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Und noch ein Wunsch an den Herrn Finanzminister
Mannheim. So ein Hafen ist auch etwas Schönes. Da kann man Schiffen beim Löschen ihrer Ladung zusehen, Sattelschlepper beobachten, die diese Ladung übernehmen, sauber übereinandergestapelte Container bewundern und sich Seemannsgarn erzählen lassen – vom Hafendirektor persönlich. Doch halt: In Mannheim werden keine Scherze gemacht, jedenfalls nicht, wenn der Eigentümer vorbeischaut: Danyal Bayaz (Grüne), der trotz seiner mittlerweile auch schon 40 Jahre immer noch jugendlich wirkende Finanzminister von Baden-Württemberg. Seinem Haus sind seit jeher die Landesliegenschaften unterstellt.
Bayaz stammt aus Heidelberg, der altehrwürdigen Unistadt, die so ganz anders ist als das industriell geprägte Mannheim. Von Ludwigshafen ganz abgesehen, dem einst so reichen und inzwischen verarmten Vetter von der anderen Rheinseite, der wie ein Menetekel an der Wand daran gemahnt, was passieren kann, wenn sich die Zeiten ändern. Und wenn man von einem großen Gewerbesteuerzahler abhängig ist: der Badischen Anilin- und Sodafabrik, kurz BASF, die zwar 1865 in Mannheim gegründet wurde, aber nur eine Woche danach ins seinerzeit noch bayerische Ludwigshafen zog.
„Abgängige“ Brücken, über die man noch fahren kann – oder auch nicht
Die Schiffstour startet am Haus Oberrhein, dem zwölfstöckigen Gebäude der Hafenverwaltung. Genau genommen hat es sogar 13 Etagen, denn oben befindet sich eine Aussichtsplattform, von der man in alle Himmelsrichtungen schauen kann. Also nach Ludwigshafen mit seinem riesigen Einkaufszentrum, aber auch auf die Rheinbrücken, von denen die eine Hälfte Mannheim gehört und die andere Ludwigshafen.
Obwohl sie offensichtlich stehen, bezeichnet Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) sie als „abgängig“, weil sie nicht mehr saniert werden könnten, sondern nur abgerissen und neu gebaut; eine Trambrücke sei sogar gesperrt. Und dass dies ein riesiges Problem für die Doppelstadt sei, die vermutlich nur eine wäre, würde hier keine Grenze verlaufen.
Specht darf davon ausgehen, dass Bayaz die Botschaft begreift. Andererseits ist der OB, der 18 Jahre Finanzbürgermeister von Mannheim war, bevor er 2023 ins Amt kam, lang genug im Geschäft, um zu wissen, dass den Finanzminister überall solche Botschaften erreichen. Und dass er nicht alle Wünsche erfüllen kann.
Bayaz‘ Vater hat früher in Mannheim gearbeitet – in der „Abendakademie“, wie die Mannheimer Volkshochschule heißt, mit türkischen Jugendlichen. Das Pflaster kenne er gut, erzählt der Finanzminister, er habe hier manche Stunde totgeschlagen. Für ihn sei diese Tour „eine schöne Zeitreise“. Und dies sei einfach eine starke Region, nicht nur der Hafen.
Im Übrigen würde er nicht von Wünschen reden, sondern von Bedarfen, „die es ja auch offensichtlich gibt“. Dass er als Finanzminister angesprochen werde, liege in der Natur der Sache. Außerdem tue es „gut, auch mal aus Haushaltsverhandlungen rauszukommen, Luft zu schnappen, mit den Menschen vor Ort ganz konkret ins Gespräch zu kommen“.
Luft schnappen ist das Stichwort, obwohl dies an diesem stickigen Sommertag auch an Bord eines Ausflugsschiffes nicht so einfach ist. Die grün-schwarze Haushaltskommission hat sich am Montag vertagt. „Erfolgreiche Vorklärungen“ seien gelungen, ließ Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz verlauten, doch zu einer Einigung vor der Sommerpause hat es nicht gereicht.
Für Bayaz kein Grund, Trübsal zu blasen: Der Haushalt müsse erst am 1. Januar 2025 stehen. „Ziel sollte sein, dass wir dann auch rechtzeitig im Herbst den Regierungsentwurf vorlegen.“ Zwar sei mehr Geld vorhanden als ursprünglich gedacht. „Doch wir werden uns strecken müssen.“ Gut ausbalanciert werden müsse so ein Haushalt auch. Was man eben so sagen muss als Finanzminister.
