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Krankenhausfinanzierung

Verbände warnen vor einem Kollaps der Kliniken

Städte- und Landkreistag sowie die Krankenhausgesellschaft Baden-Württemberg beschreiben die finanzielle Lage der Kliniken im Land als dramatisch. 83 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser fahren im laufenden Jahr Defizite ein, ein Klinik-Kollaps drohe. Sollte der Bund nicht schnell mit neuem Geld entgegen steuern, fordern die Verbände noch vor Jahresende eine Finanzspritze von 300 Millionen Euro vom Land.

Seine Ettenheimer Außenstelle hat das Ortenau-Klinikum für den stationären Betrieb 2023 aufgegeben. Dennoch gehört das Klinikum zu den defizitären Kliniken im Land. Kommunalverbände fordern nun ein Soforthilfeprogramm, um Kliniken zu stabilisieren.

dpa/Patrick Seeger)

Stuttgart. Die kommunalen Klinikträger fordern schnellstmöglich eine bessere Finanzausstattung aller Kliniken. Diese hatten 2023 rund 670 Millionen Euro Defizit gemacht, im laufenden Jahr werden es nach einer Umfrage der Krankenhausgesellschaft Baden-Württemberg sogar 900 Millionen Euro werden. Damit drohen etliche Kliniken plötzlich zahlungsunfähig zu werden.

Folgeabschätzung für Gesundheitsreform

Rote Zahlen schreiben Kliniken in öffentlicher, freigemeinnütziger und privater Trägerschaft gleichermaßen, erklärte Heiner Scheffold, Vorstandsvorsitzender der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft, am Freitag vor der Landespressekonferenz. Er forderte Bund und Land schnellstmöglich zu einer Einigung über die lang ersehnte Krankenhausreform zu kommen. Außerdem müsse eine Folgenabschätzung der Ideen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf den Tisch.

Politik zeigte kein Interesse

Auf die dramatische Entwicklung habe der Verband bereits seit 2022 mit verschiedenen Aktionen aufmerksam gemacht. Allerdings zeigte die Politik kein Interesse, das System durch Finanzmittel zu stabilisieren. Nun fordern die Krankenhausgesellschaft sowie Städte- und Landkreistag, sollte Bund nicht helfen, eine Sofortmaßnahme vom Land, das mit 300 Millionen Euro noch in diesem Jahr Kliniken stabilisierungen und Insolvenzen vermeiden müsse.

Einmalzahlungen waren nicht ausreichend

Von Berlin fordern die Akteure in Baden-Württemberg die Inflationslücke mit einem Plus von vier Prozent bei der Krankenhausvergütung zu zu schließen, Einmalzahlungen wie zu Beginn der kriegsbedingten Inflation könnten auf Dauer die Kosten nicht decken, sagte Scheffold, parteiloser Landrat des Alb-Donau-Kreises . Kürzungen bei den Fallpauschalen und bessere Vergütung angesichts der Fallschwankungen gehören zum Forderungskatalog Richtung Bundespolitik, ebenso die dauerhafte Kostenübernahme nach Preissteigerungen.

Land übernimmt Investitionen nur zur Hälfte

Vom Land fordern die Träger die volle Vergütung der Investitionskosten. Laut einem Papier des Landkreistages geschieht dies bei einem Volumen von bis zu 850 Millionen Euro jährlich nur zur Hälfte. Daher müsse die jährliche Investitionsfinanzierung um mindestens 300 Millionen Euro erhöht werden, darin enthalten solle die Anhebung der Pauschalförderung von mindestens 100 Millionen Euro pro Jahr auf 260 Millionen sein. Dieser Posten des Landeshaushalts ist seit 2012 unverändert.

„Taub und blind“

An eindringlichen Worten sparten die Verbandsvertreter bei der Pressekonferenz nicht. Wer die finanzielle Unterversorgung nicht wahrnehme, „ist taub und blind“, sagte Landkreistagspräsident Joachim Walter (CDU) . Mit rund 1,6 Milliarden Euro hätten die Landkreise im Südwesten den Kliniken zwischen 2018 und 2022 geholfen, für 2024 erwartet Walter 790 Millionen Euro – und das, obwohl Kreise und kreisfreien Städte für die Finanzierung gar nicht zuständig seien, „ein unterträglicher Zustand“, erklärte der Tübinger CDU-Landrat.

Sicherstellungspflicht beschäftigt Landkreise

Ein Problem sei die Sicherstellungspflicht der Kreise für die medizinische Versorgung. Diese hat das Land per Gesetz an die Gebietskörperschaften abgetreten und sich damit zum Auftraggeber der Kreise gemacht. Sollte der eigentlich zahlungspflichtige Bund nicht bezahlen, erinnerte Walter das Land an den Spruch, „Wer bestellt, bezahlt.“ Scheffold skizzierte als mögliche Reaktion auf die weitere Untätigkeit des Landes die Möglichkeit einer juristischen Prüfung, wie man aus dieser Verpflichtung herauskomme. Näherliegend sei aber die Frage, wie weit der Sicherstellungsauftrag überhaupt reiche. Das wäre dann die Definition des Mindeststandards, den die Kreise nur noch erfüllen würden.

Kommunen wollen nicht als Ausfallbürgen herhalten

Als Ausfallbürgen für die säumigen Geldgeber von Land und Bund wollen die kommunalen Träger nicht mehr herhalten, gerade wo die Kommunalhaushalte ohnehin in Schielfage geraten. Städtetagspräsident Frank Mentrup (SPD) verwies auf die hohen Belastungen, die mit den Klinikdefiziten auf die Kommunen zukämen. Die Finanzierung anderer wichtiger Aufgaben werden dadurch erschwert, etwa der ÖPNV oder die Schulsanierung. Mentrup, als Karlsruher Oberbürgermeister selbst nicht von einer Kreisumlage betroffen, erinnerte an die Gefahr, dass es Klagen gegen Kreisumlagen geben könnten, die wegen der Klinikkosten in die Höhe schießen. Klar sei, dass das Geld für das Klinikdefizit an andere Stelle fehle.

Gegner der kalten Transformation

Die Kommunalvertreter sehen sich allerdings auch als Opfer eines Versuchs, in Nordrhein-Westfahlen die kleinteilige Krankenhauslandschaft durch eine kalte Transformation neu zu ordnen. Alle drei wehren sich gegen diese Marktbereinigung für Baden-Württemberg. Hier gebe, so Walter, mit 478 Betten pro 100.000 Einwohner die geringste Bettendichte bundesweit. Verbünde wie das Ortenau-Klinikum oder in Ludwigsburg nannte er als Beispiele für die Transformation. Trotzdem laufen aufgrund der Unterfinanzierung hohe Defizite auf, wodurch die eigentlich geregelte Kliniklandschaft im Südwesten und damit die Versorgungssicherheit in Gefahr gerate. Die Reduzierung von noch mehr Kapazitäten dürfe nicht durch finanziellen Druck erzwungen werden.

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