Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Bauhauptgewerbe

Sondierungstreffen bringt den Tarifkompromiss am Bau

Zweieinhalb Wochen hatten Bauarbeiter bei Warnstreiks in ganz Deutschland die Arbeit niedergelegt. Dann kam überraschend die Lösung. Arbeitnehmer und Gewerkschaft hatten sich nach dem abgelehnten Schlichterspruch auf einen Tarifabschluss geeinigt. Bis zum Freitag kommender Woche müssen nun die Gremien der Tarifparteien zustimmen.

Seit Mitte Mai wurde am Bau, wie hier in Bochum, gestreikt. In Verhandlungen, die eigentlich nur als Sondierungsgespräch geplant waren, einigten sich Gewerkschaft und Arbeitgeber dann auf einen Kompromiss im Tarifkonflikt des Bauhauptgewerbes.

IMAGO/Markus Matzel)

Stuttgart/München. Eigentlich hatten Beobachter der Baubranche nicht damit gerechnet, dass sich im Tarifstreit des Bauhauptgewerbes in den Pfingstferien irgendetwas bewegt. Doch dann ging alles ganz schnell. Am Mittwoch vor Fronleichnam hatten sich die Verhandler der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und der beiden Spitzenverbände des Baugewerbes und der Bauindustrie zu Sondierungsgesprächen in München getroffen. Doch dann seien die Gespräche so gut gelaufen, dass nach acht Stunden eine Lösung auf dem Tisch lag, wie Insider aus dem Bauhauptgewerbe berichten. Noch am Mittwochabend verkündeten Arbeitgeber und Gewerkschaft in einer gemeinsamen Pressemitteilung das Ergebnis.

Das ist komplex und sieht eine dreistufige Lohn- und Gehaltserhöhung innerhalb von drei Jahren vor. In der ersten Stufe werden die Löhne und Gehälter mit Ausnahme der Lohngruppe 1 rückwirkend zum 1. Mai um 1,2 Prozent im Westen und um 2,2 Prozent im Osten angehoben. Arbeiter in der niedrigsten Lohngruppe 1 bekommen bundeseinheitlich 2,2 Prozent mehr. Alle Lohn- und Gehaltsgruppen erhalten zusätzlich einen dauerhaften Festbetrag von 230 Euro monatlich.

Höhere Azubi-Vergütung soll Ausbildung attraktiver machen

Am 1. April nächsten Jahres sollen die Löhne und Gehälter noch einmal um 4,2 Prozent im Westen und 5,0 Prozent im Osten angehoben werden. Noch ein Jahr später steigen die Einkommen aller Lohn- und Gehaltsgruppen im Westen um 3,9 Prozent . Im Osten werden sie auf das Westniveau angehoben, womit die Bauwirtschaft die Angleichung schon früher als ursprünglich geplant vollzieht.

Vereinbart wurde auch eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung von derzeit 935 Euro für gewerbliche Azubis im ersten Jahr auf künftig 1080 Euro. Für die weiteren Ausbildungsjahre sind ebenfalls Erhöhungen vorgesehen, heißt es seitens der Tarifparteien. Damit soll die Attraktivität einer Ausbildung am Bau gesteigert werden. Und die Azubi-Vergütungen im technisch-kaufmännischen Bereich stärker an die höheren Vergütungen für gewerbliche Azubis angepasst werden.

Kompromiss für Unternehmen teuerer als der Schlichterspruch

Bei der Bauwirtschaft Baden-Württemberg ist man optimistisch, dass der Vorschlag anders als der Schlichterspruch diesmal in allen Verbandsgremien abgesegnet wird. „Die Einigung enthält für beide Seiten Elemente, die eine Zustimmung ermöglichen“, sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes, Holger Braun.

Er räumt ein, dass der Kompromiss für die Bauunternehmen etwas teuerer wird als der Schlichterspruch. Das war eine zentrale Forderung der Gewerkschaft. „Es waren die Baubeschäftigten, die sich dieses Ergebnis erstreikt haben“, erklärte der IG-BAU-Bundesvorsitzende Robert Feiger.

Für Braun sind aus Arbeitgebersicht aber zwei andere Elemente entscheidend. Da ist zum einen die Geltungsdauer der Vereinbarung. „Die Laufzeit von drei Jahren gibt unseren Unternehmen Planungssicherheit“, betont der Vize-Verbandschef. Und zum zweiten wird aus Sicht der Bauwirtschaft das Ungleichgewicht bei den Lohnzuwächsen zwischen den niedrigen und höheren Lohngruppen abgemildert. Durch den Festbetrag für alle, den der Schlichter aufgrund der Forderung der IG Bau festgelegt hatte, seien die Leistungsträger in den höheren Lohngruppen schlechter weggekommen. Das fällt durch die Kombination eines Festbetrags mit einer prozentualen Erhöhung aus Arbeitgebersicht nun weniger stark aus.

Arbeitgeber im Südwesten entscheiden am Montag

Da es diesmal kein so hohes Zustimmungsquorum auf Arbeitgeberseite braucht wie bei dem Schlichterspruch, als einzelne Regionalverbände dessen Annahme verhindert hatten, ist die Chance, dass der Tarifkonflikt in der Bauwirtschaft Ende kommender Woche beendet ist groß. In Baden-Württemberg sollen die zuständigen Verbandsgremien am kommenden Montag über den ausgehandelten Kompromiss beraten und entscheiden.

Kaum Streiks im Land

Nach der gescheiterten Schlichtung hatte die IG BAU am 13 Mai bundesweit mit Warnstreiks begonnen. Baden-Württemberg war von den Aktionen allerdings deutlich weniger betroffen als manche anderen Bundesländer. Zudem verzichtete die Gewerkschaft weitgehend darauf große Infrastrukturbaustellen bei der Bahn oder auf Autobahnen zu bestreiken. Die Öffentlichkeit wurde deshalb wenig beeinträchtigt. Größere Arbeitskämpfe hat es in der Baubranche zum letzten Mal im Jahr 2002 gegeben.

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 189 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesermeinungen

Bitte loggen Sie sich ein, um zu kommentieren.

Lesen Sie auch