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Workation

Homeoffice im Ausland erfordert klare Regeln

Immer wieder wünschen sich Arbeitnehmer, auch jenseits der Landesgrenzen mobil zu arbeiten, etwa im Anschluss an eine Urlaubsphase am jeweiligen Zielort. Etliche Unternehmen haben schon entsprechende Regelungen getroffen, um solche Workation-Aufenthalte zu ermöglichen. Denn das kann die Arbeitgeberattraktivität steigern. Doch dabei sind eine ganze Reihe rechtlicher Punkte zu beachten.

Wenn Arbeitgeber ihren Beschäftigten erlauben aus dem Ausland zu arbeiten, müssen sie steuerliche und arbeitsrechtliche Regelungen beachten.

IMAGO/Westend61/Mareen Fischinger)

ETTLINGEN. „Arbeitgeber können sich mit Workation attraktiv positionieren“, meint Heike Nagel vom Ettlinger Software- und Beratungshaus Appsphere, das Unternehmen bei der Digitalisierung hilft und sich dabei auch die erfolgreiche Umsetzung von Workation auf die Fahne geschrieben hat. Denn hier sehen die Ettlinger einen wachsenden Bedarf.

Workation, ein Kunstwort zusammengesetzt auf den englischen Begriffen „Work“ für Arbeit und „Vacation“ für Urlaub, meint im engeren Sinne, dass man die Arbeit mit der Freiheit und Erholung des Reisens verbindet. Typischerweise ist damit das mobile Arbeiten vom Ausland aus gemeint. Das wirft jedoch technische Fragen, aber vor allem auch arbeitsrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und steuerrechtliche Fragen auf.

Die Möglichkeit aus dem Ausland zu arbeiten ist Wunsch vieler Beschäftigten, hat das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln im Rahmen einer aktuellen Analyse ermittelt. Rund 15 Prozent der deutschen Unternehmen bieten ihren Beschäftigten derzeit bereits die Möglichkeit für Workation an. Ob Unternehmen das Arbeiten im Ausland gestatten, hängt stark von der Unternehmensgröße ab. Je größer ein Betrieb, desto eher gestattet er Mitarbeitern, mobiles Arbeiten aus dem Ausland.

Deutsches Arbeitsrecht bleibt bei kurzzeitigen Einsätze gültig

Arbeitsvertraglich ist die Möglichkeit des Homeoffice im Ausland selten geregelt. „Arbeitgeber sollten daher individuelle internationale Mobile-Work-Vereinbarungen abschließen, um Klarheit zu schaffen“, empfiehlt Christian Speckert, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht bei der Kanzlei Rödl & Partner in Stuttgart.

Der Arbeitgeber bestimmt durch sein Direktionsrecht grundsätzlich den Arbeitsort. Ohne eine einvernehmliche Änderung kann der Arbeitsort nicht einfach ins Ausland verlegt werden. Auch wenn im Arbeitsvertrag mobiles Arbeiten erlaubt sei, beschränke sich dies in der Regel auf Deutschland, erklärt der Jurist. Der Betriebsrat müsse zudem einbezogen werden, da er ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit hat.

Die Frage des anwendbaren Rechts hängt vom Umfang der Tätigkeit im Ausland ab. Bei kurzzeitigen Einsätzen greift weiter das deutsche Arbeitsrecht. Wird jedoch mehr als die Hälfte der Arbeitszeit dauerhaft im Ausland erbracht, unterliegen die Beschäftigten möglicherweise nicht mehr dem deutschen Arbeitsrecht.

Besondere Aufmerksamkeit erfordere die Regelung zu Feiertagen. Deutsche Feiertage gelten im Ausland nicht automatisch als arbeitsfreie Tage. Auch ausländische Feiertage werden nicht durch deutsches Arbeitsrecht erfasst, wenn dieses auf den Arbeitnehmenden im Ausland angewendet wird. „Absprachen zur Handhabung der Feiertage sind daher notwendig“, sagt Speckert.

Vergütungsregeln im Aufenthaltsland müssen eingehalten werden

Die Einhaltung des Mindestlohns im Einsatzland ist ein weiterer Aspekt. Nach der EU-Richtlinie 2018/957/EU müssen dem Anwalt zufolge alle Vergütungsbestandteile des Aufnahmestaats eingehalten werden und zwar ab dem ersten Tag. Hier greift nämlich der Equal-Pay-Grundsatz, gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Dabei können auch Nachweispflichten für den Arbeitgeber entstehen und eine Entgeltanpassung nötig werden.

Bei der Kombination von Urlaub und Arbeit gibt es gewisse rechtliche Grenzen. „Das Bundesurlaubsgesetz erlaubt insbesondere keine stundenweise Gewährung von Urlaub“, sagt Speckert.

Auch Fragen zu Visumpflicht, Arbeitserlaubnis und Meldepflichten müssen vorab geklärt werden. Innerhalb der EU benötigen Mitarbeiter für kurzzeitige Einsätze keine Arbeitserlaubnis und keine Aufenthaltsgenehmigung. Es können jedoch Meldepflichten bestehen. Außerhalb der EU ist der Aufwand in der Regel deutlich höher.

Dauerhaftes Homeoffice kann als Betriebsstätte gewertet werden

Sozialversicherungsrechtlich ist zu prüfen, ob bei Einsätzen innerhalb Europas der Verbleib im heimischen System nachgewiesen werden kann. Steuerrechtlich sollten Arbeitgeber klären, ob ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Einsatzland besteht. Der Einsatz des Mitarbeiters darf 183 Tage im Jahr nicht überschreiten, um eine Besteuerung im Ausland zu vermeiden.

Betriebsstättenrisiken sind ebenfalls zu beachten. Da ein dauerhaftes Homeoffice im Ausland als Betriebsstätte des Arbeitgebers gelten kann, hätte dies steuerliche Konsequenzen für das Unternehmen.

Enger Kontakt über digitale Kanäle wichtig

Außer den rechtlichen Fragen ist auch der Aspekt der Mitarbeiterführung bei Homeoffice im Ausland zu beachten – da meist längere Phasen ganz ohne direkten persönlichen Kontakt entstehen.

Die größere räumliche Distanz kann unter Umständen auch eine innere Distanzierung des Mitarbeiters verstärken. Umso wichtiger sind ein enger Kontakt zur Führungskraft und zu Teamkollegen über digitale Kanäle, etwa Videokonferenzen, idealerweise gelegentlich auch ohne Arbeitsbezug. Wichtig sind ferner klare Zielvorgaben und Aufgabenstellungen sowie Rückmeldungen zu den Ergebnissen.

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