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Stiftung will Industriekultur im Schwarzwald zugänglich machen
Freiburg. Das historische Kraftwerk in Rheinfelden, das 2010 abgerissen wurde, ist das, was die Initiatoren von „Industriekultur Schwarzwald“ im Blick haben: Industriegebäude, die Landschaft und Kultur im Schwarzwald mitgeprägt haben. Es sind Gebäude, die durch ihre teils imposante, teils zweckmäßige Baulichkeit auffallen – oder, da aufgegeben, vom Verschwinden oder Vergessen eingeholt werden.
„Natürlich sind es keine Großindustrieanlagen wie im Saarland oder Ruhrgebiet“, sagt Klaus Grundmann. Er ist Geschäftsführer der Stiftung Baukultur in Freiburg, die das Projekt trägt. „Aber im Schwarzwald haben sich aufgrund der Topografie, der Ortsgröße, der Wasser- und Energiezufuhr Industrien angesiedelt.“ Die Textilindustrie im Wiesental, um Schopfheim und Lörrach, die Uhrenindustrie rund um Schramberg und Villingen-Schwenningen, die Tabakindustrie in der Rheinebene, die Papierindustrie im Murgtal sind bekanntere Beispiele. „Heute sind diese Industrien zum Teil abgewandert, die Gebäude stehen leer, haben die Täler und Menschen aber stark geprägt“, meint Grundmann. „Sie haben einen historischen Wert und eine identitätsstiftende Wirkung.“
Auf der Internetseite sollen die Orte mit Steckbrief gesammelt werden
Auf der Internetseite „Industriekultur-Schwarzwald“ soll nun eine Art Bestandsaufnahme entstehen, sagt Holger Schwartz, Architekt und Leiter des Projekts. „Unser Ansatzpunkt ist, wir sammeln und veröffentlichen solche Orte, stellen sie auf einer Karte und mit einem Steckbrief vor.“ Wie viele es sind, weiß niemand. „Unsere Initiativgruppe kam spontan auf über Hundert“, so Schwartz, „das dürfte sich aber deutlich vervielfachen.“ Dazu gehören etwa das Kraftwerk Stallegg in der Wutachschlucht, das Sägewerk Richtberg bei Neuenburg, die Gaskugel in Freiburg oder die Streichholzfabrik in Schnellingen.
„Wir wollen, dass die örtlichen Bezüge deutlich werden, die Gebäude in den Blickpunkt rücken und die Anlagen nicht verfallen. Sie sollen im Bewusstsein gehalten werden.“ Es gehe um mehr als um Denkmalschutz, so Grundmann. „Es geht um die Geschichte dieser Industriestätten. Menschen haben dort gearbeitet. Das wollen wir wiederbeleben, was es für Schätze gibt und welche Bedeutung sie für den Ort haben.“
Die Seite soll deshalb auch ein Forum sein. Es gibt einen virtuellen „Stammtisch“ und einen Blog. Die Initiatoren hoffen auf die Beiträge aus der Bürgerschaft. „Natürlich gibt es auch viele Geschichtsvereine oder etwa Bergbauinitiativen. Das Wissen, das da gesammelt wird, wird aber wenig ausgetauscht“, sagt Schwartz. Gerade aus der Vernetzung könne aber viel entstehen. Etwa touristische Angebote, wenn die Dinge zusammengeführt werden – die Deutsche Uhrenstraße, die Teil der Europäischen Route der Industriekultur ist, wäre da beispielgebend.
„Nur was einer Nutzung zugeführt wird, kann erhalten werden“, sagt Grundmann. Deswegen sei die Vernetzung und der Erfahrungsaustausch, was man mit leerstehenden Gebäuden machen kann, wichtig. „Besonders die öffentliche Hand spielt bei der Konversion von Industriebrachen eine Rolle. Wir wollen ein Bewusstsein schaffen, dass es über die reine Nutzfläche hinausgeht.“
Wie ein solcher Prozess aussehen kann, zeigt sich derzeit in Kandern (Landkreis Lörrach). Der Künstler Steve Luxembourg präsentiert in der Ausstellung „Tonspuren“ im Heimat- und Keramikmuseum seine künstlerische Auseinandersetzung mit den Kammüller-Werken. In der 2020 stillgelegten Fabrik wurden Schamottziegel hergestellt.
Fotografien, Objekte und ein Super-8-Film zeigen die einstige Größe
Er nähert sich dem ehemaligen Arbeitsort über Fotografien aus den Werkhallen, zusammengetragene Objekte aus dem Produktionsprozess, einen Super-8-Film, der Eindrücke des Fabrikgeländes einfängt. Ende des 19. Jahrhunderts erfuhr die Töpferstadt Kandern mit den „Tonwerken“ einen auch künstlerischen Aufschwung. Viele ehemalige Fabrikgebäude sind aus dem Stadtbild verschwunden. Was aus dem Areal und den Gebäuden der Kammüller-Werke wird, ist bislang noch ungewiss. Die Ausstellung registriert hier das Gewesene, teils schon Verlorene, und schafft einen Raum für das, was künftig neu entstehen kann, nachdem man sich über den Bestand gemeinsam versichert hat.
Das Kanderner Projekt würde daher gut auf die Homepage der Industriekultur-Initiative passen. Man wolle, sagt Grundmann, „ein Bewusstsein schaffen, dass es eine differenzierte, kleinräumige Industrie gab“. Und man wolle den Menschen „ein Forum und Netzwerk bieten und zeigen, dass es ein kulturelles Erbe gibt, das es zu erhalten gilt.“
Wissenspool für das Erbe des industriellen Zeitalters
Die ehrenamtliche Initiative Industriekultur Schwarzwald wird von der Stiftung BauKulturerbe aus Freiburg getragen. Sie versteht sich „als unabhängige Plattform und Wissenspool für das Erbe des industriellen Zeitalters“.
Ziel ist, zum Erhalt der technischen Denkmale beizutragen und ein Netzwerk der Industriekultur im Schwarzwald und den angrenzenden Regionen zu schaffen.