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Viele Ziele und ein wiedergewählter Fraktionschef
Stuttgart. Die fünf Landtagsfraktionen haben sich auf ihren traditionellen Klausuren mit einem ganzen Bündel landespolitischer Fragen befasst. Im Mittelpunkt standen unter anderem bezahlbarer Wohnraum, die wirtschaftliche Entwicklung und die anstehenden Bildungsreformen.
Mit „Herz, Heimat und Hightech“ will die CDU-Landtagsfraktion punkten, die Grünen erklären Innovationsförderung und eine zukunftsfähige Energieversorgung mit zu den eigenen Schwerpunkten, die Liberalen legen ein „Positionspapier zum Verbrennerverbot“ vor, die SPD-Fraktion präsentiert einen „Zukunftsplan“ und die AfD je einen Sieben-Punkte-Plan in Sachen Bildung und Migration.
Ein zentrales Thema ist der Wohnungsbau. SPD-Landes- und Fraktionschef Andreas Stoch hatte den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zur Schaltkonferenz geladen, denn Österreichs Hauptstadt sei bekanntlich „die Benchmark in Sachen Wohnungsbau“. Stoch appelliert an die Landesregierung, hier Geld aufzubringen, weil in Baden-Württemberg der Mangel an bezahlbarem Wohnraum mit 206.000 Einheiten am größten unter allen Bundesländern sei. „Das ist eine Erblast, weil unter Schwarz-Gelb die Förderung im sozialen Wohnbau auf Null gefahren worden ist“, so Stoch. Vor allem gehe es aber auch um eine wirtschaftspolitische Frage. Denn Baufirmen, „die in den Knien hängen“, könnten Aufträge gut gebrauchen. Die SPD hatte auch Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geladen und der, so berichtete Stoch, habe ebenfalls empfohlen, antizyklisch zu investieren.
Auch die Grünen wollen mehr Mittel in die Wohnbaumförderung, in den Umbau und vor allem die Umnutzung bestehender Gebäude stecken. Dazu müsse die letztere vereinfacht werden, verlangte Fraktionschef Andreas Schwarz. Außerdem seien Städte und Gemeinden gerade bei ressourcensparendem Bauen zu unterstützen. Schwarz plädierte für einen Innovationsruck, der „durch unser ganzes Land geht, von den Hörsälen bis in die Vorstandsetagen, von hippen Start-ups bis zu den mittelständischen Betrieben“. Gerade dort schlummerten bei KI und Digitalisierung noch unentdeckte Kräfte.
CDU-Fraktions- und Parteichef Manuel Hagel konkretisierte die wirtschaftspolitischen Vorstellungen seiner Fraktion mit Blick auf die Games-Szene. „Die Branche ist eine Riesenchance für unseren Wirtschaftsstandort“, sagt Hagel, der sich auf die Nachfrage, ob er auch selber zocke, als Fan von FIFA beschreibt. Baden-Württemberg solle Zentrum der Videospielbranche werden, mit gezielter Förderung und Steuererleichterungen als „echten Booster mit dem wir dann gemeinsam in das nächste Level springen“.
Die FDP-Fraktion richtet den Blick auch nach Brüssel: Ministerpräsident Kretschmann müsse sich bei der EU und den Grünen im Bund für eine umgehende Aufhebung des „faktischen Verbrenner-Verbots“ ab 2035 einsetzen. Dies eröffne endlich eine Perspektive für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor nach diesem Zeitpunkt, die mit synthetischen Kraftstoffen klimafreundlich betrieben werden könnten.
Bei der AfD ging es hauptsächlich um die Themen Bildung und Migration. Nach dem Motto „zurück in die Zukunft“ sprach sich der AfD-Bildungsexperte Rainer Balzer sowohl für die verbindliche Grundschulempfehlung als auch für das dreigliedrige Schulsystem aus. Der Leistungsgedanke müsse wieder mehr zählen, in der Schule gehe es um Wissensvermittlung und nicht um ein gemütliches Miteinander. Migrationssprecher Ruben Rupp sieht Deutschland angesichts des Zustroms von Flüchtlingen „kurz vor dem Zusammenbruch“. Die Kommunen müssten entlastet werden. Die Situation sei nur in den Griff zu bekommen, wenn die Duldung abgeschafft und die Genfer Flüchtlingskonvention aufgekündigt werde.
In der Pressekonferenz am Freitag betonte Fraktionschef Anton Baron, dass er sich zu Einzelheiten seiner Wiederwahl am Dienstag nicht äußern werde. Nach Informationen des Staatsanzeigers gab es vier Wahlgänge: die ersten zwei Mal sei Baron gegen Miguel Klauß angetreten, beim dritten und vierten Mal gegen Rainer Balzer. Baron soll eine denkbar knappe Mehrheit erhalten haben: Neun Abgeordnete sollen ihm im vierten Wahlgang die Stimme gegeben haben; 17 Mitglieder zählt die Fraktion. Baron bestreitet jedoch, dass die Wahl so abgelaufen ist.
In der Migrationspolitik wird die Abstimmungsarbeit unter der beiden Regierungsfraktionen erst nach den Klausuren so richtig beginnen. Denn die CDU hat ein umfangreiches Papier mit bisher unabgestimmten Forderungen beschlossen. Unter anderem sollen „ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder, nach weitgehender Verbüßung ihrer Strafe, direkt in einen sogenannten Ausreisearrest ‚mit drei Wänden‘ verlegt werden“, heißt es. Dort blieben sie, „bis sie abgeschoben werden oder sich freiwillig entscheiden, in ihr Heimatland zurückzukehren“.
Johanna Henkel-Waidhofer und Michael Schwarz