„Hausgemachte Probleme nehmen unseren Unternehmen die Luft zum Atmen“
Stuttgart . Mit einer Hörkontaktlinse will Dominik Kaltenbacher den Markt für Hörgeräte revolutionieren. Der Maschinenbauingenieur hat dazu 2016 in Mannheim seine Firma Vibrosonic gegründet, eine Ausgründung aus einer Fraunhofer-Projektgruppe. „Wir haben eine Technologie entwickelt, die nahezu konkurrenzlos ist“, sagt Kaltenbacher. Die Hörkontaktlinse ist wie ein Mikro-Lautsprecher, der direkt auf dem Trommelfell platziert wird. Dadurch erfolgt die Klangübertragung durch direkte mechanische Stimulation des Gehörs. Die Linse bietet trotz kleinster Abmessung eine sehr hohe Klangqualität, verspricht das Unternehmen.
Die besten Ideen nutzen aber nichts, wenn sie nicht ausreichend finanziert werden, um sie zur Produkt- und Marktreife zu entwickeln. Kaltenbacher und seine beiden Geschäftsführer-Kollegen haben dies geschafft. Im Oktober 2023 haben sie Zeiss Ventures als Investor gewinnen können, die Wagniskapital-Abteilung der Zeiss Gruppe in Oberkochen. „Nächstes Jahr wollen wir mit der Hörkontaktlinse auf den Markt kommen“, sagt Kaltenbacher.
Trotz Erfolgen ist die Stimmung gedämpft
Erfolgsgeschichten wie diese wurden am Montag in Stuttgart auf dem „Open Innovation-Kongress“ des Wirtschaftsministeriums vorgestellt. Doch die Stimmung in der Communitiy ist gedämpft. „Aktuelle Zahlen zu den Innovationsaktivitäten werfen ein düsteres Licht auf Deutschland“, sagte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) vor den rund 1000 Kongress-Teilnehmern. „Innovationen kommen immer seltener aus der Bundesrepublik. Daher müssen wir alles daransetzen, die Innovationsaktivitäten zu intensivieren und dafür die richtigen Weichen zu stellen“, sagte sie
Hindernisse sieht die Ministerin in geopolitischen Spannungen, protektionistischen Tendenzen und einem wachsenden Wettbewerbsdruck. Es gebe aber auch „hausgemachte Probleme“ am Standort Deutschland: „Die hohen Arbeits- und Energiekosten, relativ hohe Steuern und Abgaben und die viel diskutierten Bürokratielasten nehmen unseren Unternehmen immer mehr die Luft zum Atmen.“ Dies führe dazu, dass Unternehmen Innovationen nicht mehr in Deutschland durchführen, sondern in anderen Regionen dieser Welt.
Es wäre leichter, so wie Biontech ins Ausland zu gehen,
Davor warnt auch Saskia Biskup. Die Fachärztin für Humangenetik hat vor rund 15 Jahren die Cegat GmbH in Tübingen gegründet, einen mittlerweile weltweit führenden Anbieter für genetische Analysen. Damit lassen sich etwa Stoffwechselerkrankung, Parkinson und Tumorerkrankungen rasch diagnostizieren. Dieser Tage bezieht das Unternehmen mit 200 Mitarbeitern im Technologiepark Tübingen einen Neubau, berichtet Biskup. „Wir haben uns ganz stark in Richtung personalisierte Medizin weiterentwickelt, personalisierte Medikamente und personalisierte Tumorimpfstoffen. Doch wir werden durch regulatorische Hürden massivst ausgebremst“, sagte sie. „Trotz der Politik haben wir es in Deutschland geschafft, einen erfolgreichen Weg einzuschlagen. Es wäre leichter, so wie Biontech ins Ausland zu gehen, aber man sei nah an der Uni Tübingen, man habe toll ausgebildete Mitarbeiter und sei persönlich und familiär hier verbunden.
„Kein Mensch sollte mehr an einer Tumorerkrankung sterben müssen“, so die Vision von Biskup. Dazu sei eine personalisierte Medizin nötig, die aber werde in Deutschland nicht unterstützt. „Unsere Daten sind nicht gewünscht. In der Welt von Gesundheitsminister Lauterbach existieren wir einfach nicht.“
Noch steht Baden-Württemberg mit 5,6 Prozent der Ausgaben seines Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung weiterhin an der Spitze Europas, erklärte Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut. Um diese Position zu halten, baut sie auf das Konzept der „Open Innovation“ – zugleich der Titel des Kongresses. Hierbei öffnen Unternehmen ihr Innovationsmanagement für externe Expertise und Ressourcen, die intern oft nicht verfügbar sind. Die Offenheit soll helfen, Innovationen schneller auf den Markt zu bringen.
Technologiekonzern Bosch öffnet seine Innovationsabteilung
Beim Technologiekonzern Bosch ist man von dem Konzept überzeugt, wie Thomas Kropf, Leiter der Konzernforschung deutlich machte. Mit seinen rund 1600 Mitarbeitern hat er aktuell rund 300 Forschungsprojekte am Laufen. „Wir schauen uns viele Start-ups an, um Innovationen außerhalb des Bosch-Systems zu erschließen“, berichtet er. „Wir greifen auf ein Netzwerk in Baden-Württemberg zurück, um lokale Synergien zu nutzen“ berichtete Kropf. Baden-Württemberg sei für ihn ein innovatives Powerhouse. „Anstatt zu jammern, machen wir lieber.“
Ähnlich positionierte sich Susanne Hahn von der Stuttgarter Beteiligungsgesellschaft SKV Invest. „Wir sehen uns als Trüffelschwein und spüren Unternehmen mit Chancen auf“, sagte sie. Zusammen mit dem Tunnelbohrer-Spezialisten Herrenknecht aus dem badischen Schwanau hat sie ein Joint Venture gegründet: die Hyper Park Technologies. Ziel ist Parkhäuser für Autos zu bauen – rund 70 Meter unter der Erdoberfläche. Vollautomatisch, wie in einem Hochregallager sollen die Autos eingeparkt und geladen. „Herrenknecht bekommt mittlerweile starke Konkurrenz für seine großen Bohrmaschinen“, berichtete Hahn. Hyper Park biete dem alteingesessenen Traditionsunternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten.