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Nach Bayaz und Scholz: Folgt jetzt ein TikTok-Hype bei Politikern?

Bundeskanzler Olaf Scholz hat es schon, Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz jetzt auch: TikTok. Wieso springen nun immer mehr Politiker auf die Plattform auf? Und macht sich keiner Gedanken um den Datenschutz?

Ausschnitte aus den TikTok-Videos von Finanzminister Danyal Bayaz (rechts) und Bundeskanzler Olaf Scholz. Beide wollen mit Humor das jüngere Publikum auf TikTok erreichen.

Collage/ Screenshots: TikTok @finanzenbw @teambundeskanzler)

Stuttgart. „Es macht wirklich nullkommanull Sinn, dass du jetzt auch hier bist!“ So wird Finanzminister Bayaz in seinem ersten TikTok-Video angepflaumt. Allerdings nicht von einem realen Bürger, sondern von einem Ladendetektiv aus der Amazon-Streamingserie „Die Discounter“ – ein derzeit angesagtes Meme.

Mit dem Profil @finanzenbw will das Finanzministerium junge Menschen ansprechen – informativ und mit Humor. Geplant sind Erklärvideos zu Steuern, aber auch aktuelle Trends will das Social-Media-Team aufgreifen. Doch wieso ausgerechnet TikTok?

„Wir können junge Menschen mit unseren Themen besser erreichen, wenn wir zu ihnen kommen“, sagt Finanzminister Danyal Bayaz in einer Pressemitteilung . „ TikTok hat mittlerweile eine erhebliche politische Relevanz, gerade bei Jüngeren. Deshalb müssen wir aktiv die reichweitenstarken Kanäle nutzen und können nicht warten, bis wir gefunden werden.“

Mit dem Ziel steht Bayaz keineswegs alleine da. Auch andere Politiker im Land, wie zum Beispiel Christian Jung (FDP), Andre Baumann (Grüne), Siegfried Lorek (CDU), Miguel Klauß und Udo Stein (beide AfD) sind aktive TikTok-Nutzer. Sogar das Staatsministerium stehe eigenen Aussagen zufolge dem Thema grundsätzlich offen gegenüber. „Ob wir einen eigenen Kanal starten werden und wie dieser aussehen könnte, werden wir in den nächsten Monaten entscheiden“, so Regierungssprecher Matthias Gauger

Risiken mit dem Datenschutz bei TikTok

Doch bei aller Begeisterung: Der reichweitenstarke Kanal birgt Risiken. Denn TikTok wird vom chinesischen Unternehmen ByteDance betrieben. Das führt immer wieder zu kritischen Diskussionen bezüglich des Datenschutzes.

„Wir raten von der Nutzung von Plattformen mit unklarer Datenverarbeitung ab“, so die klare Meinung von Cagdas Karakurt , Pressesprecher des Landesdatenschutzbeauftragten Tobias Keber .  Ministerien und Kommunen sollten mindestens einen Informationskanal für ihre Bürger anbieten, der nicht die Weitergabe von personenbezogenen Daten an Dritte als Grundlage hat, so Karakurt Öffentliche Stellen müssten vorbildlich und rechtskonform handeln – auch in ihrer Kommunikation.

Laut Karakurt überprüft die EU-Kommission in einem förmlichen Verfahren, ob TikTok unter anderem in den Bereichen Jugendschutz und Transparenz der Werbung möglicherweise gegen den Digital Services Act, also das Gesetz über digitale Dienste, verstoßen hat.

Außerdem klagte der Datenschutzbeauftragte des Bundes gegen das Betreiben der Facebookseite des Bundespresseamts. Sollte der Bescheid vom Bundesbeauftragten Bestand haben und das Gericht entsprechend urteilen, kann es schnell Wirkung entfalten , so Karakurt. Es sei davon auszugehen, dass die im Urteil getroffenen Aussagen auch auf andere kommerzielle soziale Netzwerke übertragbar sind – dies sollten Behörden im Blick haben.

Sollten Politiker TikTok trotz datenschutzrechtlicher Bedenken nutzen, um junge Menschen anzusprechen?
  • Nein 44%, 33 Stimmen
    33 Stimmen 44%
    33 Stimmen - 44% aller Stimmen
  • Ja 36%, 27 Stimmen
    27 Stimmen 36%
    27 Stimmen - 36% aller Stimmen
  • Mir egal 20%, 15 Stimmen
    15 Stimmen 20%
    15 Stimmen - 20% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 75
19. April 2024 - 26. April 2024
Die Umfrage ist beendet.

