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Die Zukunft des privaten Rundfunks

LFK-Chef: „Der Nachwuchs schwindet und ist heiß umkämpft“

Der private Rundfunk feiert sein 40-jähriges Bestehen. Mit dem Aufkommen der Privatsender wurde 1986 die Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) gegründet. Wolfgang Kreißig ist seit 2017 ihr Präsident. Warum seine Einrichtung mehr Geld bräuchte und wie es um den Nachwuchs im Berufsfeld Medien bestellt ist, erörtert Kreissig im Interview mit dem Staatsanzeiger..

Der Jugendsender BigFM ist ein landesweites Angebot.

dpa/Andreas Arnold)
Staatsanzeiger: Herr Kreißig, der Rundfunk wurde schon oft totgesagt…

Wolfgang Kreißig: Das Radio ist ein sogenanntes „Nebenbei-Medium“, das vor allem gelegentlich während einer anderen Beschäftigung zuhause und im Auto genutzt wird und nach wie vor viele Anhänger hat. In den vergangenen Jahren ist der Markt durch digitale Angebote wie das Digital- oder Webradio und Musikplattformen wie Spotify oder durch neue Formate wie Podcasts diversifizierter geworden – damit ist auch der Konkurrenzdruck sehr groß geworden. Die Privatsender stehen vor der Herausforderung, alle Verbreitungswege und Plattformen bespielen zu müssen bei sukzessive sinkenden Werbeerträgen.

Finanziert sich das private Radio immer noch vornehmlich durch Werbung?

Das ist die Idee des kommerziellen Hörfunks, aber auch des Fernsehens. Die Veranstalter machen zwar auch Events und große Unternehmen wie Pro7/SAT1 haben zahlreiche digitale Nebengeschäfte. Dennoch sind die Sender wirtschaftlich nach wie vor von Werbeeinnahmen abhängig, weshalb die gesetzlichen Rahmenbedingungen in diesem Bereich von großer Relevanz sind. Die aktuell viel diskutierte Gesetzesinitiative des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, nach der an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel stark eingeschränkt werden soll, könnte mit Blick auf die ohnehin schon herausfordernde Wettbewerbssituation fatale Folgen für private Rundfunkveranstalter haben.

Wie viele private Sender gibt es im Land?

Es ist eine ganz wesentliche Aufgabe der LFK, die Rundfunklandschaft im Land so zu gestalten, dass ein vielfältiges Angebot verfügbar ist. Beim Radio ist das Land in zwölf Lokalsendegebiete aufgeteilt, jedes wird von einem Lokalsender bedient. Es gibt drei regionale Veranstalter und das landesweite Jugendangebot BigFM. Diesen Sendern wurden Frequenzen zugeordnet. Damit haben sie einen konkreten Versorgungsauftrag.

Was heißt das?

Diese Sender müssen lokale Informationen in ihrem jeweiligen Sendegebiet anbieten. Zusätzlich wurden in manchen Fällen, etwa in Stuttgart, weitere Frequenzen verfügbar gemacht und für Programme ausgeschrieben, die aufgrund ihrer Thematik und musikalischen Ausrichtung einen Mehrwert bieten. Dann gibt es zwölf nicht-kommerzielle Anbieter und vier Lernradios von Hochschulen, die von uns im größeren Maßstab finanziell gefördert werden. Im Fernsehbereich gibt es entsprechende Versorgungsaufträge und Zuweisungen an sieben Regionalsender.

Gibt es Besonderheiten der Baden-Württembergischen Rundfunklandschaft?

Jedes Bundesland hat unterschiedliche Strukturen. Wir meinen, dass wir in Baden-Württemberg mit unserer Struktur eine gesunde Medienlandschaft gestaltet haben, was die Anzahl der Sender angeht. Die Veranstalter kommen finanziell gut zurecht. Mit der Radio-Kombi hat sich eine gemeinsame Vermarktungsstruktur aller Hörfunkveranstalter etabliert, die sehr erfolgreich ist. Das heißt, wenn ich bundesweite Werbung buche, kann ich ganz Baden-Württemberg abdecken, alle profitieren. Das ist vorbildhaft.

Die LFK sorgt für die Einhaltung medienrechtlicher Vorgaben – durchkämmt ihr Team das Netz?

Die LFK ist nicht nur für den Rundfunk, sondern auch für die Telemedien, also Internet-Inhalte zuständig. Angesichts der Masse an Inhalten im Netz setzen wir hier auch KI ein. Das geht zwar nicht in allen Bereichen, aber bei Jugendschutzverstößen funktioniert es sehr gut. Freie Pornografie, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen oder volksverhetzende Inhalte – das findet die KI sehr zuverlässig. Die Medienanstalt in Nordrhein-Westfalen hat das Tool entwickeln lassen, mittlerweile setzen es alle 14 Medienanstalten ein.

Wie funktioniert das?

Das clevere daran ist, dass die KI fortwährend sucht und Ergebnisse auf einer Benutzeroberfläche sichtbar macht, auf die alle Medienanstalten Zugriff haben. Die Kolleginnen und Kollegen können einen Fall von dieser Liste herausgreifen und prüfen, ob es sich dabei wirklich um einen Verstoß handelt. Wenn ja, wird das strafbare Angebot aufbereitet und geht mit einem Dossier an das Bundeskriminalamt. Das ermittelt den meist anonymen Anbieter und reicht den Fall an die zuständige Staatsanwaltschaft weiter. Wir bekommen dann eine Info, wie das Verfahren ausgegangen ist und können anschließend zusätzlich ein medienrechtliches Verfahren führen und insbesondere die Löschung problematischer Inhalte veranlassen.

