Nicht immer greift das Regime des Vergaberechts
Stuttgart . Wenn ein öffentlicher Auftraggeber eine Schule bauen will, neue Busse beschaffen muss oder die IT-Ausstattung erneuern möchte, ist eine Ausschreibung Pflicht. Je nach Auftragsvolumen muss ein solcher Auftrag mitunter sogar europaweit ausgeschrieben werden. Doch es gibt Fälle, in denen öffentliche Auftraggeber eine Beschaffung nicht nach vergaberechtlichen Vorgaben vorzunehmen brauchen. Um jedoch eine rechtliche Auseinandersetzung zu umgehen, ob eine Ausschreibung vielleicht doch notwendig gewesen wäre, lohnt es sich, alle Umstände einer Beschaffung zu betrachten.
Töchter von Bund, Ländern und Kommunen müssen ausschreiben
Grundsätzlich sind öffentliche Auftraggeber dazu verpflichtet, bei ihren wirtschaftlichen Aktivitäten die Interessen der Privatwirtschaft zu berücksichtigen. Das bedeutet, benötigte Leistungen müssen ausgeschrieben werden. Das gilt insbesondere für privat organisierte Tochtergesellschaften von Bund, Ländern und Kommunen. Der Europäische Gerichtshof hat dazu im Jahr 2010 eine maßgebliche Entscheidung getroffen.
Bei der Frage, ob eine Ausschreibung vorzunehmen ist, kommt es darauf an, ob der öffentliche Auftraggeber eine Leistung erhält, die in seinem unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse liegt – ein Interesse, das darauf abzielt, ein Bauwerk so wirtschaftlich wie möglich errichten zu lassen. Genau dies liegt beispielsweise vor, wenn eine Kommune eine Schule baut und im Anschluss naturgemäß Eigentümer ist. Ein wirtschaftliches Interesse liegt auch dann vor, wenn eine Kommune in ihrer Pflicht zur Daseinsvorsorge den Breitbandausbau für die Allgemeinheit vorantreibt und dafür ein Unternehmen sucht.
Ganz anders agieren können Auftraggeber, wenn sie Grundstücke veräußern, verpachten oder von Dritten nutzen lassen. In solchen Fällen ist kein Vergaberecht anzuwenden. In Sachen Pacht gab es vor wenigen Wochen eine entsprechende Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Rostock (siehe Infokasten). Vergaberechtsfrei ist zudem der Vorgang, wenn eine Kommune ein Erbbaurecht vergibt oder ein Sondernutzungsrecht im öffentlichen Raum verleiht, beispielsweise Abstellplätze für den Radverleih durch ein bestimmtes Unternehmen.
Eine Ausschreibung ist zudem nicht notwendig, wenn ein Auftraggeber Gesellschafteranteile eines kommunalen Unternehmens an einen Dritten veräußert. Die öffentliche Hand kann in einem solchen Fall selbst entscheiden, mit wem sie über den Verkauf von Anteilen verhandelt. In vielen Fällen handelt es sich dabei um strategische Entscheidungen, die ganz bewusst dem freien Markt entzogen sind.
Trotz der vermeintlich eindeutigen Fallkonstellationen kann die Pflicht zur Ausschreibung dennoch plötzlich greifen. Etwa, wenn die vermeintlich vergabefreie Beschaffung an eine zusätzliche Leistung geknüpft ist, mit der ein Unternehmen wiederum Geld verdienen kann. Die Ausschreibung von Altpapiersammlungen mit dem Auftrag, das Altpapier zu verwerten, wurde vom Bundesgerichtshof im Jahr 2021 dementsprechend als ausschreibungspflichtig eingestuft.
Und auch beim schon erwähnten reinen Grundstücksverkauf gibt es eine Situation, in der eine klassische Ausschreibung notwendig wäre. Nämlich dann, wenn ein Grundstück unter dem Marktwert verkauft werden soll. Hier ließe sich vermuten, dass es sich um eine staatliche Beihilfe handelt, die bei der EU-Kommission gemeldet werden müsste. Die Folge: eine Vergabe müsste dann diskriminierungsfrei und transparent erfolgen.
Gemeindeordnung schränkt Freiräume ein
Ohne vergaberechtliche Pflichten lassen sich auch Aufgaben an eine private Tochter auslagern. Die öffentliche Hand ist nicht verpflichtet, eine Leistung als solche dem Markt „anzubieten“.
Beschränkt werden diese Freiräume allerdings durch das Gemeindewirtschaftsrecht. In Baden-Württemberg gibt die Gemeindeordnung in Paragraf 102 vor, dass eine Gemeinde nur dann ein Unternehmen errichten kann, wenn eine solche Tätigkeit nicht ebenso gut von einem privaten Anbieter erfüllt werden kann.
Campingplatz-Urteil
Die Richter am Oberlandesgericht Rostock entschieden, dass die Verpachtung eines Geländes, verbunden mit der Aufgabe, einen Campingplatz zu betreiben, nicht ausschreibungspflichtig ist – auch dann nicht, wenn zusätzliche Vorgaben zum Betrieb des Platzes gemacht werden. Der Verpächter hatte in seiner Bekanntmachung mitgeteilt, dass kein Vergaberecht angewendet werden soll. Stattdessen hatte er zunächst Gespräche mit Bewerbern geführt und anschließend Kriterien für die Entscheidung festgelegt. Das war rechtens, entschied das OLG Rostock.