SPD fordert konsequenten Abschied vom Papier

Weshalb geht es bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung nicht voran? Weil der Mut fehlt, einen klaren Schnitt zu machen: weg vom Papier, hin zum Digitalen. Dies zumindest fordert die SPD.

Papierakten, da sind sich alle einig, sind nicht mehr zeitgemäß. Doch wie schafft man die Digitalisierung der Behörden?

dpa/Patrick Pleul)

Stuttgart. Ein Drittel der Beschäftigten in den Behörden geht in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand – und ausreichend Nachwuchs ist nicht in Sicht. Wie lässt sich vor diesem Hintergrund die öffentliche Verwaltung organisieren?

Deutlich komplexere Aufgaben mit deutlich weniger Personal erledigen

Darauf hat Daniel Karrais, Digitalisierungsexperte der FDP, eine spannende Antwort. Seiner Ansicht nach lassen sich alle Aufgaben mit 80 Prozent des Personals erledigen – in 80 Prozent der Zeit. Voraussetzung: Die Behörden werden endlich digitalisiert. Da sieht der Liberale dringenden Handlungsbedarf.

Mit dieser Kritik steht Karrais nicht allein. Jonas Hoffmann (SPD) sagte in der von den Liberalen beantragten Debatte am Donnerstag im Landtag: „Wir müssen deutlich komplexere Aufgaben mit deutlich weniger Personal bewältigen.“ Dazu brauche es eine „gute Digitalisierung“. Doch derzeit sei noch das Gegenteil zu beobachten. Wenn man für einen digitalen Personalausweis das Digitalfoto ausdrucken müsse, damit dieses in den Behörden eingescannt wird, „dann ist das doch eigentlich skurril“.

Der Wechsel von der analogen zur digitalen Welt könne nur gelingen, wenn die öffentliche Verwaltung darauf verzichte, neben dem digitalen auch noch den Papierantrag anzubieten. Ansonsten brauche man doppelte Ressourcen und doppeltes Personal. Bürger, die damit überfordert seien, sollten von den Behörden an die Hand genommen werden.

40 Prozent der Tätigkeiten in der Verwaltung ließen sich automatisieren, ergänzte FDP-Experte Karrais. Dass es bislang viel weniger sind, hat seiner Ansicht nach auch damit zu tun, dass die Idee, dass eine Kommune einen Prozess entwickelt und dieser von allen anderen übernommen wird, gescheitert sei. Deshalb müsse Schluss sein mit Laissez-faire: Das Land müsse Führung zeigen und einheitliche Standards vorgeben.

Außerdem fordert Karrais dazu auf, Kompetenzen in einzelnen Behörden zu konzentrieren. Wenn jedes Landratsamt „eine kleine untere Naturschutzbehörde hat, stehen wir uns selbst im Weg“, sagte er. Damit stellt er den Sinn der Verwaltungsreform von 2005 infrage: Damals wurden 350 Sonderbehörden abgeschafft; die meisten wurden in die Landratsämter eingegliedert. Der damalige Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) hatte mit der „Effizienzrendite“ argumentiert: So ließen sich 20 Prozent der Kosten einsparen.

Die Regierungsfraktionen verteidigten dagegen das Erreichte. Baden-Württemberg stehe in einer aktuellen Bitkom-Studie auf Platz zwei der Flächenländer, noch vor Bayern, sagte Peter Seimer (Grüne). Ansgar Mayr (CDU) betonte, dass das neue, von der Union mitgestaltete Online-Zugangsgesetz dafür sorge, dass endlich auch behördeninterne Prozesse digitalisiert würden und nicht nur die Schnittstellen zum Bürger.

24 000 Beschäftigte in 213 Behörden arbeiten inzwischen mit E-Akte

Innenstaatssekretär Thomas Blenke (CDU) sagte, dass das Land in Sachen Künstliche Intelligenz bundesweit Vorreiter sei. Das Tool F13 solle zu einer Vollversion weiterentwickelt werden. Davon könnten dann auch die Kommunen profitieren.

Die Einführung der E-Akte sei ein Mammutprozess gewesen, der sich nach vier Jahren dem Ende nähere. Inzwischen arbeiteten 24 000 Beschäftigte in 213 Behörden damit. Blenke kritisierte die FDP: „Sie blasen sich hier gerne auf und sagen, wie es geht, aber im Bund tut sich dann nichts.“ Dem widersprach Karrais.

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