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Vorbereitet auf Situationen, die sich niemand vorstellen will
STUTTGART. Noch 17 Tage bis zur EURO 2024, steht auf einer Anzeige im Eingangsbereich des Stuttgarter Rathauses. Das Innenministerium hat mit der Landeshauptstadt eingeladen, um das Sicherheitskonzept für die Europameisterschaft vorzustellen. Das war vergangene Woche. Nun sind es noch elf Tage bis zum Turnierbeginn und 13 Tage bis zum ersten Spiel in Stuttgart.
- Ja 55%, 41 Stimme41 Stimme 55%41 Stimme - 55% aller Stimmen
- Nein 35%, 26 Stimmen26 Stimmen 35%26 Stimmen - 35% aller Stimmen
- Mir egal 9%, 7 Stimmen7 Stimmen 9%7 Stimmen - 9% aller Stimmen
Die Verantwortlichen blicken der Großveranstaltung mit Gelassenheit entgegen, denn die Planungen sind laut Innenministerium weitestgehend abgeschlossen, sie würden aber fortlaufend an die aktuelle Sicherheitslage angepasst. Über Monate haben sich Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst vorbereitet auf alle möglichen Szenarien. Unter anderem durch zahlreiche Übungen.
„Nur als gut eingespieltes Team kann man gewinnen“
„Beim Fußball gilt: Nur als gut eingespieltes Team kann man gewinnen. Gleiches gilt auch für die Innere Sicherheit“, so Innenminister Thomas Strobl (CDU). Und so sei die Euro 2024 eine gigantische und gleichzeitig auch schöne Herausforderung“. „Dafür sind Teams aus Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen im Einsatz, die hervorragend aufeinander eingespielt sind“, so Strobl. Um die einzelnen Spieltage sicher zu bewältigen, plane man mit über 3000 zusätzlichen Kräften, darunter viele Ehrenamtlichen, und mehreren hundert zusätzlichen Einsatzfahrzeugen.
Was für den ein oder anderen übertrieben klingen mag, sei jedoch notwendig. Denn die Gefährdungslage ist laut Ministerium eine andere als noch zur WM 2006. Angesichts der Weltlage spricht Strobl gar von einer „Mega-Herausforderung“. Der Krieg in Europa und der sich zuspitzende Nahost-Konflikt wirke sich auch auf die Sicherheitslage in Baden-Württemberg aus. Auch die Gefahr von Cyberangriffen hat zugenommen.
Auch die Gefährdung des Luftraums hat sich verändert
Islamistische Terroristen werben nach Angaben des Landesamts für Verfassungsschutz offen im Netz für Anschläge während des Turniers. „Wir haben es seit einiger Zeit mit einer zunehmenden abstrakten Gefahr zu tun“, sagte dessen Präsidentin Beate Bube kürzlich. Es gebe aber keine konkreten Hinweise. Das bekräftigte auch der Präsident des Polizeipräsidiums Stuttgart, Markus Eisenbraun. Er weist daraufhin, dass sich auch die Gefährdung des Luftraums verändert habe. Während der EM gilt daher teils auch ein Flugverbot über der Stadt, der Luftraum soll mit Drohnen überwacht und geschützt werden. „Wir bereiten uns auf Lagen vor, von denen wir hoffen, dass sie nie passieren“, so Strobl.
Viele tausend Gäste werden zu den einzelnen Spielbegegnungen nach Baden-Württemberg reisen. Einige Spielpaarungen sind dabei als kritisch zu betrachten. So sind die Begegnungen Deutschland – Ungarn sowie Schottland – Ungarn von der Polizei als Hochrisikospiele eingestuft. Deshalb stehen die Sicherheitsbehörden in engem Austausch mit Bund und Ländern, insbesondere mit dem „International Police Cooperation Center“ in Neuss in Nordrhein-Westfalen. Dieses ist Dreh- und Angel- punkt für den nationalen und internationalen Informationsaustausch. Die Polizei Baden-Württemberg ist dort mit 16 Beamten vertreten.
