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Kommentar: Sprachförderung

Ein wichtiger Schritt – doch die großen Fragen stehen noch aus

Schon wieder ein historischer Moment: Mit 100 Millionen Euro jährlich werden Kinder in Kitas und Grundschulen gefördert. Doch bei den Knackpunkten der Bildungsallianz sind Grün-Schwarz noch uneins, die Wochen der Entscheidung nahen.

Winfried Kretschmann und Thomas Strobl, Manuel Hagel und Andreas Schwarz mit Kultusministerin Theresa Schopper feiern sich für die Einigung bei der Sprachförderung.

Rafael Binkowski)

Stuttgart. Da standen sie alle, von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und seinem Stellvertreter Thomas Strobl (CDU), den Fraktionschef Andreas Schwarz und Manuel Hagel bis zur Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) und Staatssekretär Volker Schebesta (CDU). Und wie hatten allen Grund, stolz auf sich zu sein: Nach einem Jahr zähen Ringens steht das 100-Millionen-Paket für frühkindliche Bildung und Sprachförderung.

Das ist nicht wenig und beseitigt ein gravierendes Problem der baden-württembergischen Bildungslandschaft. Die Testes von Pisa bis IQB bescheinigten ein verheerendes Sprachdefizit bei bis zu 30 Prozent der Kinder, untragbar für ein wohlhabendes Bundesland. Es ist ein Erfolg, wenn er auch viel zu spät kommt.

Und es war – bei allem Respekt für den Kraftakt – nur der Teil der großen Reform der Bildungslandschaft, die parteiübergreifend unstrittig war. Daher haben grüne und schwarze Abgeordnete auch einstimmig zugestimmt. Spannend wird eher die Frage, wie man das Geld in den Doppelhaushalt einpreist, der im Herbst beraten wird, und was man dafür weglässt.

Keine Einigung bei Grundschulempfehlung und Schulstruktur

Viel brisanter sind die Fragen, wie man das neujährige Abitur G9 ausgestalten will, das nun ab 2025 kommen soll. Alle Detailfragen dazu: Ungeklärt, strittig, sogar unter den Koalitionspartnern. Erst recht in der größeren Runde der „Bildungsallianz“ mit SPD und FDP, die am 2. Mai im Kloster Bebenhausen erneut tagt.

Wie „verbindlich“ soll die Grundschulempfehlung sein? Gibt es einen oder mehrere Tests für Viertklässler? Wer entscheidet am Ende, die Eltern oder die Schule, wer in welche Schule geht? Wie sieht die „zweite Säule“ neben dem Gymnasium aus, die angedachten Verbünde von Haupt- und Werkrealschulen? Was wird mit der Gemeinschaftsschule, die Grün-Rot 2011 aus der Taufe gehoben hat? Und wie bietet man G8 für leistungsstarke Schüler an, flächendeckend oder optional?

Der Gordische Knoten ist leichter zu lösen

Hier tut sich die Koalition sichtbar schwer, bis spät in die Nacht wurde am Montag gerungen – doch mehr als dass G9 grundsätzlich kommt, hat man nicht beschlossen. Jetzt, wo es ums Details geht, wird allen Bildungspolitikern klar, wie kniffelig diese Fragen sind. Inklusive dem Ministerpräsidenten, der sich jetzt selbst intensiv einbringt.

Der Gordische Knoten scheint leichter zu lösen, alte ideologische Grabenkämpfe brechen wieder auf. Schließlich ist die Bildungspolitik die Kernkompetenz der Landespolitik, nur hier hat sie die alleinige Hoheit – und Entscheidungen wirken sich unmittelbar auf alle Landesbürger aus.

Grün-Schwarz hat sich heute selbst für ihre Handlungsfähigkeit gefeiert – und die Opposition stand außen vor und durfte nur zuschauen. Ob dass das richtige Signal für die Konsensgespräche ist? Klar – die Regierung muss sich erst einmal selbst einigen. Aber davon ist sie aktuell weit entfernt.

Handlungsdruck kann auch heilsam sein

Die Zeit wird knapp bis zum 2. Mai – aber vielleicht hilft Handlungsdruck auch, irgendwann zu Einigungen zu kommen. Es wäre zu wünschen, denn ab Herbst wird sich voraussichtlich mit der Entscheidung für Cem Özdemir als Kretschmann-Nachfolger ab der Wahl 2026 und dem beginnenden Bundestagswahlkampf das Fenster für parteiübergreifende Konsenslösungen unweigerlich schließen.

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