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Wenn der letzte Wille vom Amt geregelt wird
Friedrichshafen. Ein Töpfchen gelber Blumen steht neben der schwarzen Urne. Eigentlich müsste hier noch eine weitere Urne stehen, denn die schlichte Trauerfeier ist für zwei Verstorbene. Zwei Menschen, die sich zu Lebzeiten nicht kannten und doch „so viel gemeinsam hatten“, sagt Diakon Martin Rebmann in seiner Trauerrede. Beide lebten zuletzt sehr zurückgezogen in ihrer vermüllten Mietwohnung, in der sie Tage nach ihrem Ableben tot aufgefunden wurden.
In beiden Fällen gab es keine Angehörigen mehr, die den letzten Gang von Edgar M. und Dagmar G. regeln, die Beisetzung organisieren (wollen). In solchen Fällen verfügt die Kommune, in der der Mensch verstorben ist, die günstigste Form der Bestattung. So will es das Gesetz.
In solchen Fällen findet auch mal eine Trauerfeier für zwei sich fremde Menschen statt, was eigentlich sehr ungewöhnlich ist. Dass die Sitzreihen in der Aussegnungshalle am Friedhof Friedrichshafen nicht gänzlich leer bleiben, dafür hatte Diakon Rebmann gesorgt. Er machte Freunde, ehemalige Arbeitskollegen und Nachbarn ausfindig, um die Lebensläufe der beiden Verstorbenen für eine persönliche Ansprache zu recherchieren. Einige von ihnen kamen für den letzten Gang zum Grab. Zumindest für Edgar M.
Immer öfter müssen Kommunen die Bestattung veranlassen
Die Urne von Dagmar G. wurde bei einer Seebestattung in der Nordsee versenkt. Ihre Schwester hatte jahrelang keinen Kontakt mehr zu ihr. Sie schlug das Erbe aus, habe aber festgelegt, die Verstorbene auf die billigste Weise anonym beizusetzen, erzählt Martin Rebmann, der Dagmar G. mit ihren Problemen über viele Jahre begleitet hatte. Wenigstens eine Trauerfeier wollte er für sie halten, mit Musik und tröstenden Worten, und um das Seelenheil der Menschen bitten, die mehr Tiefen als Höhen durchlebten, sagt er.
Es gibt Hürden, Alleinstehenden den letzten Willen zu ermöglichen. Eine Schwierigkeit entsteht dabei durch das Bestattungsgesetz ( BestattG) von Baden-Württemberg. Die Paragrafen 30 und 31 darin regeln, dass jeder Verstorbene bestattet werden muss. Für die Kosten müssen die Angehörigen aufkommen. Wer das aus finanziellen Gründen nicht kann, kann einen Zuschuss beim Sozialamt beantragen, weshalb sie umgangssprachlich als Sozialbestattung bezeichnet werden. Im Bodenseekreis gab es diese Beihilfe für Angehörige im vergangenen Jahr bei insgesamt 30 Sterbefällen.
Nach welcher Reihenfolge sich Ehegatten, volljährige (Enkel-)Kinder oder Geschwister der Verstorbenen um die Bestattung kümmern müssen, ist ebenfalls geregelt. Nur: Immer öfter müssen Kommunen die Bestattung veranlassen. Die Gründe sind vielfältig.
2023 gab es in Friedrichshafen 218 ordnungsrechtliche Bestattungen
Entweder gibt es keine Angehörigen oder sie können nicht rechtzeitig erreicht werden. Manchmal weigern sich Angehörige auch, die Bestattung zu veranlassen. In diesen Fällen veranlasst und bezahlt das Ordnungsamt des Sterbeorts die Bestattung, nicht der Wohnort des Verstorbenen. „Das wissen viele Menschen aber nicht“, sagt Martin Rebmann. In Friedrichshafen gab es im vergangenen Jahr 18 solcher ordnungsrechtlichen Bestattungen, die Zahl steige tendenziell jährlich. Die Kosten für eine solche Bestattung durch die Stadt belaufen sich hier laut Verwaltung auf durchschnittlich 3200 Euro.
