Die Generation Tik Tok erreichen
Stuttgart. Im Alltag ist der Einsatz von KI vielerorts selbstverständlich. Die Vodafone-Stiftung hat jüngst herausgefunden, dass 74 Prozent der Jugendlichen sie bereits nutzen, zumeist aus Eigeninitiative auch für den oder im Unterricht. Angeregt durch Lehrkräfte fühlen sich deutlich weniger. Nur 31 Prozent der an der Studie teilnehmenden 1500 Schüler und Schülerinnen greifen nach eigenen Angaben einmal pro Woche zu einer entsprechenden Anwendungen, überhaupt nur acht Prozent täglich.
Dabei sind die Möglichkeiten bereits breit gefächert, von der Fehleranalyse bis zur Prüfungsvorbereitung, von konkreten Tipps zur Erkennung von Fake-News bis zur Anleitung, Lösungswege zu finden. Fast 40 Prozent der Befragten geben allerdings auch an, dass KI an ihrer Schule noch überhaupt kein Thema ist, acht Prozent berichten sogar von einem Verbot.
Datenschutzbeauftragter hält unter Umständen KI-Einsatz für möglich
Das will Schwarz, 44-jähriger Vater einer Tochter, ändern. Er will nicht nur die „Generation Sprachnachricht“ erreichen, sondern Lehrkräfte entlasten und Jugendliche auf die künftige Arbeitswelt vorbereitet wissen. „Es gibt sogar Bäcker, die KI einsetzen, um Zeit, Arbeitskraft und Zutaten für Lebensmittel zu sparen“, sagt der Grüne auf der Suche nach einem Weg, „wie wir diese Helfer auch in Schulen einsetzen können“.
Datenschutzbedenken könnten durch frühe Einbindung des zuständigen Landesbeauftragten der Wind aus den Segeln genommen werden. Schwarz bringt einen KI-Tutor ins Gespräch, der Schüler und Schülerinnen bei Problemen jederzeit zur Verfügung steht und will Baden-Württemberg damit sogar bundesweit an die Spitze bringen.
Tatsächlich kann sich der Datenschutzbeauftragte den Einsatz solcher Systeme unter Umständen vorstellen. „Sofern dabei keine personenbezogenen Daten übertragen werden, sehen wir darin keine datenschutzrechtlichen Probleme“, erläutert ein Sprecher der Behörde. Dies lasse sich etwa durch zwischengeschaltete technische Systeme erreichen. Ohnehin seien im Bildungsbereich digitale Tools selbstverständlich, so sei etwa das Kultusministerium bei den Planungen für den Einsatz von „fAIrchat“ beraten worden. Die Nutzung des Chatbot auf Basis von ChatGPT „ist in die Lernmanagementplattform Moodle eingebunden und im Unterricht tragfähig“.
Auch an Materialien ist längst kein Mangel mehr. Viele Verlage bieten Einführungen und Anleitungen. Beim Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) läuft das Projekt KI@school, das Lernende und Lehrende unterstützt, „die Wirkungsbereiche im Alltag zu erkennen und die Funktionsweise zu verstehen“. Dazu sollen bis Ende des Jahres 120 Veranstaltungen Lehrkräfte zusätzlich qualifizieren, sogar für den Unterricht in der Grundschule und den sonderpädagogischen Unterricht
Gesamtkonzept neuer Modelle für Lernen und Unterricht gefordert
Konkret könnte der KI-Tutor gerade für Kindern und Jugendliche mit besonderem oder überdurchschnittlichem Unterstützungsbedarf neue Möglichkeiten eröffnen. „Studien zeigen, dass diese Systeme die Bildungsgerechtigkeit stärken, weil besonders schwache Schüler davon profitieren“, sagt Schwarz, „denn der KI-Tutor kann in ihrer Sprache sprechen, er holt sie auf ihrem Lernlevel ab, hilft ihnen, Lernlücken zu schließen, und zeigt Wege zur Lösung komplexer Aufgaben auf.“ Von einer Revolution spricht Stefan Küpper, der Geschäftsführer Bildung der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW). Deshalb seien Initiativen in diese Richtung positiv, die dafür sorgten, dass Chancen im digitalen Zeitalter auch genutzt werden können: „Wichtig aus unserer Sicht bei dem Thema ist ein schlüssiges Gesamtkonzept von neuen Lern- und Unterrichtsmodellen.“
Das verlangt auch Stefan Fulst-Blei, Bildungsexperte der SPD-Landtagsfraktion. Sicher könne Künstliche Intelligenz die reale Intelligenz von Lehrkräften sinnvoll ergänzen, „aber sie kann Lehrkräfte nicht ersetzen, und Lehrkräfte fehlen im Land hinten und vorne“, sagt der Mannheimer Abgeordnete. So lange die Grünen noch nicht einmal für die nötigste technische Basis von heute sorgen könnten, „wirken solche Träume von Morgen etwas realitätsfremd“. Deshalb müsse die Forderung lauten: „Erst bitte W-Lan, dann gerne KI.“