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Ruhestätte wird zum Tatort: Was Diebe auf Friedhöfen klauen
Karlsruhe. In Emerkingen (Alb-Donau-Kreis) wird Anfang August eine große Madonnafigur aus Bronze gestohlen, in Ochsenhausen (Kreis Biberach) einige Wochen vorher eine bronzene Pferdeskulptur entwendet, in Sandhausen (Rhein-Neckar-Kreis) klauen Diebe Bronze-Grabschmuck von 60 Gräbern. In Achern (Ortenaukreis) waren Ende August von fast 40 Grabstätten Kupfergegenstände gestohlen worden. Den Schaden schätzt die Polizei auf einen mittleren fünfstelligen Bereich. Und Bretten im Kreis Karlsruhe verzeichnet nach einem großangelegtem Grabschmuck-Klau ebenfalls im August ein Ausmaß der Diebstähle, „wie wir es so in Bretten noch nicht kannten“, sagt ein Stadtsprecher.
Teils Schäden im fünfstelligen Bereich
So waren in der Stadt im Kraichgau Mitte August Bronzetafeln von zahlreichen Kriegsgräbern entwendet worden, sagt der Sprecher. Sie waren im Jahr 2006 für rund 13 000 Euro angebracht worden. Außerdem wurden zur gleichen Zeit diverse andere Grabgegenstände aus Bronze gestohlen, berichtet die Polizei. Rund 20 Geschädigte hätten sich bisher gemeldet, der Schaden liege hier bei rund 18.000 Euro. Ein Friedhof in Heidelberg wurde im Juni ebenfalls Ziel von Kriminellen: Sie trugen Vasen, Statuen, Kreuze und Leuchten im Wert von rund 50.000 Euro davon. Auch andere Bundesländer trifft es: In Düsseldorf etwa stahlen Unbekannte Mitte August elf überlebensgroße Bronzefiguren, der Schaden dürfte der Polizei zufolge im sechsstelligen Bereich liegen
Immer wieder Diebstahlswellen
Diebstähle dieser Art treten erfahrungsgemäß in Wellen auf, wie Tobias Pehle, Geschäftsführer des Kuratoriums Immaterielles Erbe Friedhofskultur, berichtet: „Es ist eine absolute Realität seit mehreren Jahren.“ Dahinter steckten meist gut organisierte Banden, die Raubzüge würden generalstabsmäßig geplant und ausgeführt, die Friedhöfe vorher ausgekundschaftet. „Den Dieben geht es rein um das Material: Eisen, Stahl, Kupfer, Bronze“, sagt er.
Wohnzimmer der Verstorbenen
Für die Betroffenen sei das oft sehr belastend. „Letztlich sind alle Gräber Wohnzimmer der verstorbenen Vorfahren, da wird dann eingebrochen, vernichtet und gestohlen.“ Das mache Angehörige traurig und wütend. Friedhöfe seien Kulturräume und müssten als solche anerkannt und besser geschützt werden, betont Pehle. „Würde in ein Museum eingebrochen, dann wäre der Aufschrei viel größer.“
Aufklärungsquote gering
Präzise Zahlen zu dieser Art von Friedhofsdiebstählen gibt es nicht, da bei den Delikten nicht erfasst wird, welche sich auf den Klau von Buntmetall beziehen. Zahlen des Landeskriminalamtes zufolge bewegen sich die Fallzahlen insgesamt seit etwa fünf Jahren auf gleichbleibendem Niveau. Im Jahr 2023 wurden 402 Diebstähle erfasst, im Jahr davor waren es 416. Die Aufklärungsquote sei eher gering, heißt es.
Regionen unterschiedlich stark betroffen
Manche Polizeipräsidien im Land sind stärker betroffen, manche weniger. So berichtet das Polizeipräsidium Mannheim von zuletzt gut 80 Fällen im Jahr 2023 und 47 im Jahr davor. Das Ulmer Polizeipräsidium erfasste für das vergangene Jahr 42 Diebstähle, deutlich mehr als im Jahr davor (28). Im Beritt des Polizeipräsidiums Offenburg hingegen bewegte sich die Zahl in den letzten Jahren im einstelligen Bereich. Das Polizeipräsidium Karlsruhe wiederum verzeichnet Angaben eines Sprechers zufolge für das laufende Jahr eine steigende Tendenz der Fallzahlen – aber auf niedrigerem Niveau als in den Jahren zuvor.
Schaden für Friedhof als Begegnungsstätte
Es gebe diese Fälle immer wieder, sagt Herbert Schneider, Vorsitzender des Verbandes der Friedhofsverwalter. Diebstähle auf Friedhöfen seien aus seiner Sicht aber besonders schlimm. Die Vorfälle schädigen nicht nur die Angehörigen, sondern auch den Friedhof als Begegnungsstätte. „Das tut dem Menschen doppelt weh.“ Der ideelle Schaden für die Betroffenen sei nicht zu unterschätzen, betont auch Stephan Neuser, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter.
Friedhöfe besser schützen?
Ein besserer Schutz von Friedhöfen ist nach Worten Schneiders schwierig. Zwar kann man Tore abschließen oder Skulpturen durch Duplikate ersetzen oder auch Alarmanlagen installieren. Friedhöfe seien aber öffentliche Einrichtungen und sollten für Menschen gut zugänglich sein, sagt er. Und wenn Profis mit dem Bolzenschneider oder der Flexe unterwegs seien, nütze ein verriegeltes Tor nicht viel. „Dann ist das Torschloss halt auch kaputt.“ ( lsw )