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Serie Rathäuser: Langenargen am Bodensee

Rathaus verwöhnt Bürgermeister mit „magischem“ Seeblick

Langenargen am Bodensee ist geprägt von den Grafen von Montfort, die das Fischerdorf zur Residenz eines Kleinstaates erkoren. Mitten im Ort gelegen, hat das Rathaus eine mindestens ebenso wechselvolle Geschichte wie der Touristenort selbst.

Bürgermeister Ole Münder studiert alte Kladden, welche die wechselvolle Geschichte der Bodenseegemeinde Langenargen belegen. Foto: Cuko

Langenargen am Bodensee. Wenn Ole Münder am Schreibtisch sitzend aus dem Fenster seines Büros blickt, sieht er auf den Bodensee. „Ein magischer Ausblick“, sagte der neue Bürgermeister vier Tage nach Amtsantritt im Januar 2021 einer Regionalzeitung. Keine 100 Schritte, und der parteilose Chef im Rathaus von Langenargen steht am Schiffsanleger der Gemeinde.

Die Grafen von Montfort waren prägend

Das Werden und Wachsen des Touristenorts im Bodenseekreis, der nach der urkundlichen Ersterwähnung in einer St. Galler Schenkungsurkunde vom 5. September 773 auf eine 1250 Jahre lange Geschichte blickt, ist geprägt von den Grafen von Montfort, die im 13. Jahrhundert in den Besitz des Ortes kamen. Dort, wo heute das Schloss Montfort als Wahrzeichen steht, errichteten sie eine Burg und machten den Ort zur Residenz ihres Kleinststaates im Römischen Reich. Kaiser Friedrich III. von Habsburg verlieh Langenargen 1453 das Stadtrecht. Bis zum Staatsbankrott der Montforts 1780 blieb Langenargen Nebenresidenz der Grafschaft, wovon prächtige Barockbauten am Marktplatz zeugen.

Torbogen bildete Stadtbefestigung zur Schiffslände

Das Rathaus wurde 1656 erstmals urkundlich erwähnt und bildet baulich den Abschluss des Marktplatzes. Ursprünglich gab es südlich davon ein Ökonomiegebäude, das als Lager für Abgaben und Vorräte diente. Beide Bauten waren durch einen Torbogen verbunden, der auch seeseitiger Zugang der Stadtbefestigung zur Schiffslände war. Wann Rathausstadel und Rathaus erbaut wurden, ist unbekannt. Nach Recherchen von Gemeindearchivar Andreas Fuchs dürften die Bauwerke zu Zeiten der Stadterhebung Mitte des 15. Jahrhunderts errichtet worden sein. Das erste Amtshaus war nicht nur Sitz der Verwaltung und Wohnsitz des Amtmanns, der im Auftrag der Herrschaft für Verwaltung und Rechtsprechung zuständig war. Im Erdgeschoss, wo heute der Ratssaal liegt, befand sich eine Taverne, in der die Mitglieder des Gerichts ihre „Ratszeche“ einnahmen.

Seit 1810 bei Württemberg

Durch den Bankrott der Grafen gelangte Langenargen 1780 in den Besitz des Hauptgläubigers Österreich, gehörte ein paar Jahre zu Bayern und wurde 1810 als Kompensation im „Schönbrunner Frieden“ Württemberg zugeschlagen. Damals wurde das Rathaus nach dem Verkauf Privatbesitz und bis 1838 unter anderem als Essigfabrik genutzt. Derweil logierte die Gemeindeverwaltung im Hospital zum „Heiligen Geist“ einen Steinwurf entfernt, heute ein Altenheim. Dann kaufte die Gemeinde das Gebäude zurück. Die herrschaftlichen Staffelgiebel wurden abgebrochen, die Fassade klassizistisch umgestaltet und das Dachgeschoss durch zwei Zwerchhäuser erweitert.

Seit 1939 kein Rathausstadel mehr

1939 musste der Rathausstadel einem Parkplatz weichen. Später gab es städtebauliche Überlegungen, das Rathaus abzureißen, da das Gebäude dem zunehmendem Verkehr in der Gemeinde im Weg stand. Doch dazu kam es nicht. Bis in die 1950er-Jahre drückten Kinder in der katholischen Volksschule im Rathaus die Schulbank. Daran erinnert die Schulstraße, an der sich ein Eingang ins Rathaus befindet.

Brunnen unter dem Fenster des Bürgermeister-Büros

Seit Mitte der 1970er-Jahre wurde das Rathaus immer wieder umgebaut. Seit 1990, als der Rathaus-Vorplatz neugestaltet wurde, plätschert ein Brunnen unter dem Fenster des Bürgermeister-Büros, der die Geschichte Langenargens als Fischergemeinde thematisiert. Für Münder spiegelt sich die Historie des Ortes auch im Rathaus wider. „Es zeigt den Wandel, den die Gemeinde durchlaufen hat.“

Nicht nur der Sitzungssaal ist in die Jahre gekommen

Zuletzt 2016 ließ die Gemeinde das unter Denkmalschutz stehende Gebäude teils modernisieren. Dennoch müsste der Verwaltungssitz energetisch ertüchtigt werden. „Unsere Klimaanlage ist Fenster auf oder zu“, sagt Münder schmunzelnd. Auch der Sitzungssaal ist deutlich in die Jahre gekommen. Die Sanierung des Rathauses, das zudem noch nicht barrierefrei ist, sei aber angesichts weiterer Baustellen im Ort kein Thema. „Aber der Plan ist im Plan.“

Zunehmende Enge

Trotz zunehmender Enge bleibt das viergeschossige Rathaus bis heute der zentrale Arbeitsplatz für die Kernverwaltung. Rund 30 Mitarbeiter im Haupt- und Ortsbauamt sowie von der Finanz- und Stiftungsverwaltung schaffen hier. Nur die Tourist-Info und der Bürgerservice sind separat untergebracht. „Wir suchen nach weiteren Räumlichkeiten“, sagt Ole Münder. Wohl wissend, dass der historische Bau für die Verwaltung kaum noch zusätzliche Kapazitäten bietet.

Schnörkellos, aber geschichtsträchtig: Das Rathaus von Langenargen. Foto: Cuko

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