G-8-Schnellläufer sind auch nötig
Ralf Scholl: Die Elterninitiative hat das ja hervorragend begründet. Es geht um ein Corona-Aufholjahr, und das unterstützen wir. Wir wissen ja, dass insbesondere die Grundschulkinder am schwersten unter den Schulschließungen gelitten haben. Und die sind im Herbst dann in Klasse fünf, sechs oder sieben und acht und viele von ihnen tun sich extrem schwer.
Für die kä me also ein aufbauendes G9 , das mit der fünften Klasse beginnt, zu spät.Ja. Man sollte aber zumindest diesen Schülern bis einschließlich Klasse 7 oder 8 die Möglichkeit eines direkten Wechsels in ein G9 anbieten, dann haben sie die Möglichkeit, mit mehr Zeit Dinge aufzuarbeiten. Denn jetzt gibt ja noch keine neuen Bildungspläne, sondern sie würden nach den gestreckten G-8-Bildungsplänen arbeiten. So, wie es derzeit schon in circa 25 von den 43 Modellversuchsschulen zu G9 der Fall ist. Das heißt, diese Pläne sind sofort verfügbar und die Schüler hätten zwölf Unterrichtsstunden mehr im Lauf ihrer Schulzeit, um ihre durch die Pandemie verursachten Lücken aufzuarbeiten.
Lässt sich das tatsächlich so schnell organisieren, auch von den Räumlichkeiten her?Da sagen uns Schulleitungen verschiedene Dinge. Das hängt im Wesentlichen von der Raumsituation ab. Es ist in den ersten Jahren jedenfalls kein Lehrerproblem. Denn durch die Streckung auf G9, selbst wenn man zwölf Stunden dazu gibt, wie bei den derzeitigen Versuchsschulen G9, sind es immer noch weniger Unterrichtsstunden pro Schuljahr als im G8. Das heißt, die Lehrersituation entspannt sich sogar erst mal vorübergehend.
… aber die Räumlichkeiten?Das ist extrem abhängig davon, wo die Schule liegt. Wenn sie sich in einem städtischen Neubaugebiet befindet und die Stadtverwaltung dort eigentlich sowieso schon ein neues Gymnasium bauen müsste, weil der Zulauf groß ist, dann gibt es ein massives Problem, ganz klar. Doch wenn die Kommune eher im ländlichen Raum liegt, dann gibt es mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Problem.
Die kommunalen Landesverbände, also die Schulträger, sehen darin aber ein großes Problem.Bei den Schulträgern gehört natürlich das Klappern auch zum Handwerk. Denn sie sind für die Gebäude und für die Sachmittel der Schulen zuständig. Selbstverständlich wird es einzelne Kommunen geben, wo es Raumprobleme gibt. Aber es gibt kaum Gymnasien, die seit 2003 oder 2004 neu gebaut worden sind. Die allermeisten waren also schon einmal auf G9 ausgelegt.
Inzwischen hat sich doch sicherlich viel verändert, ist umgebaut worden …Sicherlich sind Räumlichkeiten umgewidmet worden. Aber mit Verlaub, an den Schulen, die ich kenne, ist dann zwar zum Teil eine Mensa gebaut oder ein Raum umgewidmet worden. Aber viel mehr ist ja meistens nicht geschehen
Kommen wir zu den Inhalten. Warum wollen Sie, anders als etwa der Landeselternbeirat, keine komplette Rückkehr zu einem neunjährigen Gymnasium als einzigem Angebot?Wir wollen eigentlich ein G9 als Basismodell für das Gymnasium, aber daneben eine G-8-Wahlmöglichkeit für leistungsstarke und motivierte Schüler.
Wie sieht Ihr Konzept dafür aus?Wir wollen ein Schnellläufer-G-8 als Angebot, wie es das ja in dem Modellversuch vor der Einführung des allgemeinen G8 schon gab. Wenn man die Klassengröße entsprechend gestaltet, mit bis zu 25 oder 26 Schülern, könnte man an jedem vierzügigen Gymnasium problemlos eine G-8-Klasse bilden, ohne dafür viel zusätzliches Geld in die Hand zu nehmen. Durch eine solche G-8-Klasse fällt dann ja einfach eine G- 9-Klasse weg. Wir haben das genau durchgerechnet und die Zahlen auch dem Kultusministerium vorgelegt. Momentan gibt es die perfekte Gelegenheit in Baden-Württemberg für eine echte Spitzenförderung ohne zusätzliche Kosten.
Wenn die Vorteile so offensichtlich wären, warum findet das im Kultusministerium keine Resonanz?Unsere Ministerin kommt aus Bayern und möchte anscheinend das dortige Modell zum Vorbild nehmen. In Bayern können leistungsstarke Schüler zusätzliche Stunden in Klasse 9 und 10 bekommen und dann später die elfte Klasse überspringen. Nach dem Motto: Wir ermöglichen damit Auslandsaufenthalte oder Ähnliches. Das ist aber kein echtes Spitzenförderungsmodell.
Mit der Rückkehr zu G9 wird der Drang zum Gymnasium vermutlich noch stärker. Daher fordern viele eine verbindlichere Grundschulempfehlung. CDU-Landes- und Fraktionschef Manuel Hagel ist jetzt für ein Dreikomponentenmodell aus Lehrerempfehlung, Elternwille – und einem zusätzlichen Test.Das ist Wasser auf unsere Mühlen. Diesen Vorschlag hat das G-8/G-9-Bürgerforum in die Politik eingespeist. Wir haben 100 000 Grundschüler pro Jahrgang. Ein solcher Test, wenn Sie den sehr sauber und extern durchführen, kostet circa 40 Euro pro Kind. Das wären also rund vier Millionen Euro im Jahr, brächte aber größere Zielgenauigkeit, zusätzliche Erkenntnisse über die Stärken und Schwächen der Kinder und eine Befriedung der Eltern. Damit wäre viel gewonnen, das sollte es uns wert sein.
Wie sollte dieser Test aussehen?Es geht nicht darum, dass die Kinder irgendein Grundschulabitur machen. Über die Frage, was es für ein Test ist, wurde überhaupt noch nicht geredet. Hat er Elemente eines Intelligenztests, ist also unabhängig vom gelernten Stoff? Oder geht es um das, was gelernt wurde, um so Unterschiede zwischen den Grundschullehrern, ihrem Vermittlungskönnen und ihren Bewertungen auszugleichen?
Was würden Sie präferieren?Man könnte ja auch beides mischen. Dafür bin ich offen. Ich bin immer dafür, tragfähige Kompromisse zu finden, aber mir geht es eben um die Tragfähigkeit. Und wenn jetzt in Baden-Württemberg das Gymnasium neu aufgestellt wird, dann muss das mindestens 20 Jahre tragen.
Stichwort Tragfähigkeit, da sind wir ja beim Thema Schulfrieden oder der Bildungsallianz. Welche Chancen sehen Sie da für einen Erfolg?Das kommt darauf an, wie verhandlungsbereit die beteiligten Parteien sind. Und auch davon, wie stark der Druck von der Straße ist. Momentan bin ich da noch skeptisch.
Das Gespräch führte Christoph Müller