Die Idee einer europäischen Ratingagentur ist richtig
Erst kürzlich hat die Ratingagentur Moody’s die Kreditwürdigkeit des Landes mit AAA bewertet. Die Bestnote. Ein Grund zur Freude für Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne). Denn eine AAA-Bewertung stärkt die Position des Landes auf den internationalen Finanzmärkten. Sie signalisiert Investoren, dass Baden-Württemberg ein sicherer und zuverlässiger Ort für Investitionen ist. Mit positiven Folgen: Will sich das Land über Anleihen und andere Finanzierungsinstrumente Geld am Kapitalmarkt besorgen, kann es mit günstigeren Zinsen rechnen. Und das wiederum erweitert den Spielraum für den Finanzminister bei all seinen finanzpolitischen Entscheidungen.
An den Kapitalmärkten geht ohne Ratingagenturen mittlerweile nichts mehr. Dabei lässt sich Baden-Württemberg bereits seit Langem von den beiden weltweit größten US-amerikanischen Playern bewerten. So besteht mit Standard & Poor’s schon seit 1998 eine Vereinbarung. Moody´s ratet Baden-Württemberg seit 1999.
Eine europäische Alternative“ zu den US-amerikanischen Riesen
Jetzt hat Finanzminister Bayaz neuen Boden betreten und mit der Scope Group mit Hauptsitz in Berlin eine weitere Agentur beauftragt. Damit wird das Land seine Kreditwürdigkeit erstmals von einer deutschen Ratingagentur bewerten lassen. Die Scope Group positioniert sich nach eigenen Worten „als europäische Alternative“ zu den US-amerikanischen Wettbewerbern. Für das Land und seine Kommunikation an den Kapitalmärkten sei eine weitere Bewertung von Vorteil, sagt Bayaz. Bislang werde der Ratingmarkt von den US-Riesen dominiert. Eine europäische Agentur sei deshalb eine sinnvolle Ergänzung.
Damit schließt sich der Finanzminister einer Initiative an, die die Emanzipation Europas auf den internationalen Kapitalmärkten voranbringen will. Denn die Etablierung einer europäischen Ratingagentur wird von Investoren, Emittenten und Regulierern seit Langem gefordert – spätestens seit der Finanzkrise 2008 und der folgenden europäischen Staatsschuldenkrise 2011. Gerade die marktbeherrschenden US-amerikanischen Ratingagenturen hatten damals durch gravierende Versäumnisse und Fehleinschätzungen bei der Beurteilung von strukturierten Finanzprodukten die Dynamik der brutalen Finanzkrise beflügelt.
Europäische Zentralbank unterstützt Idee einer europäischen Agentur
Hinter der Idee, eine europäische Agentur zu stärken, steht besonders die Europäische Zentralbank. Sie ist der größte Akteur auf den europäischen Kapitalmärkten. Etwa weil sie umfangreiche Ankaufprogramme durchführt, bei denen sie Staatsanleihen und andere Wertpapiere kauft.
Bislang hat die Europäische Zentralbank hautsächlich die Ratings von den drei großen US-Agenturen akzeptiert. Seit letztem November hat sie zum ersten Mal mit Scope auch eine europäische Agentur aufgenommen. Scope ist mit 300 Mitarbeitern an acht Standorten in ganz Europa aktiv. Die Berliner sind Anfang der 2000er-Jahre gestartet und haben sich mittlerweile in Europa eine respektable Position erarbeitet. So haben auch andere Bundesländer die Berliner beauftragt. Zusammen mit Baden-Württemberg bewertet Scope jetzt sechs Bundesländer und mehr als die Hälfte ihres Bond-Volumens.
Was kaum bekannt ist: Die deutschen Bundesländer gehören zu den größten substaatlichen Emittenten in Europa. Im Jahr 2023 haben sie Anleihen im Wert von 42 Milliarden Euro auf den europäischen Kapitalmarkt gebracht. Das gesamte Volumen der ausstehenden Anleihen der 16 Bundesländer belief sich zum Jahresende 2023 auf rund 431 Milliarden Euro.
Für Europa ist das eine zentrale Frage der Souveränität
Baden-Württemberg und die anderen Länder setzen daher mit ihrer Entscheidung für Scope ein finanzpolitisches Signal, das die Position für eine europäische Ratingagentur stärken wird. „Das hat der Relevanz unserer Ratings einen Boost gegeben“, sagt ein Sprecher von Scope.
Für Europa ist eine europäische Ratingstimme aber nicht nur eine zentrale Frage der Souveränität. „Für das Land schafft die Beauftragung von Scope eine wichtige, weitere Einschätzung seiner Kreditwürdigkeit aus europäischer Perspektive“, teilt das Finanzministerium mit.
Während die US-Agenturen für nahezu identische Methoden und Ratingansätze stehen, die sich aus einer traditionell amerikanischen Sicht auf die Wirtschaftsaktivitäten heraus entwickelt haben, kann eine europäische Ratingagentur auf die Besonderheiten der europäischen Kapitalmärkte, ihre Rechtssysteme und die politische Denkweise besser eingehen. Das eröffnet eine gezieltere Perspektive auf die Kreditrisiken von Staaten und Unternehmen.