Wer sich also eine bestimmte Bestattungsart wünscht, sollte dies seinen Angehörigen oder nahestehenden Menschen mitteilen und im besten Fall auch schon die finanziellen Mittel dafür an entsprechender Stelle hinterlegen, rät Diakon Martin Rebmann. „Die Menschen denken oft: Ich habe ja genug Geld. Doch das ist oft nicht das Entscheidende.“ Er hat schon mehrfach erlebt, dass das Umfeld des Verstorbenen nach dem Tod nicht auf extra angespartes Geld zugreifen kann, weil der Nachlasse noch nicht geklärt ist.
“Deshalb finden viele Bestattungen nicht so statt, wie es sich der Verstorbenen gewünscht hat“, sagt Diakon Rebmann. Er berichtet von einem Mann, der von Amts wegen in einer gemeinschaftlichen Urnenkammer bestattet werden sollte, bis er Bekannte ausfindig machen konnte.
Die wussten von einem Grab im Friedwald, das der Verstorbene zu Lebzeiten gekauft hatte. „Nur so konnte der letzte Wille des Mannes verwirklicht werden“, sagt Martin Rebmann, der das als seine seelsorgerische Pflicht ansieht.
Lange Verfahrensdauer in den Nachlassgerichten
Dazu kommt es immer noch zu besonders langen Laufzeiten in den Nachlassgerichten. Im Februar hielt der Diakon die Trauerfeier für eine Frau ab, deren Urne erst ein dreiviertel Jahr nach ihrem Ableben beigesetzt wurde. „Bis dahin hatte das Nachlassgericht immer noch keine Entscheidung über das Erbe getroffen“, sagt Martin Rebmann. Da deshalb auch die Wohnung der Frau nicht aufgelöst werden konnte, musste aus der Erbmasse die Miete weitergezahlt werden. Bis das Vermögen aufgebraucht war.
Für Friedrichshafen ist hier das Amtsgericht Tettnang zuständig. Auf Anfrage bestätigt Wolfgang Rittmann, Direktor des Amtsgerichts, dass es bei den Verfahren teilweise sehr lange dauert. Die Gründe dafür seien vielfältig und reichen laut Rittmann zurück bis zur Notariatsreform aus dem Jahr 2018. Dann seien längerfristige Krankheiten und die Einführung der elektronischen Akte dazugekommen.
Die gesetzliche Betreuung endet mit dem Tod
Ein weiteres Problem betrifft Menschen, die einen gesetzlichen Betreuer haben. Die Betreuung endet mit dem Tod. Der Fürsorgeberechtigte kann sich also nicht mehr um die Beisetzung und den Nachlass im Sinne des Verstorbenen kümmern. Die Bestattungspflicht fällt danach trotzdem an die Angehörigen oder eben das Standesamt, das zunächst keinen Einblick in die Unterlagen und Wünsche des Menschen hat.
Diakon Rebmann spricht sich deshalb dafür aus, dass die gesetzliche Betreuung erst nach der Bestattung endet. Doch das müsste gesetzlich anders geregelt werden.
Mittlerweile könnten neue Eingänge beim Nachlassgericht theoretisch direkt bearbeitet werden, allerdings gebe es noch einen langen Rückstand von alten Fällen, erklärt Wolfgang Rittmann. Teilweise dauerte es bislang über ein Jahr, bis Nachlässe geklärt waren, mittlerweile nehme die Dauer ab.
Wenn dem Nachlassgericht eine Dringlichkeit dargelegt werde, könnte die Bearbeitung auch vorgezogen werden. Aber diese Gründe müsste natürlich jemand darlegen – jemand wie Diakon Rebmann.
Vorsorge für den Sterbefall
In der Regel verfügen Menschen über ihr Testament, wie sie beigesetzt werden möchten. Eine zweite Möglichkeit ist es, seine Wünsche bei Angehörigen, Nachbarn oder Freunden zu hinterlegen. Neben einer solchen Bestattungsverfügung können mit Bestattungsinstituten sogenannte Vorsorgeverträge abgeschlossen werden.
In solchen Fällen wird der Bestatter im Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer als Bevollmächtigter für die Beerdigung eingetragen. Das setzt voraus, dass die Finanzierung der Bestattung gesichert ist. Das kann eine Sterbegeldversicherung sein, ein Treuhandkonto oder das Erbe.