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Essay

Die Polizei braucht den Rückhalt aus Gesellschaft und Politik

Die Anteilnahme am Tod des Polizisten Rouven Laur ist groß, so auch die Solidarität mit der Polizei. Es bleibt zu hoffen, dass der Rückhalt bleibt. Denn wenn der Respekt vor dem Gewaltmonopol des Staates verloren geht, sind wir alle in der Verantwortung.

Der Ort an dem Rouven Laur tödlich verletzt wurde als er den Angreifer von Michael Stürzenberger stellen wollte. Bevölkerung, Polizei und Politik zeigen sich erschüttert und verletzt, die Anteilnahme ich groß und so ist am Tatort auf dem Marktplatz ein Blumemeer entstanden.

dpa/Daniel Kubirski)

Die Anteilnahme am Tod des Polizisten Rouven Laur ist groß. Bundesweit beteiligten sich am vergangenen Freitag Polizisten, der Rest der „Blaulichtfamilie“, Politiker und zahlreiche Bürger an der Schweigeminute, zu der das Innenministerium aufgerufen hatte. Die Anteilnahme ist groß. Die Bilder der vielen Menschen, die trauern, mitfühlen, es nicht fassen können, bewegen. Das Internet ist voller schwarzer Schleifen und tröstender Worte. Ein junger Mensch verlor sein Leben im Dienst für uns alle, für die Demokratie, für den Staat.

Die Brutalität des Angreifers lässt viele verstört zurück. Ebenso verstören diejenigen, die den Messerangriff in Mannheim nun gar noch verherrlichen. Man rückt zusammen, um das Unfassbare zu verarbeiten. Der Zusammenhalt eines großen Teils der Bevölkerung tut gut, die Solidarität mit der Polizei auch. Zu befürchten ist jedoch, dass die Anteilnahme rasch verhallt und damit auch wieder der Rückhalt für die Polizei.

Die Polizei gerät zu oft und zu schnell in die Defensive

Doch gerade Rückhalt ist es, den die Polizei gerade in Zeiten wie diesen benötigt. Von der Gesellschaft, aber auch und gerade von der Politik. Parteiübergreifend. Die Polizei hat das Gewaltmonopol des Staates inne. Doch angesichts so mancher Diskussion stellt sich doch die Frage, wie konsequent auch der Staat, die Politik hinter der Polizei steht. Ständig gerät „die Polizei“ in die Defensive. Mal geht es um eine Beweislastumkehr, mal um eine Kennzeichnungspflicht. Dann wird ihr struktureller Rassismus unterstellt, von Racial Profiling ist die Rede.

Man denke an die Krawallnacht in Stuttgart, von der manch Polizist berichtet, es sei gewesen wie im Krieg. Viele, vor allem junge Männer, scheinen jeglichen Respekt verloren zu haben und – stellen wir uns der Realität – viele von ihnen haben einen Migrationshintergrund. Zur Realität gehört auch, dass schnell ein Messer gezückt wird. Wie damit umgehen als Polizist? Schließlich würde ein jeder gerne gesund nach Hause kommen.

Politische Debatten sind oft polemisch

Kaum jemand denkt darüber nach, was all diese Erlebnisse mit Polizisten machen. Wie fühlt es sich an Tag für Tag, Nacht für Nacht an sozialen Brennpunkten unserer Gesellschaft unschöne Dinge zu erleben? Wie fühlt es sich an, wenn man kommt, um zu helfen, und am Ende selbst beschimpft wird, oder angespuckt oder gar angegriffen? Was machen aber auch die politischen, oft polemischen Debatten mit Polizisten, die auch den Kopf für all die Versäumnisse von Politik und Gesellschaft hinhalten und für unser aller Sicherheit. Wer nicht selbst erlebt miterlebt hat, was Polizisten in ihrem Arbeitsalltag erleben, sollte sich mit voreiligen Schlüssen zurückhalten.

Auch derzeit wissen wieder viele, wie die Polizisten in Mannheim hätten reagieren sollen. „Typisch deutsche Polizei“ meinen die einen, „selber Schuld“, die anderen. Die meisten hatten ihr Leben lang nie eine Waffe in der Hand, wissen nicht, wie es ist, die Waffe auf jemanden zu richten, abzuwägen, schießen oder nicht schießen. Kaum einer weiß, wie unübersichtlich und dynamisch eine Lage sein kann. Doch urteilen und Empfehlungen abgeben, kein Problem…

Wer im Dienst von der Schusswaffe Gebrauch macht, weiß, was danach auf ihn zukommt. Interne Ermittlungen, die einer Odyssee gleichkommen. Und noch viel größer ist die Belastung, die damit einhergeht, wenn man einen Menschen verletzt oder gar getötet hat.

Wahlweise Witzfigur oder Gegner

Polizisten werden wahlweise zur Witzfigur oder zum Gegner. Linksextreme, Rechtsextreme, Islamisten – viele eint der verlorene Respekt vor der Polizei, vor dem Gewaltmonopol des Staates. Doch keine politische oder religiöse Überzeugung und keine vielleicht erlebte soziale Benachteiligung rechtfertigt dies.

Die Polizei braucht den Rückhalt der Gesellschaft und ihr Vertrauen. Vertrauen, dass die Polizei weiß, wen sie wann kontrolliert. Vertrauen, dass sie dies nicht aus einem rassistischen Motiv heraustut. Vertrauen, dass der Hubschrauber nachts nicht zum Spaß den Bürgern den Schlaf raubt. Und Vertrauen, dass die Kontrollmechanismen funktionieren, wenn ein Polizist Fehlverhalten oder eine nicht tolerierbare Gesinnung an den Tag legt. Auch Polizistinnen und Polizisten sind Menschen. Und Väter, Mütter, Töchter und Söhne.

Der Aufschrei hätte noch viel lauter sein können. Gewalt gegen die Polizei ist ein Angriff auf uns alle. Genauso wie auf Feuerwehrleute und Sanitäter. Es bleibt zu hoffen, dass sich nun tatsächlich etwas ändert und es nicht nur bei vielen warmen Worten und Ankündigungen bleibt, wie es leider schon oft der Fall war.

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