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Verzierte Skelette aus dem 17. Jahrhundert sind für kurze Zeit zu sehen
Stuttgart/Ochsenhausen. Nach der Wiederentdeckung der spätantiken Katakomben in Rom im 16. Jahrhundert wurden zahlreiche Gebeine als die sterblichen Überreste frühchristlicher Märtyrer identifiziert. Der Besitz einer solchen Reliquie galt als Ausdruck einer besonderen Frömmigkeit und versprach vor allem Prestige.
Den Reliquienkult gab es vor allem in Bayern und Oberschwaben
Infolgedessen wurden vielfach Gebeine in die Klöster und Kirchen nördlich der Alpen überführt, wo sie eine besondere Verehrung erfuhren. Ein Schwerpunkt dieses Reliquienkultes lag in Bayern, Oberschwaben und im Allgäu. Die Gebeine der „Heiligen“ im oberschwäbischen Kloster Ochsenhausen sind mit Glassteinen geschmückt, ein prunkreiches Fantasiegewand umhüllt die Knochen. Ein Bild zum Gruseln, das sich da vor den eigenen Augen auftut.
Doch vor ein paar hundert Jahren waren sie begehrt, weil man sie für Überreste von Märtyrern hielt, die man quasi als geistliche Schutzschilde gegen die Reformation nach Süddeutschland überbringen ließ. Die „Heiligen Leiber“ von Kloster Ochsenhausen sind wertvolle Reliquien. Bis zum Sonntag, 14. Juli, werden die Abdeckungen der Glassarkophage entfernt, in denen sich die Reliquien befinden. Diese sind allesamt in kostbare barocke Gewänder gehüllt und mit fein gefertigten Klosterarbeiten geschmückt.
Im Jahr 2024 jährt sich ihre Überführung in die Klosterkirche zum 400. Mal. „Die Gebeine der Heiligen sind ein wichtiges religiöses und kulturelles Zeugnis. Sie spiegeln die Glaubenspraxis wider und dokumentieren darüber hinaus die Verbindung, die von Ochsenhausen nach Rom bestand“, sagt Christian Katschmanowski, Konservator der Region Bodensee / Oberschwaben bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg.
Dass die oberschwäbische Benediktinerabtei in den Besitz der Heiligen Leiber gelangte, war ein Glücksfall: Pater Placidus Spieß aus Kloster Ochsenhausen freundete sich bei seinem Studium an der Universität Freiburg mit Franz Chullot an.
„Dieser besorgte in Rom Heilige Leiber für sein Heimatkloster St. Blasien und brachte auch den Benediktinern in Ottobeuren und Ochsenhausen Reliquien“, schreiben die Staatlichen Schlösser und Gärten dazu. So kamen drei der heute vier Heiligen – die Gebeine von Innozenz, Maximus und Emerentiana – 1624 ins Kloster Ochsenhausen. Die Heilige Justina wurde allerdings erst im Jahr 1691 überführt, sie war ein Geschenk des Kapuzinerordens.
Die Heiligen Leiber erfüllten für Jahrhunderte eine wichtige Funktion für die Gläubigen. „Das ganze Mittelalter hindurch und erst recht im Zeitalter der Katholischen Reform trachtete man, heilige Gebeine zu erhalten. Sie galten als Träger göttlicher Gnade und Kraft und erfüllten auch einen pädagogischen Zweck, um das religiöse Leben in den Klöstern Oberschwabens zu entfalten“, sagt Pater Johannes-Baptist (Schmid), Administrator der Seelsorgeeinheit St. Benedikt Ochsenhausen.
Die Bedeutung der Reliquien wurde schon bei der Überführung der Gebeine im Rahmen einer Prozession deutlich: Ab Tannheim, das damals zur Klosterherrschaft Ochsenhausen gehörte, trugen vier Männer die Reliquien mit Kreuz und Fahnen. Schützen und zahlreiche Gläubige begleiteten den feierlichen Prozessionszug.
Ende des 17. Jahrhunderts wurden die Skelette eingekleidet
„Mehr als 5000 Menschen begrüßten die Ankunft der Reliquien in Ochsenhausen, wo sie auf den Seitenaltären der Klosterkirche verehrt wurden“, heißt es weiter. Um die kostbaren Gebeine zu schützen, wurden sie während des Dreißigjährigen Krieges in unterirdischen Gewölben versteckt. Ende des 17. Jahrhunderts wurden die Skelette dann von Gutenzeller Schwestern eingekleidet. Die heutige Fassung stammt aus späterer Zeit, nämlich von den Ennetacher Schwestern aus dem Jahr 1749.