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Angebote machen, statt betriebsbedingt kündigen
FREIBURG . „Wir verzeichnen bei neuen Baukrediten einen Rückgang von 50 bis 60 Prozent“, erklärte Matthias Neht, der neue Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg ist auf dem Sparkassentag in Freiburg. Der Wohnungsbau sei in der Krise. Die Zurückhaltung der Kunden bekommen derzeit viele Bau- und Handwerksunternehmen zu spüren. Kürzlich ließ der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie wissen, man rechne in der Branche mit dem Abbau von rund 10.000 Jobs allein noch dieses Jahr.
Auch in anderen Branchen wackeln Arbeitsplätze. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) spricht davon, dass die Zahl der freien Stellen in Deutschland binnen Jahresfrist um zehn Prozent zurückgegangen sei. Das IAB-Arbeitsmarktbarometer ist im Mai in den negativen Bereich gedreht: Für die Experten ein Signal, dass die Arbeitslosigkeit bald ansteigen könnte.
Maßnahmen zum Personalabbau sollten gut kommuniziert werden
Unternehmen reagieren bei nachlassender Nachfrage und sinkender Auslastung – wenn es nicht mehr anders geht – meist mit Personalabbau. „Welchen Weg auch immer ein Arbeitgeber beschreitet – ohne angemessene, verantwortungsbewusste Kommunikation kann das Ganze sogar zum Eigentor werden“, warnt Gaby Doll, Partnerin bei der Management- und Personalberatung Liebich & Partner in Baden-Baden und Expertin für Outplacement.
Zunächst geht es darum, sich die verschiedenen Optionen zur Reduzierung des Personals vor Augen zu führen. Die betriebsbedingte Kündigung drängt sich zunächst als Mittel der Wahl auf. Dabei liegt der Kündigungsgrund nicht in der Person des Arbeitnehmers begründet, sondern eben im Anpassungsdruck, der plötzlich auf das Unternehmen einwirkt.
„Doch es muss einen Grund für die Kündigung und die Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter geben, und ein vorhandener Betriebsrat muss in den Prozess involviert werden“, erklärt dazu Rechtsanwalt Wolfgang Gosch aus Schwetzingen. Bei Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten kann es, wenn mehrere Stellen abzubauen sind, dazu kommen, dass eine meldepflichtige Massenentlassung vorliegt und ein Sozialplan erstellt werden muss.
Weil es viele Fehlerquellen gibt, haben es betroffene Arbeitnehmer zudem leicht, sich per Kündigungsschutzklage erfolgreich zu wehren. Am Ende kann das sehr teuer für das Unternehmen werden, weil Abfindungen zu zahlen sind und sich der Personalabbau in die Länge zieht. Scheitert eine Kündigung, kann zudem Annahmeverzugslohn anfallen. Der Arbeitgeber muss betroffenen Arbeitnehmern wegen also Entgelt zahlen für die Zeit, in denen sie unwirksam gekündigt waren.
Arbeitszeitverkürzung wird oft als positiv empfunden
Eine Alternative zu Kündigungen sind Freiwilligenprogramme, wie sie etwa beim Walldorfer Softwarekonzern SAP eingeleitet hat. Der Konzern setzt auf ein solches Instrument und will so betriebsbedingte Kündigungen vermeiden. Die Abfindungen sind so großzügig, dass viele Mitarbeiter bereit sind, das Unternehmen zu verlassen. Der Betriebsrat schätzt, dass rund 2600 Mitarbeiter in Deutschland das Angebot annehmen werden.
Bei der Ausgestaltung solcher Anreize gibt es viel Gestaltungsraum. Denkbar sind neben der Abfindung zusätzliche Leistungen wie Outplacement-Beratungen oder Weiterbildungen. Die heikle Sozialauswahl und Prozessrisiken reduzieren sich damit erheblich. Der Arbeitgeber kann ferner durch entsprechende Angebote und Anreize recht gut steuern, wer das Unternehmen am Ende verlässt.
Sozialverträglich und von Mitarbeitern häufig sogar als positiv empfunden ist eine Arbeitszeitverkürzung. Eine gesetzlich abgesicherte vorübergehend angeordnete Kurzarbeit gehört ebenso zur Lösung wie das Angebot von Sabbaticals, einer befristeten unbezahlten Auszeit vom Job. Beliebt sind ebenso auch Angebote für einen vorgezogenen Ruhestand. Volkswagen will so etwa seine Personalkosten in der Verwaltung bis 2026 um 20 Prozent senken. Dafür setzt der Autobauer vor allem auf zwei Elemente: Altersteilzeit und Aufhebungsverträge. Bis 2026 hat der Wolfsburger Konzern für den Abbau über Aufhebungsverträge rund 900 Millionen Euro zurückgestellt.
Konzerne kooperieren und tauschen Mitarbeiter aus
Ein Vorbild wie Stellenabbau auch anders gehen kann, bieten der Autozulieferer Continental und der Rüstungskonzern Rheinmetall. Continental ist von der Transformation hin zur Elektromobilität betroffen und muss Stellen abbauen. Der Düsseldorfer Rüstungskonzern sucht dagegen wegen guter Auftragslage mehr qualifiziertes Personal. In einem ersten Schritt haben die Konzerne vereinbart, dass Rheinmetall rund 100 Mitarbeiter vom Continental-Standort im niedersächsischen Gifhorn für seine neue Artilleriefabrik in Unterlüß übernimmt. Ein Modell, dass Schule machen könnte.
Betroffene Mitarbeiter bei der Stellensuche unterstützen
Arbeitgeber können betroffenen Mitarbeitern den Übergang in eine neue berufliche Herausforderung per Outplacement erleichtern. Dabei finanzieren sie ihnen eine Beratung zur beruflichen Neuorientierung und Stellensuche. Outplacement kann sowohl für Einzelpersonen als auch für Gruppen angeboten werden. Das bietet Arbeitgeber Vorteile, allen voran eine sozialverträgliche Trennung, die das Risiko von Rechtsstreitigkeiten reduziert.