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Antragsstau 

Warum der Bodenseekreis die Ausländerbehörde vorübergehend schließt

Immer mehr Menschen wollen einen deutschen Pass. Doch die Ämter kommen bei der Bearbeitung kaum hinterher. Der Bodenseekreis wagt nun den Befreiungsschlag: Die Ausländerbehörde wird mindestens bis Jahresende keine neuen Anträge auf Einbürgerung annehmen und bearbeiten.

Seit Ende Juni kann man sich einbürgern lassen, ohne auf seine bisherige Staatsangehörigkeit verzichten zu müssen. Dies erhöht den Druck auf die Ämter.

dpa/Marijan Murat)

Friedrichshafen/ Stuttgart. Der Bodenseekreis reagiert damit auf den stark angewachsenen Rückstau bestehender Anträge. Um diese abzuarbeiten, kann das Amt für Migration und Integration in den kommenden Monaten weder neue Anträge bearbeiten, noch Beratungs- und Gesprächstermine anbieten, Anfragen sind ebenfalls nicht möglich. Mit einem vergrößerten Team sollen nun die Rückstände aufgearbeitet werden

Aktuell warten in dem Landkreis rund 2000 Menschen auf die Bearbeitung ihrer Anträge auf Einbürgerung. Die ältesten wurden Ende 2021 gestellt. „Diesen Menschen sagen wir nun zu, uns priorisiert und nach Kräften auf ihre Anträge zu konzentrieren. Nur so haben wir die Chance, den Rückstau aufzulösen und bald wieder eine geregelte behördliche Dienstleistung anbieten zu können“, erklärt Amtsleiterin Natascha Fuchs.

„Für uns ist das ein drastischer Schritt“

„Für uns ist das ein drastischer Schritt“, sagt Landkreis-Sprecher Robert Schwarz. „Uns ist bewusst, dass wir damit anderen Menschen den Zugang verwehren“.

Doch gleich mehrere Faktoren machten den Schritt nötig: Etwa die stark gestiegene Zahl der Geflüchteten in den vergangenen Jahren. Gleichzeitig gibt es immer mehr Anträge auf Einbürgerung. Gingen 2020 insgesamt 390 bei der Behörde des Bodenseekreises ein, waren es im vergangenen Jahr 762. Grund dafür seien vor allem geänderte gesetzliche Anforderungen im Einbürgerungsverfahren. Sprecher Schwarz betont, dass die Arbeit der Behördenmitarbeiter viel Zeit erfordere. Sie müssten die Anträge intensiv prüfen.

204 000 offene Anträge allein in 42 Städten

Die Lage im Bodenseekreis unterscheidet sich kaum von anderen Behörden, im Mai hat die Stadt Köln die Einbürgerung gestoppt. Die Einbürgerungszahlen sind überall hoch. Laut dem Statistischen Landesamt erreichten sie 2023 einen Höchstwert seit 2002. Der Bearbeitungsstau ist bundesweit enorm, wie aus einer Abfrage des Mediendienstes Integration hervorgeht. Demnach waren bis Ende Juni mehr als 204 000 Anträge allein in den 42 Städten, die genaue Daten geliefert haben, in Bearbeitung.

Das waren mehr als alle Einbürgerungen 2023 in Deutschland zusammengenommen. Dazu kommen Einbürgerungsinteressierte, die auf einen Termin in den zuständigen Behörden warten und die in den Antragszahlen noch nicht erfasst sind. Auch Städte in Baden-Württemberg gaben im Juni an, dass sich viele offene Einbürgerungsanträge stapeln würden.

Bund hat Fallzahlensteigerung von 130 Prozent angenommen

Für Mehrarbeit der Behörden hat dann die Ende Juni in Kraft getretene Reform des Staatsangehörigkeitsrechts gesorgt. Der Bundestag hat die Einbürgerungsvoraussetzungen geändert, wodurch auch Personen die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten können – ohne auf die bisherige Staatsangehörigkeit verzichten zu müssen. Zudem wurden die Wartezeiten verkürzt.

Schon vor der Reform war klar, dass damit auch die Zahl der Anträge steigt. „Vom Bund wurde in der Begründung zum Reformgesetz eine Fallzahlensteigerung von plus 130 Prozent angenommen“, erklärt der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg, Alexis von Komorowski. Insofern sei der Antragsstau, der im Bodenseekreis zu verzeichnen ist, ein landesweites Phänomen.

Innenministerium hat das Anliegen der Stadt- und Landkreise im Blick

Im Mai teilten der Landkreistag und der Städtetag mit, dass die Ämter gestärkt werden müssten, damit die Mehrarbeit bewältigt werden könne. Das Land solle die Mehrkosten übernehmen. „Schließlich setzen die Stadt- und Landkreise das neue Staatsangehörigkeitsrecht im Auftrag des Landes um. Insofern gilt: Wer bestellt, bezahlt“, so von Komorowski.

Das Innenministerium habe das Anliegen im Blick, die Einbürgerungsbehörden zu stärken, teilt ein Sprecher mit, verweist jedoch darauf, dass die Entscheidung dem Haushaltsgesetzgeber obliege.

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