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Interview: Carsten Gabbert

„Meine frühere Tätigkeit ist ein großer Vorteil“

Das Regierungspräsidium Freiburg ist für die Genehmigung von Cannabisclubs zuständig. Über das und die ersten Monate im Amt sprach Carsten Gabbert mit dem Staatsanzeiger.

Als Regierungspräsident in Freiburg ist Carsten Gabbert auch für die Genehmigung von Cannabis-Clubs zuständig. Foto: Isabelle Godbillon

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Staatsanzeiger: Sie sind 100 Tage im Amt. Was hat Sie am meisten überrascht?

Carsten Gabbert: So ganz groß waren die Überraschungen nicht, da  ich  schon zu wissen glaubte, wie   es  in einer großen Organisation zugeht. Aber die Vielfalt mit acht großen Themenfeldern war noch größer, als ich sie mir vorgestellt hatte. Noch immer lerne ich neue Bereiche kennen und sage mir mitunter: Wow, dafür sind wir auch zuständig.

Ihr Werdegang ist für einen Regierungspräsidenten ungewöhnlich. Sie waren nicht in der Landespolitik tätig und in keinem Ministerium oder einer anderen großen Behörde. Ist das ein Nachteil?

Das glaube ich nicht.  Natürlich führe ich jetzt ein sehr großes Haus mit einer eigenen Organisationsform. Aber in meinem beruflichen Werdegang hatte ich viel mit Verwaltungen zu tun und also ein Grundverständnis dafür. Es kann sogar ein Vorteil sein, wenn Sie sozusagen eine konstruktive Distanz zu so einer Struktur haben. Dann sehen Sie ab und an vielleicht Dinge, die man nicht bemerkt, wenn man aus dieser Struktur kommt und  nichts anderes kennt.

Sie waren 16 Jahre Bürgermeister von Schuttertal. Nun sind Sie als Regierungspräsident  Bindeglied zwischen dem Land und den Kommunen. Haben Sie besonderes oder sogar zu viel Verständnis für Anliegen der Kommunen?

Inhaltlich ist meine frühere Tätigkeit ein großer Vorteil. Bei uns gibt es acht Abteilungen. Als Bürgermeister hat man in Baden-Württemberg mit fast all deren Themen tagtäglich intensiv zu tun. Daher bin ich inhaltlich anschlussfähig. Ein Beispiel dafür: Wenn Sie selbst jedes Jahr drei ELR-Anträge gestellt haben, also für das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum, braucht Ihnen niemand mehr grundsätzlich dieses Förderprogramm zu erklären.

Aber Sie treffen nun in einer neuen Funktion auf Menschen, die Sie von einer anderen Rolle her kennen.

Ja, wir vergeben viele Fördermittel und es ist die Aufgabe der Bürgermeisterin und Bürgermeister, für ihre Kommune etwas davon an Land zu ziehen, etwa für Schulbauförderung und Ganztagsgrundschule. Die ELR-Runde ist gerade vorbei,  jetzt  kommt die Ausgleichsstockrunde. Diese Mittel zum Beispiel verteile ich ja nicht nach Gusto, da haben wir ein Regime mit festen Regeln, wofür ich auch sehr dankbar bin. Der Königsweg ist es, mit meinen Erfahrungen gute Entscheidungen zu treffen, die manchmal vielleicht einzelnen Gemeinden nicht so gefallen, aber für unseren Regierungsbezirk trotzdem richtig sind.

Am Montag war das RP Freiburg in den Tagesthemen, da Sie seit diesem Tag Anträge zu Anbauvereinen für Cannabis in ganz Baden-Württemberg annehmen. Wie viele Anträge sind eingegangen, mit wie vielen rechnen Sie in diesem Jahr?

Es gibt viele Anfragen und bisher rund 20 konkrete Anträge. Wir gehen in diesem Jahr von mehreren Hundert aus, übers ganze Land verteilt. Da es ein neues Verfahren ist, ist das schwer einzuschätzen.

Für die Überwachung ist dann das Regierungspräsidium Tübingen zuständig. Ist diese Aufgabenteilung sinnvoll?

J a, das glaube ich. Im Vorfeld haben wir genau geschaut, was die Kriterien sein könnten und welche Aufteilung Sinn ergibt. Eine dieser Überlegungen war, dass der Regierungsbezirk Freiburg sich dadurch auszeichnet, dass wir viel grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Frankreich und der Schweiz haben. Und sowohl aus der Schweiz, die eine ganz andere Drogenpolitik hat, als auch aus Frankreich kamen Anfragen, was genau wir denn eigentlich vorhaben. Einer meiner ersten Termine überhaupt hat mich auch deshalb zur Grenzpolizei nach Kehl geführt.

Und doch hat Tübingen die Zuständigkeit für die Überwachung der Cannabis-Clubs.

Das Regierungspräsidium Tübingen ist in der Marktüberwachung landesweit aufgestellt. Daher wäre es unglücklich, wenn aus Freiburg jemand zu einem Ortstermin etwa nach Heidenheim-Riedlingen fahren müsste, obwohl die Tübinger auf ihre bestehende Struktur zurückgreifen können. Das war der Grund für die Entscheidung, zumal wir keine Schnittstellenproblematik befürchten. Die Zusammenarbeit ist eng und gut.

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist Ihnen ein Anliegen und die Aufgabe des RP Freiburg. Wird das mit dem Elsass nicht schwieriger, angesichts der Wahlerfolge der Le-Pen-Partei dort?

Das wissen wir nicht. Jetzt muss man den zweiten Wahlgang abwarten. Auch gibt es im Rassemblement National sehr unterschiedliche Aussagen dazu. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist enorm wichtig und selbstverständlich geworden. Wenn das in eine andere Richtung gehen würde, wäre das unglaublich schade.

Zur Person

Seit 1. April ist Carsten Gabbert Regierungspräsident in Freiburg, Sitz des zweitgrößten der vier Regierungsbezirke Baden-Württembergs. In Lahr geboren, wurde er nach dem Studium und einigen Jahren in einem Software-Unternehmen 2004 Bürgermeister im nahe gelegenen Schuttertal. Dort wohnt der heimatverbundene 51-Jährige bis heute. Nachdem Gabbert, einer von wenigen grünen Rathauschefs landesweit, 2020 nicht mehr für eine dritte Amtszeit kandidiert hatte, wurde er als Berater tätig und unterstützte Verwaltungen bei der Digitalisierung, bis er Nachfolger von Bärbel Schäfer wurde.

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