Inzwischen hat der Dampfer die Kaimauer am Rhein passiert, vorbei am Raiffeisen-Lagerhaus, wo früher der gesetzlich vorgeschriebene Getreidevorrat lagerte. Diese Vorgabe gibt es nicht mehr; dennoch liefern viele Landwirte aus der Kurpfalz immer noch ihren Mais und ihren Weizen hier an. Die BASF, ein Gewirr aus Schornsteinen und Metall, naht am Horizont, da dreht das Boot ab. Hier mündet der Neckar in den Rhein, seit die Flüsse begradigt wurden.
Eine Null am Neckarufer weist darauf hin, dass der längste Fluss, der ausschließlich durch Baden-Württemberg fließt, hier zu Ende ist. Dahinter Wiesen, Jogger; Hunde werden ausgeführt. Hier beginnt auch die Friesenheimer Insel, die Oberbürgermeister Specht als zukünftigen Standort zur Erzeugung von Wasserstoff empfiehlt: Auf dieser Insel komme alles zusammen, was man braucht, inklusive der Fernleitungen.
Die Kaimauer, die ebenfalls in die Jahre gekommen ist – 120 bis 150 Millionen Euro würde es kosten, die Spundwände zu ersetzen –, hört auch hier nicht auf und bald kommen wieder Industrieanlagen. Nicht jede Firma, die hier siedelt, braucht das Wasser unbedingt, und nicht jede Firma, die Wasser braucht, ist hier gelegen. Insofern fällt die Antwort auf die Frage, wie viele Arbeitsplätze der Hafen exakt bietet und wie viele von ihm abhängen, schwer. Klar ist jedoch, dass Mannheim ohne Hafen ebenso wenig funktionieren würde wie Ludwigshafen ohne die BASF. Und dass man einander braucht.
Der Hafen ist trimodal, das heißt, dass man auf dem Wasser, auf der Straße und auf der Schiene hierher kommt. Der Rangierbahnhof gehört dem Hafen und damit dem Land und keiner käme auf die Idee, ihn durch etwas anderes zu ersetzen, etwa ein Wohngebiet, wie es Stuttgart plant.
Auch die Fusion der Unikliniken und die Eisenbahn sind Themen
Das liegt aus Sicht von Bayaz auch daran, dass der Hafen Gewinn abwirft, zuletzt zwischen 1,4 und 1,7 Millionen Euro pro Jahr. Im Gegenzug bietet das Land beziehungsweise seine hundertprozentige Tochter, die Hafengesellschaft, 80 Arbeitsplätze – in der Verwaltung, aber auch im Wasserbau, der sich um die Spundwände kümmert, als Hafenmeister, im Stellwerk und in der Werkstatt.
Bei der Hafengesellschaft macht man sich auch Gedanken, was passieren muss, wenn es mit dem Klimawandel so weiter geht. Da geht es zum Beispiel um angepasste Arbeitszeiten, aber auch die Frage, wie man mit Hoch- und Niedrigwasser und Starkregen umgeht.
Christian Specht wäre kein guter Oberbürgermeister, wenn er den grünen Finanzminister gegen Ende der Tour nicht auch noch auf zwei andere heiße Eisen ansprechen würde – die Frage, ob die Unikliniken von Mannheim und Heidelberg fusionieren dürfen und die Eisenbahn. Beim ersten Thema zeigt sich Bayaz zuversichtlich. Es sei bei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in guten Händen.
Beim zweiten Thema deutet Specht auf die Karte, die man eigentlich nur mitgenommen hat, um den Hafen zu zeigen. Er zeigt auf den Punkt, an dem einmal die Hochgeschwindigkeitsstrecke von Frankfurt enden soll. Dort, im Wald nördlich der Stadt, soll der Zug aus dem Tunnel kommen. Und dort soll er, wenn es nach Specht geht, auch wieder verschwinden – in einem weiteren Tunnel, den eine Variante des Bahnprojekts Mannheim-Karlsruhe vorsieht. Denn noch einmal zwei Gleise quer durch die Stadt seien niemandem zuzumuten. Auch das wird nicht billig. Gut, dass da einer gekommen ist, der sich mit Zahlen auskennt.