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Kultusministerium weist Kritik an Loszuteilung für Fördergelder zurück
Stuttgart. 386 Millionen Euro stellt die Berliner Ampelkoalition Baden-Württemberg für den Ausbau der Ganztagsbetreuung zur Verfügung. Nach einem einzigen Tag im vergangenen April war das Volumen gut vierfach überzeichnet. Deshalb greift das Kultusministerium zu einem Mittel, das „nur als ein aus der Not geborener erster Schritt verstanden werden kann“, wie Norbert Brugger, Bildungsreferent beim Städtetag, den Verbandsmitgliedern schreibt.
Dort macht der Städtetag auch die Mitteilung des von Theresa Schopper (Grüne) geführten Hauses öffentlich, wonach wegen der vielen Anträge auf Förderung priorisiert werden müsse. Die Reihenfolge legten die Regierungspräsidien durch Losverfahren fest, heißt es weiter. Stattfinden soll die Verlosung vom 8. August an.
Förderung könnte gestreckt werden, anstatt das Geld nur per Los zu vergeben
Brugger erinnert daran, dass Bund und Länder zur angemessenen finanziellen Unterstützung aller Kommunen verpflichtet bleiben, weil sie den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz ab 2026 für alle Erstklässler und ab 2029 für alle Grundschulkinder beschlossen haben.
An dieser Staffelung macht der langjährige Bildungsexperte seine Idee der Staffelung nach fünf Jahren fest. Denn die Mittel würden nicht nur schrittweise gebraucht. Also könne die Förderung gestreckt werden, anstatt das Geld nur per Los zu vergeben, so Brugger.
Vorstellbar sind nach dem Fünfjahresplan verschiedene Varianten. In einem ersten Schritt werden die ohnehin vorhandenen Bundesmittel nicht per Zufall, sondern auf alle Interessenten verteilt. Danach wird die Landesregierung aktiv und nimmt eigenes Geld in die Hand. Bisher ist jedoch noch nicht geklärt, wie viele zusätzliche Mittel aus dem eigenen Etat in Investitionen zur Erfüllung des Rechtsanspruchs fließen werden.
Zahlreiche Rathauschefs kritisieren das neue Förderprinzip scharf
Zahlreiche Rathauschefs kritisieren das neue Förderprinzip scharf. „Wir sind wirklich frustriert. Baden-Württemberg hat schon extrem lang für das ganze Verfahren gebraucht, um Bundesmittel weiterzugeben“, sagt zum Beispiel Aalens Oberbürgermeister Frederick Brütting (SPD). Die Stadt habe sehr viele Ganztagesprojekte angestoßen, sieben Projekte mit der Fördersumme von 20 Millionen Euro angemeldet, die Baufirmen seien beauftragt. Brütting befürchtet, dass die Stadt beim Losverfahren völlig leer ausgehen könnte. Das führe dazu, dass sie Projekte streichen muss, sagt Brütting und fügt an: „An der Losbude auf dem Aalener Frühlingsfest ist die Trefferquote höher.“
Das Kultusministerium will die Kritik nicht auf sich sitzen lassen
Gemeindetagspräsident Steffen Jäger hat angeboten, dass die kommunale Seite als Schulträger angesichts der Überzeichnung des Förderprogramms für fehlende Fördermittel von Bund oder Land in Vorleistung gehe. Die Schulträger bräuchten beim Beginn der Maßnahmen die Gewissheit, dass die Fördermittel in den Folgejahren auch fließen.
Das Kultusministerium allerdings will die Kritik nicht auf sich sitzen lassen, sondern verweist einerseits auf das eigene Engagement zur Umsetzung des Rechtsanspruchs – „bei der Finanzierung, bei der Ausgestaltung und auch beim Hinterlegen der Interessen beim Bund“, wie ein Sprecher auf Staatsanzeiger-Anfrage erläutert. Außerdem werde mit dem Losverfahren nur jene Reihung vorgenommen, die es beim in vielen Förderverfahren traditionellen Windhund-Verfahren durch zeitlichen Eingang der Anträge automatisch gebe.
Verbände bezeichnen das Losverfahren als „Offenbarungseid“
Brugger sieht das Land auch in der Pflicht, weil in vergangenen Jahren hohe Summen gespart worden seien, die andere Bundesländer bereits in den Ganztagsausbau investiert hätten. „Die Rechnung könnte also auch umgekehrt aufgemacht werden“, sagt er. Die verschiedenen Landesregierungen hätten so für lange Zeit sehr viel Geld gespart. Tatsächlich war Baden-Württemberg bis zum Amtsantritt von Grün-Rot Schlusslicht im Ländervergleich.
Die Kommunalverbände bezeichnen das Losverfahren als „Offenbarungseid“. Katrin Steinhülb-Joos, Bildungsexperten der SPD-Landtagsfraktion, spricht von einer Zumutung für die Kommunen. Es bestehe keinerlei Sicherheit, und gerade die, die sich schon lange auf den Weg gemacht hätten, um dem Rechtsanspruch gerecht zu werden, würden nicht belohnt für ihr Engagement. Sie verlangt vom Kultusministerium „einen Plan B“. Andernfalls werde die Vorbereitung des Rechtsanspruchs „immer mehr zur Farce“.