie das Unternehmen im Rahmen einer Due-Diligence durchleuchten. „Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zwingt Unternehmen dazu, auch Daten zur Nachhaltigkeits-Performance zu ermitteln und zu berichten“, erklärt EY-Experte Sebastian Binder. Die Tragweite dieser Berichtspflicht sei vielen noch gar nicht bewusst.

ESG wird zum Kriterium

ESG ist die Abkürzung von Environmental, Social und Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Dahinter stehen Vorgaben, die Unternehmen bewegen sollen, nachhaltiger zu handeln. Am bekanntesten sind Umweltkriterien wie der CO 2 -Ausstoß oder Abfallvermeidung. Es geht zudem um faire Bezahlung – auch bei Zulieferern – oder die Bekämpfung von Korruption. Finanzinvestoren und Kreditgeber orientieren ihre Entscheidungen zunehmend daran, wie sehr Unternehmen ESG-Kriterien berücksichtigen.

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 189 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren