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Nachgehakt: Rettungsdienst

„Nicht für jedes Weh-Wehchen da“

Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat den Entwurf für ein neues Rettungsdienstgesetz vorgestellt. Es beinhaltet weitreichende Änderungen. Nicht alle stoßen auf Zustimmung.

Wenn ein Patient sehr schnell ins Krankenhaus muss, kommt oft der Rettungshubschrauber zum Einsatz.

IMAGO/7aktuell.de | NR)
Weshalb braucht es ein neues Rettungsdienstgesetz?

Die Reform des Rettungsdienstgesetzes stand schon länger auf der Agenda des Innenministeriums, ebenso die des Leitstellengesetzes. Durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg im Mai 2023 bekam das Land jedoch Druck, rasch ein neues Rettungsdiengesetz auf den Weg zu bringen. Denn die Veränderung der Hilfsfrist im Rettungsdienstplan betrachtete das Gericht als ungültig (siehe Kasten).

Doch es ändern sich auch die Ansprüche an den Rettungsdienst, die Einsatzzahlen steigen stetig. Innenminister Strobl (CDU) wie auch Rettungskräfte und Leitstellendisponenten beklagen, dass die 112 zunehmend gewählt wird, obwohl gar kein Notfall vorliegt. „Das ist eine Entwicklung, die so nicht immer weitergehen kann“, sagte Strobl vergangene Woche im Landtag, als er den Gesetzentwurf einbrachte. „Der Rettungsdienst ist der Rettungsdienst, und er ist nicht für jedes Weh-wehchen da. Das werden wir in Zukunft nicht leisten können.“

Aus der Hilfsfrist wird die Planungsfrist. Was bedeutet das?

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass das erste Rettungsmittel in 95 Prozent der Fälle innerhalb von zwölf Minuten eintrifft. Die Planungsfrist löst die bisherige Vorgabe zur Hilfsfrist von zehn bis 15 Minuten ab. Kann ein Rettungsdienst die Vorgabe nicht einhalten, kann die Rechtsaufsichtsbehörde die Prozesse prüfen und Nachbesserungen fordern. Einen Anspruch darauf, dass der Rettungswagen auch in der Zeit vor Ort ist, gibt es laut Innenministerium nicht.

Wie kann der Rettungsdienst effizienter werden?

Der Rettungsdienst soll künftig stärker nach dem Gesundheitszustand des Patienten ausgerichtet werden. Denn es macht einen Unterschied, ob sich ein Patient in einem lebensbedrohlichen Zustand befindet oder ob es sich um einen Patienten mit einem gebrochenen Schlüsselbein handelt. Es soll stärker berücksichtigt werden, um welche Notfallkategorie es sich handelt und was in welcher Zeit gebraucht wird. „Dieser innovative, am Patientenbedürfnis orientierte Ansatz ist neu und einmalig“, so Strobl. Mit diesen Parametern, die im Gesetz festlegt werden sollen, sorge man dafür, dass Ressourcen effizient eingesetzt werden. Zugleich erhöhe man die Rechtssicherheit, auch für die untergesetzlichen Vorschriften, die schließlich erfolgen werden.

Wie wird sich die kürzere Planungszeit auswirken?

Dass der Rettungsdienst künftig schon in zwölf Minuten vor Ort sein soll, wird neue Rettungswachen erforderlich machen, ebenso mehr Einsatzfahrzeuge und Personal.

Wie bewerten die Leistungserbringer den Gesetzentwurf?

Grundsätzlich begrüßen die Hilfsorganisationen die Planungsfrist von zwölf Minuten. Sie sorgen sich aber um die Finanzierung der Rettungswachen, da der Passus im Gesetz verändert wurde. Maximal 90 Prozent soll das Land demnach künftig mit Blick auf die Fördermittel für den Rettungswachenbau tragen. Strobl kündigte an, dass das Land nicht aus der Förderung aussteigen werde.

Wie sagt die Opposition zum Vorhaben der Landesregierung?

SPD und FDP sehen bei der Finanzierung noch offene Fragen. So sei ungeklärt, wie hoch die staatlichen Zuschüsse beim Bau neuer Rettungswachen seien. Die AfD-Fraktion verlangte ein begleitendes Konzept, wie die Personalstärke bei Rettungsdiensten gesichert werden könne.

Welche Neuerungen kommen noch?

Das Gesetz regelt die Vorabdelegation – Notfallsanitäter dürfen künftig auch ärztliche Maßnahmen durchführen, etwa ein Schmerzmittel verabreichen. Zudem wird die Grundlage für den Einsatz von Telenotärzten geschaffen und es ist ein digitaler Versorgungsnachweis vorgesehen, mit dem der Rettungsdienst einsehen kann, welche Klinik Kapazitäten hat. Außerdem soll es eine Experimentierklausel geben, die erlaubt, neue Versorgungskonzepte zu erproben.

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Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg mit Sitz in Mannheim hat im Mai 2023 den Rettungsdienstplan teils für unwirksam erklärt und damit die Regel zu den Hilfsfristen, wonach seit 2022 Rettungswagen in zwölf Minuten am Einsatzort sein müssen. Danach galt wieder der gesetzlich vorgegebene Zeitrahmen, nicht mehr als 10, höchstens 15 Minuten. Das Verwaltungsgericht Stuttgart bemängelte im Herbst, dass die Vorgaben des VGH-Urteils zu den Hilfsfristen noch nicht umgesetzt waren.

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