Bedenken bezüglich TikTok werden wahrgenommen

Den Risiken ist sich auch Bayaz bewusst. „Die Bedenken bezüglich Datenschutz und der chinesischen Eigentümer sind berechtigt. Wir nehmen sie sehr ernst. Das sind sie aber auch bei X und Elon Musk“, sagt Bayaz . „Würden wir uns von den relevanten Social-Media-Plattformen zurückziehen, würde wir schlichtweg einen Teil der Menschen gar nicht mehr erreichen.“ Für TikTok würde das Onlineteam ein Extra-Diensthandy nutzen, auf dem sonst keine Daten vorhanden sind. Auch keine Dienstmails.

Das Verkehrsministerium hat einen anderen Weg gefunden. Es nutze TikTok, allerdings für seine Informationskampagnen und die Kanäle betreibt eine Agentur. „Es gibt keine technische Schnittstelle zu den IT-Systemen des Verkehrsministeriums. Auch die Angestellten des Ministeriums haben die App nicht auf ihren Diensthandys installiert“, erklärt Pressesprecher Daniel Setili .

Laut FDP-Fraktionschefin und Social-Media-Verantwortliche Julia Goll findet ein regelmäßiger Austausch mit internen aber auch externen Datenschutzbeauftragten statt.  Speziell für TikTok sei die ausschließliche Nutzung auf einem separaten Smartphone Standard. Damit soll vermieden werden, dass zum Beispiel ein Zugriff auf interne Landtagsdaten möglich ist.

Die CDU-Fraktion hat nicht vor, einen Tiktok Account anzulegen, sagt Pressesprecher Steffen Tanneberger. „Tiktok scheint mehr auf Personen als Institutionen abzuzielen. Deshalb sehe ich es auch sehr kritisch, wenn Behörden oder Ministerien dieses Format bedienen. Hier liegt die Versuchung nahe, Steuergelder für die Inszenierung von Personen zu verschwenden.“ Man dürfe mit Steuergeldern die Öffentlichkeit informieren, nicht aber Personen inszenieren, so Tanneberger. Ein Beispiel für einen persönlichen Account eines Abgeordneten der CDU-Fraktion ist der von Staatssekretär Siegfried Lorek MdL.

Die AfD-Fraktion hat keine besonderen Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes, sagt Pressesprecher Josef Walter. Man setze auf modernste Technik und sichere sich datenschutztechnisch mit Hilfe des eigenen Datenschutzbeauftragten ab.

Gefahr der Instrumentalisierung bei TikTok

Dass ausgerechnet jetzt Politiker den Weg zu TikTok finden, ist laut Wolfgang Schweiger, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hohenheim, nicht überraschend. „ Es bleibt Politikerinnen und Politikern im Wahlkampf gar nicht anderes üblich, als die Menschen dort anzusprechen, wo sie zu erreichen sind. Vor allem bei der Wahl zum EU-Parlament spielen junge Menschen eine große Rolle, weil erstmals ab 16 Jahren gewählt werden darf.“

Es mache aber auch einen Unterschied, ob politische Akteure dort als Wahlkämpfer oder als öffentliche Institutionen oder Amtsträger auftreten. Denn neben des Datenschutzes bringe TikTok eine Reihe von Problemen mit sich – vor allem die Frage nach einer politischen Instrumentalisierung durch den chinesischen Staat, sagt Schweiger. „Wenn also Bayaz oder Scholz offiziell als Minister oder Bundeskanzler dort auftreten, finde ich das problematisch. Wenn sie aber im Wahlkampf als politische Kandidaten auf TikTok aktiv werden, ist das völlig okay und sinnvoll.“

Politiker können junge Menschen durchaus über TikTok erreichen, sagt Schweiger. Man müsse sich aber klarmachen, dass populistische Botschaften auf einer Plattform mit kurzen, authentischen und emotionalisierenden Videos immer bessere Chancen haben als die Botschaften demokratischer Akteure. „Mit anderen Worten: Ein emotionalisierendes Video mit einfachen Botschaften wird immer mehr Reichweite bekommen als ein Video, das komplexe politische Themen zu erklären versucht“, fügt Schweiger hinzu.

Die Plattform sei geeignet, junge Menschen an Politik heranzuführen und zu mobilisieren. Auch könnten politische Themen mit TikTok erklärt werden. Es werde dabei aber fast immer auf der Oberfläche bleiben müssen. „Ein Ersatz für kritischen und hintergründigen Journalismus kann die Plattform nur in Ausnahmefällen sein“, sagt Schweiger.

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