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Kliniken in Heidelberg und Mannheim: Politiker pochen jetzt auf „Minister-Ja“
Heidelberg/Mannheim. Das Bundeskartellamt kam nach einem monatelangen Prüfverfahren zu dem Schluss, dass die zu erwartenden Nachteile vor allem aufseiten von Patienten die möglichen Vorteile überwiegen. Die Reaktionen auf die am Freitag verkündete Entscheidung folgten prompt: Das Land will nun bei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine Ministererlaubnis beantragen, um neben der Marktbeherrschung weitere Aspekte berücksichtigt zu wissen, etwa wie die Gesundheitsversorgung, Spitzenforschung und dringend benötigte Medizinstudienplätze.
“ Das Kartellrecht ist nicht darauf ausgelegt, die Besonderheiten und Herausforderungen eines Zusammenschlusses zweier so großer Universitätsklinika zu berücksichtigen“, so Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne). Im Falle einer Untersagung könnte eine medizinische Spitzenforschung, eine hochkarätige Patientenversorgung und rund 270 Medizinstudienplätze verloren gehen. Insgesamt studieren 2000 junge Menschen in Mannheim Medizin. Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) geht ebenfalls davon aus, dass der Verbund der richtige Weg für eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung in der Region Rhein-Neckar sei.
Finanzierung eines Supra-Maximalversorgers bringt Mannheim an die Grenzen
Das Land ist Träger des Standortes Heidelberg, die Stadt Mannheim Trägerin der örtlichen Universitätsklinik, die jährlich massive Verluste macht. Mannheims Oberbürgermeister Christan Specht (CDU) betont, wie wichtig der Verbund für die Stadt auch in finanzieller Hinsicht wäre. „Das Universitätsklinikum Mannheim ist eine Besonderheit in Deutschland, denn es wird ausschließlich von einer Stadt getragen“, erklärt Specht. Die Finanzierung eines Supra-Maximalversorgers bringe die Stadt zunehmend an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit.
Außerdem könnte das Land mit einem Verbund die hochwertigen Versorgungsangebote an beiden Standorten optimal aufeinander abstimmen, die medizinische Spitzenforschung ausbauen und die Studienkapazitäten für rund 2000 Studierende erhalten.
„ Universitätsklinika sind viel mehr als ein Wirtschaftsbetrieb“
Auch für Heidelbergs Oberbürgermeister sieht die Entscheidung des Bundeskartellamts kritisch. „Es greift zu kurz, den Verbund der Universitätsklinika rein nach den Regeln des Wettbewerbsrechts zu bewerten“, zitiert die Stadt Eckart Würzner (parteilos) in einer Mitteilung. Universitätsklinika seien viel mehr als ein Wirtschaftsbetrieb. Sie seien das Rückgrat der medizinischen Forschung und Patientenversorgung in Deutschland. Von den Forschungsergebnissen in Heidelberg profitierten Menschen auf der ganzen Welt, so Würzner.
Würzner : Alles andere als eine Erlaubnis wäre nicht nachvollziehbar
Würzner verweist darauf, dass etliche Krankenhäuser in der Metropolregion „seit Jahren höchst erfolgreich mit dem Uni-Klinikum“ kooperieren würden. „Sie konkurrieren nicht um Patienten, sie kümmern sich gemeinsam um sie. Das Uni-Klinikum Heidelberg ist mit seiner regionalen Vernetzung ein Vorbild für die Krankenhausreform, die der Bundesgesundheitsminister angekündigt hat“.
Diese gesellschaftliche Dimension gelte es zu berücksichtigen, betont der Heidelberger Rathauschef. „Genau dafür gibt es das Verfahren des Ministerentscheids. Alles andere als eine Erlaubnis durch den Bundeswirtschaftsminister wäre nicht nachvollziehbar. In seinem eigenen Bundesland Schleswig-Holstein haben sich die Universitätsklinika Kiel und Lübeck schon längst zu einem Klinikum mit weiterhin zwei Standorten zusammengeschlossen.“
Bislang gab es bundesweit 23 solcher Anträge, zehn waren erfolgreich. Bei Kliniken wurde 2008 in Greifswald eine Fusion per Ministererlaubnis genehmigt, der „Erhalt von Forschung und Lehre“ war der Grund.
Zusammenschluss für Verwirklichung der Vorteile nicht notwendig
Das Bundeskartellamt befürchtet, „ erhebliche wettbewerbliche Nachteile infolge des Zusammenschlusses“. Diese hätten vor allem die Patienten zu tragen, denn in der Region verbleiben neben den Kliniken der Beteiligten nur wenige vergleichbare und unabhängige Wettbewerber, in manchen medizinischen Fachbereichen fast gar keine.
„Im Verfahren haben wir uns auch eingehend mit möglichen Vorteilen des Zusammenschlusses befasst“, so Andreas Mundt , Präsident des Bundeskartellamtes. „Ein Argument der Parteien, wonach Größe, höhere Fallzahlen und Spezialisierung oft zu besserer Behandlungsqualität führen, haben wir berücksichtigt. Allerdings gehen wir nicht davon aus, dass zur Verwirklichung dieses Vorteils der Zusammenschluss überhaupt notwendig ist“.
Andere Formen der Kooperation könnten ähnlich positive Wirkungen entfalten, „ohne gleich den Kliniken ihre Unabhängigkeit zu nehmen“. Zudem erscheine den Kartellprüfern die Annahme, dass große Unikliniken durch weiteres Wachstum automatisch besser würden, kaum tragfähig.