Fundarchiv des Archäologischen Landesmuseums

Millionen Bruchstücke erzählen Geschichten

Exakt vor 25 Jahren wurde im Juni das zentrale Fundarchiv des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg in Rastatt eröffnet. Dort befinden sich vermutlich Millionen von Fundstücke aus Ausgrabungen im Land. „Wir sind das Gedächtnis und Dienstleistungszentrum der Landesarchäologie“, sagt der Leiter Martin Kemkes.

Restauratorin Marion Riebschläger untersucht und säubert ein Schwert.

Ralf Schick)

Rastatt. Mittelalterliche Schwerter, Ton- und Keramikgefäße aus verschiedenen Epochen, Figuren aus Stein, Münzen, Werkzeuge aus der Eiszeit und jede Menge kleiner Scherben beherbergt das Gebäude der ehemaligen Festung Rastatt, das einst mit Tonnengewölbe gebaut wurde und über eineinhalb Meter dicke Mauern verfügt.

Auf vier Ebenen werden dort vom Keller bis zum riesigen Dachboden unzählige Fundstücke gelagert, inventarisiert, an Museen verliehen und für die Wissenschaft zugänglich gemacht.

„Bei uns liegen die Leichen nicht im Keller, sondern unterm Dach“, sagt Martin Kemkes und schmunzelt. Denn er meint die unzähligen Knochenteile von Menschen und Tieren, die bei den landesweiten Ausgrabungen gefunden wurden. Für die ist aber das Landesamt für Denkmalpflege zuständig, während das Fundarchiv Teil des Archäologischen Landesmuseums ist.

Muss wirklich jedes kleinste Teilchen aufbewahrt werden?

Vor einem Vierteljahrhundert wurde das Fundarchiv eingerichtet. Damals wurde auch seine Aufgabe definiert, nämlich „die in Eigentum des Landes befindlichen archäologischen Fundbestände zu übernehmen und zu verwalten, für ihre Erhaltung zu sorgen, sie durch Kataloge zu erschließen und für Ausstellungen und wissenschaftliche Bearbeitung zur Verfügung zu stellen“. Daran hat sich laut Kemkes bis heute nichts geändert. Dennoch werde inzwischen auch aus räumlichen Gründen diskutiert, ob jedes einzelne und kleinste Teilchen aufbewahrt werden müsse.

Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Melina Rigakis jedenfalls sitzt ein paar Räume weiter an einem Tisch und erfasst gerade einige archäologische Fundstücke digital. Die Archäologie-Volontärin recherchiert zudem, woher die Stücke kommen und aus welcher Zeit.

Ein paar Meter weiter befindet sich die Restaurierungswerkstatt. Dort sitzt mit Handschuhen die Restauratorin Marion Riebschläger und untersucht in diesem Moment ein für den Laien auf den ersten Blick kaum zu erkennendes Schwert aus dem Frühmittelalter mithilfe von Bürstchen und Skalpell – eine filigrane Arbeit, bei der auch Fellreste der Schwertscheide untersucht werden.

„Wir bekommen jedes Jahr rund zwei- bis dreitausend Kartons mit neuen Grabungsstücken dazu, weshalb die freie Raumkapazität in den nächsten Jahren erschöpft sein wird“, sagt Kemkes. In mehr als 60 Magazinräumen lagern die Ausgrabungsreste, über deren genaue Anzahl die 14 Mitarbeiter nichts sagen können.

Funde müssen gereinigt und beschriftet sein

„Rund 230 000 Lagerobjekte sind als Kartons oder Paletten in unserer Datenbank erfasst“, sagt Kemkes. Mehr als eine halbe Million Transportvorgänge wurden bisher verbucht aus über 15 000 Fundstellen in Baden-Württemberg. Und knapp 80 000 Funde wurden einzeln inventarisiert und großteils auch fotografiert, mehr als 40 000 Objekte wurden bereits für verschiedene Ausstellungen verliehen.

Archäologische Funde werden dem Zentralen Fundarchiv vom Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg übergeben. „Damit die Objekte schnell in die passenden Magazine verräumt werden können, müssen die Funde bereits bei der Anlieferung gereinigt, nach Materialgruppen sortiert und in Normkartons verpackt sein“, erläutert Kemkes. Es gibt also Anlieferrichtlinien, wonach alle Funde gewaschen und trocken sein müssen. Die Funde werden dann nach Materialgruppen getrennt in Normkartons verpackt und die Kartons mit Ort, Vorgangsnummer, durchgehender Kartonnummerierung, Fundnummern und dem enthaltenen Material beschriftet.

„Vor jeder Sichtung steht eine gezielte Anfrage beim zuständigen Referenten“, sagt Kemkes. Dabei sollten möglichst konkrete Angaben zu den gesuchten Objekten übermittelt werden. „Wichtige Eckdaten sind Fundort, Grabungsname sowie das Jahr des Grabungsbeginns. Hilfreich sind auch Literaturangaben und Fundnummern.“

Das Zentrale Fundarchiv ist nicht für den Publikumsverkehr geöffnet. „Auf Anfrage können aber Gruppen im Rahmen einer Führung das Fundarchiv besichtigen. Und wir bieten öffentliche Führungen immer am Tag des offenen Denkmals an.“

Langzeitarchivierung

Das Zentrale Fundarchiv in Rastatt ist seit einem Vierteljahrhundert Teil des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg. Es nimmt landeseigene archäologische Fundstücke aus Baden-Württemberg auf, erfasst sie in einer Datenbank, lagert sie konservatorisch sachgerecht und macht sie für Ausstellungen in Museen sowie Forschungsprojekte zugänglich. Am 4. Juni 1999 wurde es eröffnet.

Restauratorin Marion Riebschläger untersucht und säubert ein Schwert. Foto: Ralf Schick

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