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Corona-Soforthilfe: Verwaltungsgericht Freiburg stärkt Klägern den Rücken
Freiburg/Stuttgart. Es geht in Summe um 630 Millionen Euro. So viel fordert das landeseigene Förderinstitut, die L-Bank, von Kleinunternehmen und Soloselbstständigen zurück, die zu Beginn der Corona-Pandemie Soforthilfe beantragt hatten, um Auftragseinbrüche und Einnahmeausfälle auszugleichen. Insgesamt wurden in Baden-Württemberg nach Angaben des Wirtschaftsministeriums im Frühjahr 2020 rund 2,23 Milliarden Euro ausgereicht, mehr als ein Viertel soll nun zurückfließen.
1400 Betroffene im Land haben Klage eingereicht
Viele Selbstständige und Kleinunternehmer wollen diese Rückforderungen nicht akzeptieren und haben gegen die Rückzahlungsbescheide der L-Bank Widerspruch eingelegt. Da die in der Regel keinen Erfolg hatten, sind inzwischen an den Verwaltungsgerichten im Land rund 1400 Klagen anhängig. Diese Zahl nannte das Wirtschaftsministerium auf Anfrage des Staatsanzeigers.
Nun, nach der Entscheidung der Freiburger Verwaltungsrichter (Aktenzeichen 14 K 1308/24) , dürfen sich die Kläger Hoffnung machen, dass der Rechtsweg zum Erfolg führen könnte. In vier Fällen von sechs verhandelten Fällen wurden die Rückforderungsbescheide aufgehoben. In einem wies das Verwaltungsgericht die Klage ab, ein Verfahren ist noch nicht entschieden.
Anwalt sieht Signalwirkung für andere Verfahren
Eine schriftliche Urteilsbegründung liegt zwar noch nicht vor, doch nach der mündlichen Verkündung gehen Anwälte von Klägern davon aus, dass das Urteil auch für andere Klagen wegweisend sein könnte.
„Die Urteile dürften nach meiner Einschätzung Signalwirkung für zahlreiche andere, noch nicht entschiedene Verfahren haben“, erklärt beispielsweise Marc Malleis, Fachanwalt für Verwaltungsrecht von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer mit Hauptsitz in Lahr. Denn das Gericht habe sich in der mündlichen Verhandlung vor allem detailliert mit den Grundlagen für die Gewährung der Soforthilfe, also vor allem den Richtlinien, Verwaltungsvorschriften und den FAQ sowie dem Rückmeldeverfahren zur Ermittlung des jeweiligen Rückzahlungsbetrags auseinandergesetzt.
Rechtsanwältin Christina Oberdorfer von der Stuttgarter Kanzlei von Buttlar Rechtsanwälte verweist darauf, dass der Zweck der Soforthilfen in den maßgeblichen Vorschriften und in den Zuwendungsbescheiden unklar definiert gewesen sei. Das habe sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt. Deshalb könnten die Corona-Soforthilfen nicht mit dem Argument zurückgefordert werden, dass sie zweckwidrig verwendet worden seien.
Die Beklagten wollen sich derzeit nicht zu der Gerichtsentscheidung äußern. Weder die L-Bank noch das Wirtschaftsministerium wollen die Freiburger Entscheidungen bewerten. Offen bleibt deshalb zunächst auch, ob die Verfahren in die nächste Instanz gehen. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat eine Berufung zum Verwaltungsgerichtshof zugelassen. Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung dürfte es aber sicher sein, dass die Verfahren den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim beschäftigen werden.
Bund forderte vollständige Kontrolle der Auszahlungen
Auf der politischen Ebene gab es widersprüchliche Signale, ob die Hilfen zurückgefordert werden sollen. Der heutige Bundeskanzler und damalige Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte im Frühjahr 2020 betont: Es handele sich um einen Zuschuss, nicht um einen Kredit. „Es muss also nichts zurückgezahlt werden“, so Scholz wörtlich.
Doch als sich bei stichprobenartigen Überprüfungen herausstellte, dass viele Empfänger der Soforthilfe geringere Liquiditätslücken hatten als zunächst beim Antrag geltend gemacht, forderte der Bund die Länder auf, ein flächendeckendes Kontrollverfahren einzuführen. Die waren für die Umsetzung der Soforthilfen zuständig gewesen.
In Baden-Württemberg wurden alle Empfänger aufgefordert, in einem Formblatt eine Selbsteinschätzung zu treffen, ob die Corona-Soforthilfen in vollem Umfang gerechtfertigt waren oder ob ein Rückzahlungsbedarf besteht.