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Mietenmodell

Staatliches Wohngeld kann die Mieterhöhung abpuffern

Kommunale Wohnungsgesellschaften geraten bei steigenden Kosten an Bau und Gebäuden an ihre Grenzen, die Mieten stabil zu halten. Die Städtische Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshafen versucht mit einem „fairen Mietmodell“ den Spagat zwischen mehr Einnahmen und sozialer Verträglichkeit.

Neubauten sind teuer, Wohnungsraum ist knapp und Mieten sollen niedrig sein - für kommunale Wohnungsunternehmen eine Zwickmühle. Foto: Fotografietrautmann

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Friedrichshafen. Die Baupreise steigen, energetische Sanierungen sind teuer, die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ist hoch. All das führt zu einem enormen Druck auf dem Wohnungsmarkt, der nicht nur viele Mieter, sondern vor allem auch kommunale Vermieter trifft. Deshalb erhöht die Städtische Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshafen (mbH) nach über zehn Jahren erstmals die Mieten um maximal 65 Cent pro Quadratmeter. „Die SWG braucht das Geld, um die Herausforderungen des Klima- und demografischen Wandels zu finanzieren“, sagt Jürgen Schipek, der bis Ende 2023 Geschäftsführer des Wohnungsunternehmens war und inzwischen Chef der Kreisbau in Heidenheim ist.

Umfangreiche Bautätigkeit

Über 300 Wohnungen hat die SWG in den vergangenen Jahren gebaut, um dem Bedarf an bezahlbarem Wohnraum in der Zeppelinstadt mit rund 63 000 Einwohnern Abhilfe zu schaffen. Weitere Neubauten stehen im Plan, dazu Investitionen im Bestand, etwa zum altersgerechten Umbau. Über 60 Prozent der SWG-Mieter sind im Rentenalter.

Mieterhöhungen werden individuell geprüft

All das ist durch stark gestiegene Preise und Zinsen sehr viel teurer geworden für das kommunale Unternehmen, das seine Wohnungen heute zum großen Teil unterhalb des örtlichen Mietspiegels vermietet. Die SWG mit ihren 1380 Wohnungen hat ein „faires Mietmodell“ entwickelt, das seit Jahresbeginn schrittweise umgesetzt wird. Jede Mieterhöhung werde individuell geprüft. Abhängig von der Einkommens- und Lebenssituation des Haushalts puffert die SWG die Erhöhung bei Bedarf mit einem Sozialbonus und Härtefallregelungen ab. „Am Ende werden etliche Mieter die Mieterhöhung gar nicht im Geldbeutel spüren“, so Jürgen Schipek.

Anspruch auf Wohngeld

Denn etwa die Hälfte ihrer Mieter habe Anspruch auf Wohngeld, bekomme es aber nicht. Viele Mieter wüssten nicht, dass die Grenzen für die staatliche Unterstützung in Baden-Württemberg niedrig sind. Ende 2022 bezogen laut Statistischen Landesamts rund 60 500 Haushalte Wohngeld. Die Einkommensgrenze für einen Zwei-Personen-Haushalt liegt bei 55 250 Euro. Rein rechnerisch gibt es mehr als vier Millionen Haushalte dieser Größenordnung im Land, die unter dieser Einkommensgrenze bleiben. Seit Januar 2023 gilt zudem das Wohngeld-Plus-Gesetz, dass den Empfängerkreis auf etwa das Dreifache erweitert.

Freiwlliger Verzicht

Deshalb setzt die SWG darauf, dass die Mieter mit dem Schreiben über die Mieterhöhung zunächst ihren Anspruch auf Wohngeld prüfen. Sind sie berechtigt, könne es sogar sein, dass sie weniger Miete bezahlen als bisher – trotz Erhöhung. Und: „Wir verzichten auf eine Mietererhöhung oder kappen den Betrag, wenn die Kaltmiete trotz Wohngeld 30 Prozent des Haushaltseinkommens übersteigt“, erläutert Matthias Buck vom Mieterservice.

Stuttgart erhöht moderat

Auch die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) hat die Mietbelastungsgrenze von 30 Prozent im Blick. Die letzte turnusmäßige Mieterhöhung der frei finanzierten Wohnungen erfolgte laut Unternehmen im Sommer 2022 – auf maximal sechs Prozent der monatlichen Grundmiete und um höchstens 35 Euro pro Monat. Für wen das trotzdem zu viel war, bot die SWSG eine Mietbelastungsprüfung an. Wer nach der Mieterhöhung mehr als 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens für die Bruttokaltmiete aufwenden muss, erhält einen  Mietzuschuss. Dabei liegt die Durchschnittsmiete für SWSG-Wohnungen aktuell ein Drittel unter dem Mittelwert des Mietspiegels in Stuttgart – statt 11,46 Euro pro Quadratmeter bei 7,99 Euro.

Erneute Sozialförderung alter Wohnungen

In Friedrichshafen soll die monatliche Belastung für rund 100 Haushalte sinken, weil die SWG Wohnungen in geförderten Wohnraum umwandelt und so Zuschüsse vom Land bekommt. Die meisten SWG-Wohnungen sind schon so lange im Bestand, dass sie aus der Sozialbindung herausgefallen sind. Das soll sich mit dem fairen Mietmodell wieder ändern. Dann kann der Mietpreis um 30 Prozent reduziert werden. Das gehe allerdings nur, so Matthias Buck, wenn die Wohnung nicht zu groß für die Anzahl der Bewohner ist und die Anforderungen für einen Wohnberechtigungsschein erfüllt sind.

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