Sie bieten auch Seminare und Workshops an. Für welche Zielgruppen?

Medienkompetenz ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, wir wollen alle erreichen. Zum einen fördern wir Medienkompetenzangebote über Partnerschaften mit anderen Institutionen im außerschulischen Bereich. Zum anderen bieten wir eigene Fortbildungsveranstaltungen und entwickeln Konzepte zur Medienkompetenzvermittlung. So bieten wir zum Beispiel eine Seminarreihe an, in der es um Meinungsbildung im Netz geht oder wir haben eine Lern-App für Seniorinnen und Senioren programmieren lassen. Im Übrigen betreiben wir auch Forschung, etwa mit unseren jährlich publizierten Studien zur Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland.

Welche Chancen und Herausforderungen bringt das digitale Zeitalter mit sich?

Die privaten Rundfunkveranstalter stehen heute in direkter Konkurrenz zu den globalen Playern wie Netflix, YouTube oder Spotify – das ist ein ungleicher Wettbewerb. Chancen könnten hier im Einsatz von KI liegen. Man hofft, bestimmte Dinge, die sehr viel Zeit kosten, effizienter zu lösen, etwa Recherchen oder auch Werbevermarktung. Mit KI ist es mittlerweile möglich, automatisiert Werbespots zu erstellen. Oder man kann Stimmen von Moderatoren klonen, um sie in der Nachtschiene eines Radiosenders einsetzen zu können, was man natürlich mit dem jeweiligen Mitarbeitenden absprechen muss.

Können sich die Privaten das leisten?

Tatsächlich sind Investitionen in technische Innovationen mit hohen Kosten verbunden und die lokalen Veranstalter haben dafür oft nicht die Mittel. Als LFK hielten wir es für zielführend, Innovationen in den Sendern mit entsprechenden Förderprogrammen gezielt unterstützen zu können. Solche Fördermöglichkeiten müssen aber gesetzlich abgesichert sein, was aktuell noch nicht der Fall ist. Es reicht schon lange nicht mehr aus, wenn ein Sender seine Inhalte lediglich terrestrisch verbreitet. Rundfunkveranstalter müssen auch digitale Plattformen wie TikTok, Instagram oder Spotify bespielen, um ein möglichst großes Publikum zu erreichen.

Hat sich das Berufsbild sehr verändert?

Jeder macht mittlerweile alles, die Medienschaffenden arbeiten oft crossmedial. Die größte Herausforderung ist, die Nutzerinnen und Nutzer überall dort zu erreichen, wo sie Medieninhalte konsumieren. Ein weiteres Thema ist die Gewinnung von journalistischem Nachwuchs, der heiß umkämpft ist. Hier sehen wir einen intensiven Wettbewerb zwischen den Privaten und dem SWR, der deutlich besser bezahlt. Der Nachwuchs wird oft bei den Privaten ausgebildet und geht dann zum SWR. Das ist schwierig. Deshalb fördern wir Volontariate bei den Privaten, damit sie mehr junge Leute einstellen und für die Branche begeistern können.

Muss die Politik hier mehr tun?

Es wurde im Land schon einiges getan. Zum Beispiel wurden die bestehenden Frequenzzuweisungen für den Hörfunk bis 2032 verlängert, um Rechts- und Investitionssicherheit zu schaffen. Zudem gibt das Land seit 2020 pro Jahr 4,2 Millionen Euro aus Haushaltsmitteln der LFK, die abzüglich des eigenen Verwaltungsaufwands an die regionalen TV-Veranstalter weitergegeben werden. Gleichzeitig können wir mit den Rundfunkbeiträgen, die uns finanzieren, nicht in Inhalte investieren. Deshalb wünsche ich mir, dass wir technische Innovationen fördern und Impulse setzen können. Die Fördermöglichkeiten, die wir derzeit haben, lassen zu wenig Flexibilität zu. Wir müssen agiler handeln können, brauchen aber für unsere Arbeit auch mehr Geld. Nun wird aber der Rundfunkbeitrag, aus dem wir finanziert werden, vermutlich nicht erhöht, und wir haben auch keinen Inflationsausgleich bekommen. Von den möglichen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen würden, bekommen wir nicht 100 Prozent. Rund 40 Prozent davon gehen an den SWR. Angesichts der stark veränderten Rahmenbedingungen halten wir eine gesetzliche Anpassung des Vorwegabzugs zugunsten der LFK für dringend geboten.

Das Gespräch führte Eva Maria Schlosser

Rundfunk ist Ländersache

Rundfunk ist in Deutschland Ländersache. Dies gilt auch für die Aufsicht über den Rundfunk. Insgesamt gibt es in Deutschland 14 Medienanstalten, gegründet in den 1980er-Jahren. Die Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg nimmt verschiedene Aufgaben wahr, mit dem Ziel, den Medienstandort zu stärken, die Sender-Vielfalt zu sichern und den kompetenten Umgang der Bürgerinnen und Bürger mit Medien zu fördern. Die LFK plant die Verbreitungsgebiete und sorgt für die Einhaltung medienrechtlicher Vorgaben auch im Internet.

Wolfgang Kreißig, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation, wünscht sich für die Arbeit mehr Geld. Foto: Andreas Dalferth

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