Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Archäologie

In Vergessenheit geratene Pionierinnen der Archäologie

Frauen spielten eine bedeutende Rolle in der deutschsprachigen archäologischen Wissenschaft. Ihre Beiträge wurden geschätzt, doch über die Jahrzehnte gerieten sie und ihre Forschungen in Vergessenheit.

Maria Reiche-Cogorno (großes Bild), Margreth Honroth, Gertrud Dorka und Johanna Mestorf (von oben nach unten) gehörten zu den ersten Archäologinnen im deutschsprachigen Raum. Fotos: Württembergisches Landesmuseum

Stuttgart. Sie arbeiteten als Ausgräberinnen, Forscherinnen oder Sammlerinnen, waren am Federsee tätig oder beim Aufbau des Pfahlbauten Museums am Bodensee. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung ist Archäologie weiterhin eine Männerdomäne. Das möchte nun eine Wanderausstellung im Landesmuseum in Stuttgart im Alten Schloß ändern und zugleich auf die außergewöhnlichen Leistungen jener Frauen hinweisen. „Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, deren Namen viele kennen, sind diese frühen Archäologinnen im Gedächtnis der Öffentlichkeit großenteils nicht mehr präsent“, schreibt das Museum.

Auf großflächigen Stelen werden die Porträts dieser Frauen vorgestellt, die in ganz Deutschland wirkten. So etwa Sibylle Mertens-Schaaffhausen (1797-1857), die als „erste Archäologin Deutschlands“ gilt. Sie baute unter anderem umfangreiche Sammlungen von antiken Gegenständen, Kunstschätzen und Literatur auf.

Die ursprüngliche Wanderausstellung wurde in Stuttgart erweitert um Lebenswege früher Archäologinnen aus der Region. Dazu zählt etwa Senta Rafalski-Giering (1911-1996), die einst über „Nordische Feuersteindolche“ promovierte. Rafalski-Giering zählte zu den ersten Absolventinnen der Ur- und Frühgeschichte an der Universität Tübingen.

Eine Archäologin folgte nur kurz dem Berufswunsch ihrer Eltern

„Als Senta Rafalski sich 1931 an der Universität Tübingen einschrieb, wollte sie zuerst dem Wunsch ihrer verstorbenen Eltern folgen und Lehrerin werden. Doch schon nach einem Semester wechselte sie zu den Studienfächern Geologie, Geografie und Vorgeschichte“, schreibt die Historikerin Doris Gutsmiedl-Schümann , die als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Akteurinnen archäologischer Forschung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften: Im Feld, im Labor, am Schreibtisch ( AktArcha )“ an der Universität der Bundeswehr München arbeitet.

Zu den ersten Absolventinnen der Ur- und Frühgeschichte an der Universität Tübingen zählte auch Gerta Blaschka , geb. Schneider (1908-1999). Sie schloss 1933 ihr Studium ab und promovierte über “Die vorgeschichtlichen Wagen in Deutschland“. Ihre Dissertationsschrift wurde allerdings erst 1965 publiziert.

Blaschka hatte bereits als Schülerin 1920 und 1921 an Ausgrabungen des Tübinger Instituts in Riedschachen und Aichbühl bei Bad Schussenried teilgenommen, so Gutsmiedl-Schümann . 1927 hatte sie in Lausanne das Studium der Ur- und Frühgeschichte begonnen, danach studierte sie an den Universitäten Wien, München und Heidelberg, ehe sie ihren Abschluss in Tübingen erwarb.

Margret Honroth (1937-2020) war eine der ersten fest angestellten Archäologinnen am Landesmuseum Württemberg. Foto: Jonathan Leliveldt/Landesmuseum Württemberg/privat

Margret Honroth (1937-2020) war eine der ersten fest angestellten Archäologinnen am Landesmuseum Württemberg. Sie befasste sich in ihrer an der Universität Bonn abgeschlossenen Doktorarbeit mit „Stadtrömischen Girlanden“, anschließend war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Pergamongrabung des Deutschen Archäologischen Instituts. Im Stuttgarter Landesmuseum, wo sie als Volontärin und Konservatorin tätig war, baute sie aktiv die Sammlung der klassischen Antike in der archäologischen Abteilung aus und realisierte Sonderausstellungen wie die im Jahr 1994 zum „Frühen Glas in der Alten Welt“.

Johanna Mestorf wurde als erste Frau in Preußen Direktorin eines Museums, des Museums für vaterländische Altertümer in Kiel. Foto: Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Inv. Nr./Signatur BGAEU-FS 360

Erste Direktorin eines preußischen Museums

Als erste Frau in Preußen wurde die Prähistorikerin Johanna Mestorf (1828-1909) Direktorin eines Museums. Den Titel „Professor“ verlieh ihr Kaiser Wilhelm II. für ihre Verdienste um die Vorgeschichte Norddeutschlands. Margarete Bieber (1879-1978) hingegen war die erste Professorin für Klassische Archäologie in Deutschland. Sie wurde von den Nationalsozialisten aus der Universität vertrieben und wanderte in die USA aus.

Erste Direktorin eines staatlichen Museums in Deutschland wurde die Prähistorikerin Gertrud Dorka (1893-1976). Und als erste Person überhaupt erforschte die gebürtige Dresdnerin Maria Reiche (1903-98) ab Ende der 1940er Jahre die berühmten prähistorischen Nazca-Linien in Peru (Südamerika).

Gertrud Dorka an ihrem Schreibtisch im Souterrain der Ruine des ehemaligen Völkerkundemuseums in Berlin. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte

Frühe Archäologinnen

Bis 9. März 2025 präsentiert das Landesmuseum Württemberg die Wanderausstellung „Ein gut Theil Eigenheit – Lebenswege früher Archäologinnen“. Die Ausstellung, die kostenfrei im Ständesaal des Alten Schlosses in Stuttgart zu sehen ist, beleuchtet die Rollen von Frauen in der Wissenschaftstradition. Die Schau ist Teil eines Forschungs- und Vermittlungsprojekts. Erstmals wurde sie im Museum August Kestner in Hannover präsentiert. Ziel der Schau ist es, Leistungen und Lebenswege von Archäologinnen sichtbarer zu machen.

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 189 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesen Sie auch