Bundespolizei intensiviert Einsatzmaßnahmen
Auch die Bundespolizei bereitet sich seit langem auf die EM vor. „Wir intensivieren die Einsatzmaßnahmen auf allen Verkehrswegen für die Sicherheit der Fußballfans sowie der Reisenden“, sagt der Präsident Der Bundespolizeidirektion Stuttgart, Carsten Laube. „Hierbei gilt es frühzeitig Reisewege zu identifizieren und mögliche Fußballstörer bereits bei der Anreise zu stoppen.“ Im Großraum Stuttgart werde die Bundespolizei ihre Präsenz in maximaler Einsatzstärke erhöhen, gerade am Hauptbahnhof Stuttgart und am Bahnhof Bad Cannstatt. Um Streitigkeiten zwischen rivalisierenden Fanlagern zu unterbinden, setzt die Polizei Stuttgart auch auf mehr Videoüberwachung. Dazu stimme man sich derzeit noch mit dem Landesdatenschutzbeauftragten ab, so Eisenbraun. Die Kameras sollen nicht dauerhaft aktiv sein, sondern nur in Zeiten, in denen mit erhöhtem Personenaufkommen zu rechnen ist. Außerdem arbeite die Polizei mit der Software „Escape Pro“, die man mit einer Firma weiterentwickelt habe. Mittels KI-basiertem Softwareprogramm werden dabei Personenströme von Großveranstaltungen simuliert und Fluchtwege berechnet. Das Stuttgarter Projekt, das seit Juni 2023 läuft, wird bei der EM erstmals auf die Probe gestellt.
Feuerwehren und Hilfsorganisationen aus dem gesamten Land unterstützen in Stuttgart
„Die Sicherheit unserer Gäste und Besucher ist für uns bei aller Fußball-Begeisterung das höchste Gut“, sagt der Oberbürgermeister von Stuttgart, Frank Nopper (CDU). Dazu gehöre die Sicherheit rund um die fünf WM-Spiele in der Stuttgart-Arena, die Sicherheit beim Public Viewing auf dem Schlossplatz und in allen anderen Fanzonen, die Sicherheit aller Programmpunkte an den spielfreien Tagen. Die Innenstadt und die Stuttgart-Arena würden deshalb in einem bisher nicht gesehenen Ausmaß gesichert. Allein für die baulichen Sicherungsmaßnahmen setze die Stadt 10,5 Millionen Euro ein.
Neben der Polizei werden auch verstärkt Feuerwehrleute und Sanitäter im Einsatz sein. Die Branddirektion Stuttgart plant als zuständige untere Katastrophenschutzbehörde für die Euro auf Grundlage der bundeseinheitlichen Leitlinien. An den Spieltagen sind viele zusätzliche Kräfte des Katastrophenschutzes im Einsatz. Es kommen Feuerwehren und Hilfsorganisationen aus dem gesamten Land nach Stuttgart. Darunter viele Spezialeinheiten, etwa für die Einrichtungen zur Erstversorgung von Verletzten, eine Analytische Task Force, die Gefahrstoffe bestimmen kann, und auch mehrere Großraumrettungswagen. Auch Dekontaminationsplätze sind vorgeplant.
Hilfsorganisationen wie Deutsches Rotes Kreuz, Malteser und ASB sind zuständig für die Bereiche Sanitätsdienst, Rettungsdienst und Bevölkerungsschutz. Ohne Ehrenamtliche könnten Feuerwehr und Rettungsdienste das nicht stemmen. Die EURO 2024 gilt daher als besondere Einsatzlage. Damit schafft das Innenministerium die Möglichkeit, dass Ehrenamtliche auf Grundlage des Landeskatastrophenschutzgesetzes am Arbeitsplatz freigestellt werden. Den Verdienstausfall übernimmt das Land.
Von den Sicherheitsmaßnahmen bekommen Fans kaum etwas mit
Auch die Polizei Stuttgart bekommt Unterstützung aus allen Landesteilen, vor allem vom Polizeipräsidium Einsatz in Göppingen. Bei Spezialeinheiten wurde eine Urlaubssperre verhängt, ansonsten gelte für die Zeit der EM eine restriktive Urlaubsplanung, sagt Eisenbraun.
Von den vielen Maßnahmen, die die Sicherheitsbehörden treffen, bekommen die Besucher im Idealfall nichts oder kaum etwas mit. Strobl betont, dass jeder mit einem guten Gefühl das Stadion besuchen könne.
Auch Bube sagt mit Blick auf die islamistischen Aufrufe, Attentate zu verüben, dass das, was die Terroristen primär anstrebten, das Verbreiten von Angst sei. „Man sollte nicht in diese Falle tappen und aus Angst zu Hause bleiben“, so Bube. Eisenbraun zufolge ist die EM für die Polizei Stuttgart zwar einsatztechnisch ein besonderes Ereignis, doch freue sich auch die Polizei auf die Euro.
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Fünf Spiele finden in Stuttgart statt
Vom 14. Juni bis 14. Juli findet mit Nationalmannschaften aus 24 Ländern die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland statt. Fünf der 51 Spiele finden in Stuttgart statt. Die Nationalmannschaften der Schweiz, Spaniens, Belgiens sowie Dänemarks beziehen dauerhaft ihre Quartiere in Baden-Württemberg. Darüber hinaus müssen die Sicherheitskräfte viele Reisebewegungen der Mannschaften bedenken. Genauso habe man aber die der Fußballfans im Blick.