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„Allianz FÜR Vergaberecht“ gegen Korruption und „Hoflieferantentum“
Berlin . 19 Interessenverbände aus Industrie, Handel und Handwerk haben sich zu einer „Allianz FÜR Vergaberecht“ zusammengefunden. Sie beklagen, dass immer mehr Aufträge ohne öffentliche Ausschreibung etwa durch Inhousevergaben oder Direktvergaben dem Wettbewerb entzogen werden. Zudem fordern sie ein vereinfachtes Vergaberecht und bundesweit einheitliche Vergabebestimmungen. Die Allianz setzt damit ein Zeichen, dass „eine konsequente Anwendung des Vergaberechts auch aus Bietersicht“ vorgezogen werde.
Aufträge und Konzessionen im Wettbewerb vergeben
So pochen die Partner darauf, öffentliche Aufträge und Konzessionen durch transparente Vergabeverfahren im Wettbewerb zu vergeben. Dazu verpflichtet das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen die Auftraggeber. Diese müssen zugleich die Wirtschaftlichkeit wahren. Diese fundamentalen Grundsätze des Vergaberechts schützen aus Sicht der Verbände „wirksam vor Korruption und ‚Hoflieferantentum‘“, heißt es wörtlich. Sie warnen davor, dass immer mehr öffentliche Aufträge dem Vergaberecht entzogen werden.
Einen Grund dafür sehen die Verbandsvertreter auch in der Anhebung der EU-Schwellenwerte über die turnusgemäße Anpassung hinaus. Die EU-Kommission passt die Werte alle zwei Jahr an. Zuletzt war dies zum 1. Januar dieses Jahres der Fall. Kritisch sehen sie, etwa die jüngsten Anhebungen wie zuletzt in der Coronapandemie und infolge der hohen Flüchtlingszahlen. Auftraggeber sollten so in die Lage versetzt werden, mehr Ausschreibungen unterhalb der Schwelle und damit mit weniger Aufwand durchführen zu können. Dies erhöht jedoch die Risiken für Korruption und Hoflieferantentum.
Die Verbände üben deutliche Kritik an öffentlichen Auftraggebern, weil diese auch mit Inhousevergaben und einer verstärkten interkommunaler Zusammenarbeit immer wieder das Vergaberecht aushebeln. Bei Inhousevergaben erfolgt die Vergabe von Aufträgen beispielsweise an eine Tochtergesellschaft der Kommune oder eines Landkreises. Das kommt etwa im öffentlichen Personennahverkehr häufiger vor.
Die Tatsache, dass immer mehr Aufträge außerhalb des klassischen Vergaberechts an Unternehmen gelangen, führe in vielen Fällen auch zu einem weniger effektiven Rechtsschutz, so die Partner. Denn in diesen Fällen fehle es an einer Grundlage für eine rechtliche Überprüfung.
Ins Visier nehmen die Verbände auch das geplante Vergabetransformationspaket, das aktuell im Wirtschaftsministerium vorbereitet wird. Im Zuge der Konsultation zu Jahresbeginn hatten sich zahlreiche Verbände, darunter auch einige, die nun Teil des Zusammenschlusses sind, gegen allzu umfangreiche Änderungen ausgesprochen und dafür geworben, besser das geltende Vergaberecht zu vereinfachen. Etwa, den rechtlichen Flickenteppich im Unterschwellenbereich zu beseitigen.
„Im Interesse von Auftraggebern und Unternehmen fordern wir den Bund und die Bundesländer daher auf, auch unterhalb der europäischen Schwellenwerte für bundesweit einheitliche, einfache, objektive, transparente und wettbewerbliche Vergabebestimmungen zu sorgen, die praxisgerecht eingehalten und bei Bedarf überprüft werden können“, so das Plädoyer. Die Anwendung von bestehendem Vergaberecht solle Vorrang vor Änderungen bei den einschlägigen Gesetzen haben.
Transparency fordert fairen Zugang zu staatlichen Aufträgen
Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency Deutschland gehört dem Verbund an. Die geforderten Maßnahmen seien nötig, um einen fairen Zugang zu staatlichen Aufträgen zu gewährleisten, teilt die Organisation mit. „Wir beobachten einen schleichenden Rückzug aus dem Vergaberecht und eine Zunahme von De-Facto-Vergaben“, erklärt Julian Brummer von der Transparency-Arbeitsgruppe Vergabe. Unter einer de facto-Vergabe versteht man die vergaberechtswidrige Direktbeauftragung eines Unternehmens ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens. Brummer zufolge würden damit substanzielle Korruptionsrisiken einhergehen.
Das Fazit der Initiative: Nicht die bestehenden Regeln zu Ausschreibungsverfahren, Transparenz und Rechtsschutz für Bieter erschwerten die öffentliche Beschaffung, sondern die fragmentierte föderale Vergaberechtslandschaft, die unzureichende Digitalisierung und eine mangelnde Transparenz.
Einheitliche Vorgaben unterhalb der Schwellenwerte
Die Unterschwellenverordnung (UVgO) gibt es 17 Mal – in allen 16 Bundesländern und für die Bundesebene. In Baden-Württemberg existiert die UVgO seit 2020. Sie ist verbindliche für Landesbehörden, für die Kommunen stellt bislang lediglich eine Empfehlung dar. „Im Interesse von Auftraggebern und Unternehmen fordern wir den Bund und die Bundesländer (…) auf, auch unterhalb der europäischen Schwellenwerte für bundesweit einheitliche, einfache, objektive, transparente und wettbewerbliche Vergabebestimmungen zu sorgen, die praxisgerecht eingehalten und bei Bedarf überprüft werden können.