Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Staatspreis Baukultur

Genussmanufaktur in Urlau: Doppelter Erfolg für ein Bürgerprojekt aus Leutkirch im Allgäu

Die Allgäuer Genussmanufaktur ist die große Siegerin beim alle vier Jahre vergebenen Staatspreis Baukultur. Die Bürgergenossenschaft, die im Leutkircher Stadtteil Urlau eine ehemalige Brauerei zu einem Haus für Lebensmittel- und Kunsthandwerker umgebaut hat, gewann in der Kategorie Mischnutzung und erhielt zudem den erstmals vergebenen Publikumspreis.

Durch den Umbau einer alten Brauerei zur Genussmanufaktur gibt es in Urlau wieder Lebensmittel zu kaufen. Foto: Allgäuer Genussmanufaktur

Stuttgart. Auch Architekturpreise gehen manchmal mit der Zeit. Weil das Thema graue Energie, die in Gebäuden gebunden ist und das auch aus Klimaschutzgründen so bleiben sollte, die Bauwerke in den Fokus gerückt hat, wurde der baden-württembergische Staatspreis Baukultur bei seiner dritten Auflage kurzerhand umbenannt. „Umbaukultur BW 2024“ heißt er auf dem offiziellen Logo. Und beim Großteil der 27 Projekte, die es in neun Kategorien in die Endauswahl geschafft hatten, steht der Umbau, die Sanierung bestehender Bausubstanz im Mittelpunkt, auch wenn nicht alle auf ergänzende Neubauten verzichtet haben.

Exemplarisch für das, was die Jury des Staatspreises und auch Baden-Württembergs Bauministerin Nicole Razavi (CDU) als Umbaukultur verstehen, ist beispielsweise die Allgäuer Genussmanufaktur. In Urlau, einem Stadtteil von Leutkirch im Kreis Ravensburg, wurde eine leerstehende, ehemalige Brauerei, die kurz vor dem Abriss stand, zu einer Mischung aus Handwerkerhof und Dorfzentrum umgebaut. Für das Projekt wurde eine Genossenschaft als Träger gegründet. Die hat, wie Christian Skrodzki, einer der Initiatoren und ehrenamtlicher Vorstand bei der Preisverleihung, sagte, inzwischen über 1000 Mitglieder, darunter viele Bürger, aber auch Unternehmen und Kunsthandwerker, die ihre Ateliers in der Genussmanufaktur haben.

Knappes Budget trägt zu Erhalt der alten Bausubstanz bei

Die Jury überzeugte nicht nur das bürgerschaftliche Engagement und das Nutzungskonzept. Das beschert dem Dorf neben den Kunsthandwerkern auch nach langer Zeit wieder eine Nahversorgung mit Lebensmittelladen und Café sowie einen Veranstaltungssaal. Gewürdigt wurde auch, dass beim Umbau von der originalen Bausubstanz Vieles innen wie außen nahezu unverändert erhalten wurde. Das ist indes weniger aus einem architektonischem Anspruch heraus entstanden, sondern Folge des knappen Budgets, wie Skrodzki verriet. Denn die Genossenschaft hatte nur etwa 1,4 Millionen Euro zur Verfügung, was Umbaukosten von 1250 Euro pro Quadratmeter entspricht.

Auf teure Haustechnik wurde deshalb verzichtet, die Fassade weitgehend im ursprünglichen Zustand belassen und die Leitungen auf Putz verlegt, um die Kosten für den Umbau zu senken. Neu installiert wurde allerdings eine Photovoltaikanlage auf dem Dach.

Razavi: Wirtschaftlichkeit gehört zur Baukultur dazu

Durch den nicht ganz freiwillig gewählten Low-Cost-Ansatz erfüllt das Leutkircher Projekt auch ein Kriterium für Baukultur, das Bauministerin Razavi in ihrer Eröffnungsrede postulierte. Baukultur bedeute nicht nur, ästhetische, städtebauliche und nachhaltige Aspekte zu berücksichtigen, sondern auch die Wirtschaftlichkeit. „Baukultur ohne Wirtschaftlichkeit wäre wie ein Zug ohne Schienen“, erklärte die CDU-Politikerin.

In den Begründungen der Jury für die Staatspreise blieb die Frage der Wirtschaftlichkeit allerdings meist offen. Das Gremium, das aus Architekturfachleuten und Politikern, darunter Vertretern aller Landtagsfraktionen, bestand, stellte je nach Kategorie gestalterische, städtebauliche und/oder funktionale Kriterien für die Auswahl in den Mittelpunkt.

Zahl der Staatspreise steigt bei jeder Verleihung

Vergeben wurde der Staatspreis in diesem Jahr in neun Kategorien, das ist eine mehr als 2020. Zum Start des Staatspreises Baukultur waren es noch sieben offizielle Kategorien gewesen. Beworben hatten 235 Bauprojekte.

Hinzu kam erstmals der Publikumspreis, der durch eine Online-Abstimmung ermittelt wurde. Daran haben sich nach Angaben des Bauministeriums 3500 Menschen beteiligt, die knapp zwei Monate lang aus den 27 Projekten auswählen konnten, die es in die Endauswahl geschafft hatten. Diesen soll es voraussichtlich auch bei der nächsten Runde des Staatspreises in vier Jahren erneut geben, wie Bauministerin Razavi andeutete.

Die Gewinner des Staatspreises 2024

Städtebau und Stadtentwicklung: Weiterentwicklung der Großwohnsiedlung Weingarten-West in Freiburg Infrastruktur- und Ingenieurbau: Neubau der sieben unterirdischen Stadtbahnhaltestellen in Karlsruhe

Wohnungsbau: Beznerturm in Ravensburg. Umbau eines ehemaligen Verwaltungsgebäudes Bauen für die Gemeinschaft: Kulturbahnhof Aalen. Kulturelles Stadtteilzentrum in der Brandruine eines ehemaligen Bahnhofs

Mischnutzung: Allgäuer Genussmanufaktur Leutkirch

Gewerbe- und Industriebau: Umbau und Sanierung der denkmalgeschützten Reithalle Achern Bauen für Bildung und Forschung: Sanierung und Erweiterung der Achert-Schule Rottweil

Öffentliche Räume, Grün- u. Freiräume: Neugestaltung des Seelesplatzes in Herrenberg

Prozess und Initiative: selbstverwaltetes und mit viel Eigenleistung gebautes Wohnprojekt Collegium Academicum Heidelberg

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 189 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesermeinungen

Bitte loggen Sie sich ein, um zu kommentieren.

Lesen Sie auch