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Marc Jongen: Europawahl-Spitzenkandidat der AfD
Nein, ein Politiker ist Marc Jongen immer noch nicht. Jedenfalls, wenn man sich darunter einen schulterklopfenden Zeitgenossen vorstellt, einen, der ständig dieselben Phrasen drischt, Politikersprech eben.
Doch was ist er dann? 2016 hat Jongen sich mal als „Amphibie“ bezeichnet, als einer, der in zwei völlig unterschiedlichen Welten lebt, der Politik und der Wissenschaft. Kurz zuvor war er noch Assistent von Peter Sloterdijk gewesen, dem berühmten Philosophen, mit dem sich gerne andere schmücken, Christian Lindner etwa, bei dessen Hochzeit auf Sylt Sloterdijk die Festrede hielt. Der Bruch zwischen dem Lehrstuhlinhaber für Philosophie und Ästhetik und dem Assistenten kam mit Jongens Engagement in der AfD. Das missfiel Sloterdijk, der keine Lust hatte, in die rechte Ecke gesteckt zu werden.
Lesen Sie hier ein Interview mit Marc Jongen
2017 verließ Jongen die Staatliche Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe und zog in den Bundestag. Fortan wurde er von den Medien abwechselnd „Parteiphilosoph“, „Chefideologe“ oder „Vordenker“, genannt: Zuschreibungen, die er allesamt ablehnt, wenngleich er einräumt, er habe seit seinem Eintritt in die AfD 2013 „immer wieder versucht Akzente zu setzen und Leitlinien zu formulieren“.
Marc Jongen besitzt die deutsche und italienische Staatsbürgerschaft, wobei er die letztgenannte bei Geburt erwarb. Sein Vater: Niederländer. Seine Mutter: aus Südtirol. Dort, zwischen Meran und Bozen, wuchs er auf. Und dort hat er Geschichten aus jener Zeit gehört, als sich alle Südtiroler entscheiden mussten, ob sie lieber Italiener werden oder „heim ins Reich“ wollten.
In Südtirol sei man sich viel stärker bewusst, dass die deutsche Sprache und die deutsche Kultur nicht selbstverständlich seien. „Das ist natürlich eine andere Perspektive, als wenn man in Deutschland aufgewachsen ist. Und ich denke, dass diese Selbstverständlichkeit, die ein Bundesdeutscher mitbringt, auch ihre Gefahren in sich birgt.“
Jongen studierte in Wien, arbeitete als Kulturredakteur der Neuen Südtiroler Tageszeitung in Bozen und kam 1999 nach Karlsruhe. 2013 entstand die AfD. „Und dann hat die Partei Dinge artikuliert, die ich auch so gesehen hatte.“ Etwa, dass es ein Fehler war, den Euro einzuführen.
Falls Jongen am 9. Juni ins Europaparlament gewählt wird – wovon auszugehen ist, schließlich steht er auf Platz sechs der Bundesliste und ist damit Spitzenkandidat der AfD in Baden-Württemberg –, will er gemeinsam mit den Schwesterparteien an einer neuen EU bauen. Nein, an eine geordnete Abwicklung denke er nicht, versicherte er beim Magdeburger Europaparteitag. „Wir wollen Europa wieder stark machen.“ Aber eben nicht als EU-Superstaat, als „ever closer union“. Subsidiarität und Souveränität lauten die Stichwörter. Aber auch eine gemeinsame Außenpolitik und ein Binnenmarkt.
Drei Fragen…
Muss sich die AfD eindeutig gegen rechts abgrenzen?Ja, das müssen wir. Wir nehmen jetzt die Stelle ein, die Franz Josef Strauß einst für die Union vorgesehen hatte. Das heißt, dass es rechts von uns keine demokratische Partei geben darf. Dabei dürfen wir nicht alles, was am rechten Rand ist, einsammeln, sondern müssen eine klare Grenze ziehen.
Wie im Fall des ehemaligen AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon.Genau. Antisemitische Positionen dürfen niemals unsere Linie sein. So jemand hat in unserer Partei nichts verloren.
Wie stehen Sie zu Björn Höcke?Ich bin nicht immer mit ihm einer Meinung. Aber ich glaube, dass er zu Unrecht einen bestimmten Ruf genießt. Da wurde vieles auch durch die Medien ins Schrille überzeichnet. So habe ich ihn in Gesprächen nicht kennengelernt. Er steht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung.