„Wir müssen im privaten Wohnungsbau neue Dynamik erzeugen“
Freiburg . „Otto Normalverbraucher nimmt aktuell kein Geld in die Hand, um in Wohneigentum zu investieren, weil es sich aktuell nicht mehr lohnt“, sagte Razavi vor Journalisten auf dem Sparkassentag in Freiburg. „Wir haben bei den Bauanträgen einen Einbruch in einer Größenordnung von 30 Prozent. Zugleich sind die Kredite an Bauwillige wie die Sparkassen in Baden-Württemberg melden um 50 bis 60 Prozent zurückgegangen“, so die Wohnungsministerin.
Razavi plädiert weiterhin für Senkung der Grunderwerbsteuer
„Meine große Sorge sind die Projekte, die augenblicklich nicht begonnen werden. Die werden uns künftig fehlen.“ Die Landesregierung hat in ihrem Doppelhaushalt eine Fördersumme von einer Milliarde Euro für den sozialen Wohnraum zur Verfügung gestellt. „Das ist doppelt so viel wie vor meinem Amtsantritt.“ Doch allein die Förderung reiche Razavi zufolge nicht aus. „Was wir tun müssen, ist, den frei finanzierten Wohnungsbau wieder in Schwung zu bringen.“ Weit über 95 Prozent der gebauten Wohnungen seien privat finanziert. Razavi forderte private Bauwillige zu unterstützen. Dafür plädierte sie erneut, eine Senkung der Grunderwerbsteuer in Betracht zu ziehen. Ihr Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) allerdings verweigert sich bisher an dieser Stelle.
Daher will Razavi auch gegen die Bürokratie vorgehen, die das Bauen verteuert. „Um wieder eine neue Dynamik erzeugen, müsse alles auf den Prüfstand, was das Bauen, Sanieren und Wohnen erschwert, verteuert und ausbremst“, sagte sie. „Wir haben uns angewöhnt, jeden Einzelfall, jedes Detail mit einer Verordnung oder Vorschrift zu regeln und schnüren uns in unseren Spielräumen ein. Manches Regelwerk ist durchaus gut gemeint. Aber wir machen es uns unnötig schwer.“ Razavi nannte Beispiele wie das Verbandsklagerecht, den Datenschutz und die Bürgerbeteiligung in der Bauleitplanung. „Wir brauchen den Mut alte Zöpfe abzuschneiden und den Paragraphendschungel zurechtzustutzen. Hier muss die Politik liefern.“
Ministerin will Bauantrag und Genehmigungsverfahren digitalisieren
Liefern will sie jedenfalls bei der Digitalisierung des Bauantrags und des Genehmigungsverfahrens. Das komplette Genehmigungsverfahren von A wie Antragsstellung bis Z wie Zustellung soll voll digital werden. Nach Vorstellung Razavis soll die Bearbeitung eines Bauantrags in einem virtuellen Vorgangsraum erfolgen, in dem Antragsteller, Planer und die Mitarbeiter in der Baurechtsbehörde zeitgleich an einem Bauantrag arbeiten können. „Das soll Planer und Bauherren ebenso wie die Mitarbeiter in den Bauämtern entlasten“, erklärte sie.
Zudem will Razavi die Landesbauordnung novellieren, um das Bauen zu beschleunigen. Etwa mit einer Genehmigungsfiktion. Heißt: Ein Bauantrag, der nicht spätestens nach drei Monaten genehmigt oder abgelehnt ist, gilt automatisch als genehmigt, ohne, dass das Bauamt den Antrag bearbeiten muss. „Das verbessert die Planbarkeit für die Bauvorhaben“, hofft Razavi. Zudem will sie das Widerspruchsverfahren abschaffen. „Die zeitintensive Extraschleife bei Streitfällen können wir uns sparen, das wird zu deutlich mehr Tempo führen.“ Und die Ministerin versprach: „Wir durchforsten, welche Standards zwingend notwendig sind und auf welche wir verzichten können.“
Sparkassenpräsident Neth: Leitzinssenkung der EZB löst die Grundfrage des Bauens nicht
Könnte nicht auch die Zinssenkung der Europäische Zentralbank (EZB) dem lahmenden Wohnungsbau wieder Auftrieb geben? Erst vergangene Woche hatte sie zum ersten Mal seit rund fünf Jahren den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte gesenkt: auf nun 4,25 Prozent. Der neue Sparkassenpräsident, Matthias Neth zeigte sich da skeptisch. „Der Zinssenkungsschritt der Europäischen Zentralbank ändert vielleicht hinter dem Komma etwas, aber er löst die Grundfrage des Bauens nicht“, sagte er. „Es sind nicht die Konditionen, die das Bauen erschweren. In der Vergangenheit hatten wir Zinskonditionen von acht bis zwölf Prozent gesehen. Das waren ganz andere Fragestellungen.“ Mit dem aktuellen Zinsniveau könne man gut bauen, es seien vielmehr andere Dinge, die das Bauen erschweren wie die Bürokratie und fehlende Bauflächen. Zudem gebe es gerade bei den Bauträgern eine Verunsicherung. Ein Zinsschritt von 0,25 Prozent werde nicht helfen diese Verunsicherung aus dem Markt zu nehmen.