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Polizeiaffäre

Strobl will eine neue Führungskultur für die Landespolizei

Schonungslos hat der ehemalige Polizist und ministeriale Amtschef Jörg Krauss in seinem Bericht offen gelegt, wo es in der Landespolizei im Argen liegt. Fehlender Rückhalt von Vorgesetzten und eine problematische Besetzung von Führungspositionen etwa. Der Innenminister Thomas Strobl (CDU) will die Empfehlungen nun umsetzen.

Der ehemalige Ministerialdirektor Jörg Krauss legt in seinem Bericht an Innenminister Thomas Strobl Misstände ind er Landespolizei offen.

Achim Zweygarth)

Stuttgart. Gut 2000 Gespräche hat Jörg Krauss fast ein Jahr lang geführt, hat alle Dienststellen der Landespolizei besucht, und zwar jeweils die Leitungsebene und die Basis. „Manchmal hatte man den Eindruck, es seien zwei verschiedene Dienststellen“, sagt Jörg Krauss, der selbst Polizist war und dann in der Landesverwaltung bis zum Amtschef des Finanzministeriums aufstieg.

Nach der Polizeiaffäre rund um den vom Dienst freigestellten ehemaligen Polizeiinspekteur Andreas Renner hat Innenminister Thomas Strobl Krauss noch einmal aus dem Ruhestand aktiviert. Seine Befunde sind deutlich. „Man hat manchmal in den Gesprächen mitgelitten“, sagt er. Die Polizeibeamten beklagen fehlende Rückendeckung von Vorgesetzten, die sich vor allem nach oben absichern. Vor allem auch, wenn gegen sie Vorwürfe und Beschuldigungen erhoben würden.

Polizisten fühlen sich von Vorgesetzten alleine gelassen

Die Polizisten im Land wünschen sich mehr Kommunikation, die zudem weniger formal ablaufen soll. „Diese sollte über die Floskel ‚Meine Tür steht immer offen‘ hinaus gehen“, sagt Krauss. Die Vorgesetzten sollten nicht warten, bis jemand komme, sondern selbst aktiv werden. Auch soll bei Personalentscheidungen nicht nur auf die formale Note Wert gelegt werden, sondern auf praktische Führungserfahrung und soziale Kompetenz. Vor allem aber schlägt Krauss eine andere Führungs- und Wertekultur vor. Eine „positive Fehlerkultur“ etwa, Fehler sollten offen ohne Angst vor Konsequenzen angesprochen werden. Vertrauen, Verlässlichkeit, ein werteorientierter Führungsstil, regelmäßige Fortbildungen. Krauss empfiehlt zudem, das Thema direkt beim Minister anzusiedeln.

Strobl stellt klar: „Das, was Jörg Krauss erarbeitet hat, ist ein Auftrag.“ Er persönlich werde sich darum kümmern, dass die Vorschläge nicht in der Schublade verschwinden. Neun Themen werden übernommen, auch 500 neue Stellen für Assistenten zur Entlastung der Beamten geschaffen. Zudem verweist Strobl darauf, dass er das Landespolizeipräsidium umgebaut habe, die Stelle des Inspekteurs gibt es nicht mehr, eine Vertrauensanwältin wurde beauftragt, weil vor allem junge Frauen in einem „älteren männlichen Umfeld“ über unangemessenes Verhalten berichten.

Und es gibt eine Dienstvereinbarung gegen sexuelle Belästigung. Für Sascha Binder, innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und Obmann im Untersuchungsausschuss, ist das zu wenig und zu spät: „Die Vorwürfe wurde schon im November 2022 bekannt.“

SPD: Strobl hätte früher handeln müssen

Und ohne die „mutige Polizistin“, die Andreas Renner angezeigt und damit den Prozess und den Untersuchungsausschuss ins Laufen gebracht habe, wäre aus Binders Sicht gar nichts passiert. Zudem offenbare der Krauss-Bericht „erschreckende Zustände“ in der Landespolizei, eine „Kultur der Angst“ und hierarchische Abläufe statt Transparenz.

„Die Verantwortung dafür tragen der Innenminister und die Landespolizeipräsidentin“, so der SPD-Politiker, der auch Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion ist.

Die Polizeiaffäre schwelt weiter

Für Strobl waren die Polizeiaffäre und die Folgen politisch heikel. Er erhielt einen Strafbefehl, weil er einen Brief von Renners Anwalt an einen Journalisten weitergegeben hatte, sein politisches Schicksal stand auf der Kippe. Doch nun will er in die Offensive kommen und die Landespolizei modernisieren.

Offen bleibt hingegen, wie es mit dem Ex-Polizeiinspekteur Andreas Renner weitergeht. Vor Gericht wurde er wegen sexueller Nötigung freigesprochen, doch weitere Verfahren sind angelaufen. Solange diese laufen, ruht auch das Disziplinarverfahren im Innenministerium. So bleibt Renner bis auf weiteres mit B-4-Gehalt in Freistellung – und die Affäre schwelt im Ausschuss weiter.

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