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Sommertour: Kretschmann informiert sich über Wasserwirtschaft im Wald
Schlier. Für Bernhard Dingler ist es ein Paradigmenwechsel. Bisher sei man bemüht gewesen, Wasser so schnell wie möglich aus dem Wald wegzubekommen, jetzt soll es nicht mehr abfließen, sondern möglichst im Wald gespeichert werden, damit die Bäume Trockenphasen überstehen können, erläutert der Leiter des Forstbezirks „Altdorfer Wald“ während eines Besuchs von Winfried Kretschmann am Ufer eines Weihers nahe der Gemeinde Schlier im Landkreis Ravensburg.
Der baden-württembergische Ministerpräsident hat auf seiner Sommertour in dem 6000 Hektar großen Staatswald, der laut Dingler „einer der schönsten geschlossenen Wälder“ im Land ist, Station gemacht. Thema ist dabei jedoch nicht die Schönheit der Natur, die der Grünen-Politiker auch schätzt, sondern „Wasserspeicher Wald“.
Modellregionen für den dezentralen Wasserrückhalt
Das Gebiet in Oberschwaben gehört zu den fünf Modellregionen, in denen auf Grundlage von systematischen Untersuchungen mit den Verantwortlichen vor Ort „Potenziale für den dezentralen Wasserrückhalt“ entwickelt werden. Projektleiterin Heike Puhlmann von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) ist aus Freiburg angereist, um dem Regierungschef die Fortschritte bei dem auf zwei Jahre angelegten Projekt zu erläutern.
Während es im nördlichen Oberschwaben um „Wasserrückhalt zur Stützung von Feuchtgebieten“ geht, stehen im westlichen Südschwarzwald „Rückhaltepotenziale in steilem Gelände“ im Fokus. Besonderheit im Altdorfer Wald sind mehr als 30 Weiher, die einst von Mönchen angelegt worden sind. Dafür ist es wichtig, nicht nur die Biber im Zaum zu halten, sondern auch die Quellstandorte und Bachläufe zu schützen. Oberstes Ziel für Puhlmann ist es, die Entwässerung des Waldes zurückzuschrauben. Dazu dient auch der Rückbau von Drainagen, die angelegt wurden, um den Fichtenanbau zu ermöglichen. Hat man bislang über Dohlen Wasser von Wegen abgeleitet, empfiehlt Puhlmann jetzt, das Wasser über Wegebegleitgräben in Mulden am Rand zu leiten, um den Zisterneneffekt des Waldbodens zu nutzen.
Starkregen und Trockenperioden
Durch solche Maßnahmen könne der Wald mit Starkregen genauso zurechtkommen wie mit den im Zuge des Klimawandels verstärkt auftretenden Trockenperioden, so Puhlmann. Gleichzeitig gibt sie zu bedenken, dass sich Extremhochwasser so nicht verhindern lasse. Auch die Gestaltung des Baumkronendachs beeinflusst den Wasserhaushalt.
Puhlmann freut sich über das große Interesse der Gemeinden, die Schwammfunktion des Waldes zu verbessern. Während dieses Ziel bisher nur eine untergeordnete Bedeutung gehabt habe, seien die Verantwortlichen jetzt motiviert, stellt Puhlmann fest. Mit hydrologischen Karten knüpft sie an das Starkregenrisiko-Management an, mit dem die Gemeinden vertraut sind. Den Kommunalwald hält sie für viel bedeutender als den Staatswald. Puhlmann begrüßt es, dass auch private Waldbesitzer interessiert sind.
Wichtig ist der Projektleiterin, vom Tunnelblick Forst wegzukommen und die Brücke zur Landwirtschaft zu schlagen. „Das Wasser macht nicht an der Landschaft halt“, betont sie. Zugleich fordert sie zur interkommunalen Zusammenarbeit auf. Gerne würde sie mehr Schulungen und Beratungen in Gemeinden machen, aber momentan hat die Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen für sie Vorrang. „Man muss die Menschen abholen“, ist Puhlmann überzeugt.
Abstimmung ist bei der Umgestaltung gefragt
Die Umgestaltung des Waldes brauche Begleitung, betont sie. Man könne nicht nur manches falsch machen, man müsse sich auch mit den Wasser- und Naturschutzbehörden abstimmen. Es seien viele Gesetze zu beachten.
Kretschmann ist beeindruckt davon, wie systematisch das Thema angegangen werde und wie schnell es in die Praxis umgesetzt werde. Das zeige, dass „wir in einem geordneten Gemeinwesen leben und nicht in einem Schrottstaat wie manche behaupten“, fügte er hinzu.
Peter Gries begrüßte es als Vertreter engagierter Bürger, dass diese auf Wunsch Kretschmanns bei seinem Besuch auch anwesend sein sollten. Der Arzt stammt aus der Gemeinde Au (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) südlich von Freiburg, wo er sich mit Gemeinderäten im „Arbeitskreis Klimaschutz Au Jetzt!“ engagiert. „Wir beschäftigen uns schon lange mit der Wasserwirtschaft im Wald“, sagt er. Dies sei ein Thema, das bisher aus seiner Sicht viel zu wenig beachtet werde. Extrem hilfreich sei eine Waldbegehung mit Puhlmann gewesen, deren Engagement er vorbildlich findet. „Wir brauchen das Wasser jetzt vor Ort“, sagt Gries.
Forstliche Versuchsanstalt stellt Leitfaden bereit
Die Stichworte heißen Hochwasser, Erosion und Dürre. Um mit diesen Phänomenen zurechtzukommen, untersucht die FVA Baden-Württemberg, mit welchen Maßnahmen Niederschlags- und Wegewasser verstärkt im Wald zurückgehalten werden können.
Dafür werden den Angaben zufolge praxisnahe Instrumente entwickelt. Dazu gehören ein Methodenleitfaden als Planungshilfe wie detaillierte Planungskarten, die Waldeigentümer bei der Umsetzung von Maßnahmen zum Wasserrückhalt unterstützen.