Gemeinderatswahl 

Zersplitterung in Großstädten geht weiter 

Der Bundestrend zeichnet sich auch in den neun Großstädten im Südwesten ab. Alle Ampel-Parteien büßen bei der Gemeinderatswahl Stimmen ein, CDU und AfD gewinnen hinzu. Sorge bereitet den Städten die Zersplitterung der Gremien.

Viele Gruppierungen und Parteien erschweren die Arbeit in den Gemeinderäten. Besonders in Pforzheim ist das Gremium zersplittert.

dpa/imageBROKER/Manuel Kamuf)

Stuttgart. Nach der Kommunalwahl 2019 führten die Grünen in sieben von neun Großstädten den Gemeinderat an. 2024 bleiben davon noch vier übrig. In allen Großstädten verliert die Partei Stimmen, und in drei Räten der Kommunen über 100 000 Einwohnern ihre Spitzenposition bei der Wählergunst an die CDU: in Stuttgart, Mannheim und Reutlingen.

In den grün-dominierten Uni-Städten kann die Partei den ersten Platz mit Verlusten verteidigen. In Ulm muss die Partei ein Minus von rund sieben Prozentpunkten im Vergleich zu 2019 verkraften. Auch in Karlsruhe (minus 4,4 Prozentpunkte), Heidelberg (minus 5,5) und Freiburg (minus 2,7) verzeichnen die Grünen Stimmenverluste.

Zugewinne fährt dagegen die CDU in den Großstädten ein, die in vier Gremien das beste Ergebnis vorweist. Außer in Freiburg sind die Christdemokraten ansonsten die zweistärkste Kraft.  Die Partei kann in acht Städten, außer in Heidelberg, ihr Ergebnis der vergangenen Kommunalwahl leicht um jeweils rund einen Prozentpunkt verbessern. Der größte Sprung gelingt den Christdemokraten in der Landeshauptstadt.

AfD erstmals stärkste Kraft in einem Großstadt-Gemeinderat

Allerdings kann die Partei nicht mehr an vergangene Zeiten anknüpfen. Seit 1980 hat sie, ebenso wie die SPD, insgesamt an Stimmen bei den Gemeinderatswahlen verloren. Nur für die Grünen ging es stets bergauf. Dieser Trend wird 2024 wohl auch in der Fläche gestoppt werden, wie die vorläufigen Zahlen des Statistischen Landesamts zeigen (siehe Titelseite).

Aufwärts geht es für die AfD, die in allen Großstädten ihr Ergebnis von 2019 teils deutlich verbessern kann. Am größten ist das Stimmenplus in Mannheim, Heilbronn und Pforzheim – das sind gleichzeitig die Großstädte mit der niedrigsten Wahlbeteiligung, Pforzheim ist hier Schlusslicht mit 46 Prozent.

Wo dagegen viele Bürger ihre Stimme abgaben, kann die Rechtsaußen-Partei sich nur leicht verbessern: In Freiburg (die Stadt mit der höchsten Wahlbeteiligung von 66,9 Prozent) und Heidelberg (65,88 Prozent). Wie schon 2019 kristallisieren sich für die kommunale AfD zwei Hochburgen heraus: In Pforzheim wird die Alternative für Deutschland erstmals stärkste Kraft in einem Großstadt-Gemeinderat im Südwesten. Mit 22 Prozent löst sie dort die CDU ab, die in der Goldstadt seit 2014 stark an Stimmen verloren hat, von damals 30 Prozent landen die zweitplatzierten Christdemokraten nun mit einem leichten Plus im Vergleich zu 2019 bei 20,8 Prozent.

Der Bundestrend zeichnet sich bei den übrigen Ampel-Parteien ab

In Heilbronn kann die AfD ebenfalls stark aufholen und wird nach der CDU (23,59 Prozent) zweitstärkste Kraft mit 15,93 Prozent und verdrängt damit die Grünen von dieser Position. Auch hier geht das Stimmenplus mit einem Minus der Christdemokraten einher.

Der Bundestrend zeichnet sich bei den übrigen Ampel-Parteien ab – gerade in den Großstädten, wo die Parteifarbe eine größere Rolle spielt als in kleineren Kommunen. Die SPD verliert je ein bis zwei Prozentpunkte, das aber in acht der neun größten Südwest-Kommunen. Nur in Ulm gelingt den Sozialdemokraten ein Plus im Vergleich zur Wahl 2019 von 1,5 Prozentpunkten.

In Freiburg kann die SPD trotz eines kleinen Verlusts ihren zweiten Platz verteidigen. Ähnlich ergeht es den Liberalen. Sie verlieren leicht in allen der neun größten Gemeinderäten im Land – am stärksten in Pforzheim und Heilbronn.

Die Mehrheitsfindung dürfte schwieriger werden

Nicht leichter dürfte die Mehrheitsfindung in vielen Gremien werden. Die Zersplitterung durch kleine Parteien, Gruppierungen und Einzelräte schreitet voran. In Pforzheim und Freiburg werden künftig 17 Listen vertreten sein, in Stuttgart und Heidelberg sind es 14, in Ulm 15. In Heilbronn steigt die Zahl der Parteien und Gruppierungen von acht auf elf.

Die Entwicklung zeigt sich in den neuen Kleinstparteien, die oft nur mit wenig Personal im Gemeinderat vertreten sind: Die Volt-Partei in Stuttgart, Karlsruhe, Heidelberg und Freiburg und das Team Todenhöfer in Pforzheim. Die Satirepartei „Die Partei“ schafft den Sprung in sieben von neun Großstädten mit je einem Sitz und in Mannheim erringt die Tierschutzpartei einen Platz.

In Heilbronn wird künftig die Migrantenliste „Wir für unser Heilbronn“ mit einem Sitz im Gemeinderat dabei sein, in Heidelberg die Impfgegner der „Initiative für Demokratie und Aufklärung“. Die meisten Einzelmandate gibt es in Pforzheim mit zehn von insgesamt 40 Sitzen, gefolgt von Freiburg (48 Sitze) und Ulm (40 Sitze) mit je sieben.

„Das Ehrenamt stößt an seine Grenzen“

Der Städtetag sieht eine Ursache für die Zersplitterung im Auszählverfahren der Stimmen für die Gemeinderatswahl. Es würde kleinere Listen bevorzugen. „Wir halten eine Modifizierung des Kommunalwahlrechts daher für dringend geboten“, so Ralf Broß, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags.

„Schon die ersten Rückmeldungen auf unsere Wahlumfrage bestätigen es: Der bereits bei vergangenen Wahlen festgestellte Trend zur Zersplitterung der Gemeinderäte in immer mehr Fraktionen, Gruppierungen und Einzelpersonen hat sich bei dieser Wahl fortgesetzt“, erklärt Broß. Damit werde die Gemeinderatsarbeit für die Ratsmitglieder und für die Stadtverwaltungen noch komplexer und aufwendiger. Ratssitzungen würden sich verlängern, weil es mehr Wortmeldungen gebe. Die Ratsmitglieder würden dadurch zeitlich noch mehr belastet. „Das Ehrenamt stößt an seine Grenzen“, so Broß. Das schränke die Handlungsfähigkeit der Städte ein, denn bei wichtigen Entscheidungen spiele der Faktor Zeit oft eine große Rolle.

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